«Offen für das Geheimnisvolle werden»
«Animanca» soll bei der Migros das «Wort des Jahres 2012 werden». In Animanca steckt das alte Wort «Animus». Es bedeutet Seele, aber auch Gedächtnis, Herz, Entschlossenheit und Mut.
Amulette sammeln
Die Kampagne zeichne sich durch viele spannende Aktivitäten aus, die über das Sammeln hinausgehen würden, sagt die Migros. Das erste Highlight werde bald in aller Munde sein. Tiere würden dabei eine Hauptrolle spielen. Wer offen für «Geheimnisvolles» sei, werde zum Entdecker.
Animanca finde nicht nur in den Migros-Filialen und im Internet statt, sondern auch direkt in der Natur. Dabei gehe es auch um das Sammeln von 48 Stein-Amuletten auf denen immer ein anderes Tier abgebildet ist, und die man an der Kasse erhält. Die «mythischen» Steine, wie sie von der Migros bezeichnet werden, sollen «das Tier und Kräfte in uns wecken». Es seien «Steine mit geheimnisvollen Symbolkräften». «Doch Vorsicht: Es gibt Steine, die du besser nicht einsammeln solltest», wird in der Ankündigung erwähnt. Weshalb, wird nicht erklärt.
Was für Kräfte? Tönt doch recht esoterisch. Ein Anruf beim Migros-Genossenschafts-Bund brachte keine Klärung. Man gab sich eher bedeckt und erstaunt: Nein, hiess es, man sehe hier nichts Esoterisches, das sei nur ein Spiel, man wolle die kritische Anfrage jedoch weiterleiten. Die Idee dieser Werbung sei Migrosintern entwickelt worden. Kann es sein, dass die Verantwortlichen wirklich nur das Spielerische gesehen haben?
Nur ein Spiel?
Laut Wikipedia ist ein Amulett «ein Gegenstand, dem magische, energetische Kräfte zugeschrieben werden». In einem ausführlich recherchierten Artikel «Amulette ...am roten Faden der Geschichte», wird darauf verwiesen, dass ein Amulett ein kleines tragbares Objekt sei, das «gute Kräfte fördern und schlechte abwehren soll».
Auf einer Esoterik-Seite im Internet heisst es dazu: «Kann ein Amulett uns beschützen und uns Kraft geben? Ja, das kann es. Ein Amulett kann Energien aufnehmen, speichern und an uns weitergeben. Es macht keinen Unterschied zwischen positiven und negativen Energien. Es kommt auf uns an, um was für Energien wir bitten, und wie wir mit ihnen umgehen.» Ein Amulett sei ein Mittler zwischen den Höheren Mächten und uns Menschen. «Es ist ein Symbol für diese Verbindung. Durch das Amulett können wir mit den Höheren Mächten in Kontakt treten und sie um ihre Hilfe und Unterstützung bitten.»
In Europa wandte sich die christliche Kirche schon früh gegen den Aberglauben, zu dem auch Amulette gerechnet wurden. Das hinderte den Volksglauben aber nicht daran, an Amuletten festzuhalten.
Kraft-Tiere?
Die esoterisch geprägte Vorstellung: «Das Tier und Kräfte in uns wecken» ist keine Erfindung der Migros, sondern indianischer Glaube. Ein Medizinmann aus dem Indianerstamm der Lakota erklärt das so: «Tiere geben uns jene Energie wieder, die wir auf unserer Reise durch das Leben immer wieder verlieren». Medizinmänner und Schamanen erbitten von Kraft-Tieren Rat und Hilfe bei Heilzeremonien und bei Fragen des täglichen Lebens. Jeder Mensch besitze ein Kraft-Tier, das ihn beschütze und ihm den richtigen Weg weise.
Die kurzen Ausführungen deuten darauf hin, dass hier Esoterik im Spiel ist.
Wie können Eltern damit umgehen?
Eltern, die kirchlichen Kreisen nahestehen, sind vielleicht besorgt, ob diese «Animanca»-Kampagne der Migros für ihre Kinder doch nicht so ganz harmlos sein könnte. Deshalb haben wir beim Ehe- und Familienberater Beat Tanner nachgefragt, wie sie damit umgehen könnten.
Tanner sagt: «Als Vater ist dies eine gute Gelegenheit, mit Kindern ins Gespräch zu kommen. Das ‚Stürmen’ der Kinder und Teenager, auch bei «Animanca» mitzumachen, kann mich entweder ärgerlich und ungeduldig werden lassen – oder sich als Chance nutzen lassen, über die Beziehungen zu Jesus in unserer Familie zu diskutieren.»
Wer ist dein Gott?
Eltern seien in der Pflicht: «Nehmen wir uns als Eltern noch Zeit mit unseren Kindern darüber zu reden, wem oder was wir vertrauen? An dem Versprechen eines ‚besonderen’ Steines, also an einem Teil der Schöpfung oder vertrauen wir den Zusagen eines Schöpfers?» Der Reformator, Martin Luther habe sich auch schon passend dazu geäussert: «Woran du dein Herz hängst und das Vertrauen setzt, dass ist eigentlich dein Gott». Das fordere Eltern heraus, selber darüber nachzudenken, worauf man das Vertrauen setzt.
Moralpredigt vermeiden
Den Kindern dürfe man jedoch keine Moralpredigt halten und nur auf sie einreden. Kinder und Teeangern würden viel besser in einer entspannten Atmosphäre lernen. Man könne ihnen beispielsweise solche Frage stellen: «Warum ist dir gerade dieser Stein so wichtig? – Was bedeutet es für dich, einen solchen Stein zu haben? – Was denkst du, sagt die Bibel dazu?» Darauf könne man einen entsprechenden Bibeltext lesen wie: «Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz» (Die Bibel, Matthäus, Kapitel 6, Vers 21) und darüber reden, was das bedeutet.
Vor allem mit älteren Kindern könne auch die Werbe- und Verkaufsstrategie der Migros thematisiert werden. Wenn man an einem bestimmten Tag für über 60 Franken einkaufen muss, um überhaupt wichtige Teile des Spiels zu erhalten, könne man sich fragen, ob es wirklich nur um Spass für die Kinder geht, oder eher um Umsatzzahlen.
Datum: 27.01.2012
Autor: Bruno Graber
Quelle: Livenet