Ethnologe über Weltuntergang

Weltuntergangpartys, Torschlusspanik, Bunkerbauen

Derzeit diskutiert die ganze Welt den angedrohten Weltuntergang am 21. Dezember. Die ganze? Nein, der Hamburger Ethnologe Lars Frühsorge (33) bleibt gelassen.
Weltuntergang

Lars Frühsorge forscht seit Jahren über Sitten und Bräuche der Maya. Was er vom Weltuntergangswirbel hält, sagte er im folgenden Interview.

Herr Frühsorge, laut Maya-Kalender geht am 21. Dezember die Welt unter...
Lars Frühsorge: Nein, das stimmt nicht.

Aber das ist doch seit Wochen zu hören und zu lesen...
Trotzdem, das Ganze beruht auf einem Missverständnis. 1966 schrieb der amerikanische Archäologe Michael D. Coe in seinem Buch «The Maya» eher im Scherz, vielleicht hätten die Maya geglaubt, dass die Welt 2012 untergeht. Sie hatten nämlich die Vorstellung, dass die Welt mehrfach erschaffen wird und es schon eine frühere, unvollkommene Menschenrasse gab, mit der die Götter unzufrieden waren. Aber de facto sagt kein einziges Dokument der alten Maya, dass am 21.12. die Welt untergeht.

Wie kommt die Wissenschaft denn darauf?
Forscher haben anhand von Inschriften und anderen Quellen ausgerechnet, dass die vorige Welt 5.200 Jahre existiert hat. Dann wurde im Maya-Kalender praktisch «Reset» gedrückt, und man fing wieder von vorne an zu zählen. Was aber gerade von der esoterischen Literatur ignoriert wird: Es gibt andere Inschriften, die auf Daten in der ferneren Zukunft, etwa im fünften Jahrtausend, verweisen.

Wie konnte diese Weltuntergangstheorie solche Kreise ziehen?
Sie ist in den USA gerade bei der New-Age-Bewegung und anderen esoterischen Richtungen auf sehr fruchtbaren Boden gefallen. Es wurden eigene Weltzeitalter-Vorstellungen und andere krude Geschichten hineinprojiziert. Da spielen Nostradamus, Atlantis, die alten Ägypter und Ausserirdische eine Rolle. Auch wird die Apokalypse aus der Offenbarung des Johannes hineingerührt. Einen grossen «Hype» gab es nach dem Millennium, das die Menschheit wider Erwarten überlebt hatte. Da wurden wieder neue Weltuntergangsszenarien gesucht. Fernsehserien wie «The X-files», auf Deutsch «Akte X», oder der 2009 erschienene Film «2012» von Roland Emmerich schürten das öffentliche Interesse.

Wie bewerten Sie den aktuellen Wirbel um das Thema?
Ich beobachte derzeit eine Wandlung. Viele Menschen, die anfänglich vom Weltuntergang gesprochen haben, sehen jetzt eher den Beginn eines neuen Zeitalters kommen. Manche Autoren bauen schon geschickt vor, falls doch nichts Spektakuläres passiert.

Wie soll denn überhaupt der Weltuntergang vonstatten gehen?
Manche glauben, dass kosmische Strahlen die Erde verbrennen, sich Erdachsen verschieben oder wir mit einem Planeten kollidieren. Auch gibt es viele Verschwörungsszenarien. Eine Theorie, die ich besonders lustig finde: Alle Regierungen der Welt sind inzwischen unterwandert von Ausserirdischen, die wie Echsen aussehen. Anführer ist das britische Königshaus, namentlich Prinz Charles. Andere sehen US-Präsident Barack Obama als wiedergeborenen Antichristen, dem am 21.12. Hörner wachsen.

Wie erklären Sie sich die Faszination des Themas?
Die fundamentale Frage nach der Sterblichkeit beschäftigt uns alle und hat ganz viel kulturelles Wachstum stimuliert. Hünengräber in Norddeutschland genauso wie Pyramiden in Ägypten zeigen den Wunsch der Menschen, etwas zu schaffen, was über ihr kleines Leben hinausreicht.

Wann blüht uns der nächste Weltuntergang?
Die Nachbarn der Maya, die Azteken, hatten auch die Vorstellung, dass die Welt mehrmals erschaffen wird. Sie gehen von einem Zyklus von 52 Jahren aus. Demnach könnte die Welt 2023 untergehen oder 52 Jahre später oder 104 Jahre später und so fort. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Autoren sich als nächstes auf dieses Datum stürzen werden. Monat oder Tag sind noch völlig offen, aber das kann man, wenn man will, mit Inhalt füllen.

Datum: 19.12.2012
Autor: Sabine Kleyboldt
Quelle: Kipa / KNA

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