Die Not der Kinder ist sein Ruf
Ich bin in einer Bauernfamilie im Emmental aufgewachsen. Mein Vater war Landwirt, mein Grossvater war Landwirt und alle dachten, dass ich einmal in ihre Fussstapfen treten werde. Für mich war unvorstellbar, dass ich die schöne Schweiz je für längere Zeit verlassen würde. Dass ich einmal verwahrlosten Kindern an allen möglichen Orten helfen würde, hätte ich nie gedacht. Und auch nicht, dass ich mal Geschäftsführer eines Missionswerks werden könnte.
Zwei göttliche Fingerzeige
Aber schön der Reihe nach: Den ersten Fingerzeig, dass mein Leben doch einen anderen Horizont haben könnte, als den Betrieb auf dem elterlichen Bauernhof zu führen, bekam ich in meiner Jugendzeit. In einem Wochenend-Camp hatte ich so krasse Erlebnisse, dass ich nach Hause kam und meinen Eltern offenbarte: «Ich werde Pastor!» Natürlich war es eine Zeit, in der sich eine Meinung auch wieder ändern konnte, aber diese innere Überzeugung blieb.
Mein zweites prägendes Erlebnis hatte ich, als ich 18 Jahre alt war und mit Metro Ministries, einem Missionswerk für Kinder in Not, nach Rumänien in einen Einsatz ging. Zuvor war ich noch kaum im Ausland. In unserer Familie war es nicht üblich, viel zu reisen. In Rumänien half ich Programme für Kinder zu organisieren, unter anderem führten wir auch eine «Päckliaktion» an Weihnachten durch. Als wir eine Familie besuchten, musste ich mit ansehen, wie ein Vater mit einem jungen Mann im Gespräch war und diesem seine 11-jährige Tochter für Sex verkaufte. Ich habe in die Augen des kleinen Mädchens geblickt und da war nicht mehr als eine grosse Leere.
«Ich bete, dass du Missionar wirst»
Das Erlebnis in Rumänien rüttelte mich auf. Aber mein Herz sträubte sich noch dagegen, Missionar zu werden. Ich war überzeugt, dass die Schweiz mein Platz ist und ich hier eine Kirche aufbauen könnte oder etwas in der Art. Doch kurz darauf hatte ich eine Begegnung mit einer alten Missionarin, die 35 Jahre in Afrika war. Sie sagte mir, sie habe dafür gebetet, dass ich Missionar werde. Dieses Gebet verfehlte die Wirkung nicht. In den nächsten Jahren veränderte sich mein Herz und irgendwann war ich bereit, mich auf das einzulassen, was Gott vorhatte. So ging ich nach New York zu Bill Wilson, dem Gründer von Metro Ministries. Als ich das erste Mal in Brooklyn am Broadway entlang lief und die Sonntagsschularbeit von Pastor Bill erlebte, wusste ich, dass dies das Richtige für mich ist. Genau das will ich machen.
Die Not ist die Berufung
Für mich war Berufung immer etwas sehr komplexes, bis ich Pastor Bill kennenlernte. Er war selbst mit 12 Jahren von seiner Mutter auf der Strasse ausgesetzt worden. Diese persönliche Not wurde zu seinem Motor, den verlorenen und verwahrlosten Kindern zu helfen. Er gründete in Brooklyn die Metro Church, die Sonntagsschule für Kinder anbot. Bill Wilson pflegt zum Thema Berufung stets zu sagen, dass die Not bereits der Ruf sei («The need ist the call»). Man solle nicht das ganze Leben auf die Berufung warten, sondern schauen, wo die Nöte um einen herum sind und dann anpacken und helfen. Das ist mittlerweile auch zu meinem Credo geworden. Als Geschäftsführer von Metro World Child in der Schweiz versuchen wir, die Not mit Leuten zu verkuppeln, die etwas Gutes bewegen wollen. So koordinieren wir beispielsweise von der Schweiz aus das Projekt «Warme Füsse». Frauen aus der Schweiz haben dafür 15'000 Paar Socken gestrickt, welche wir an arme Menschen verteilen konnten. So einfach ist es. Auch jemand, der gerne strickt, kann helfen und Teil eines weltweiten Projekts werden. Nicht viele Menschen sind berufen, wie Bill Wilson eine weltumspannende Bewegung in Gang zu geben. Aber jeder kann in seinen Möglichkeiten etwas tun. Auch ich muss mich immer wieder fragen, was Gott vor meine Füsse gelegt hat. Ich will keine Kopie von Bill Wilson oder irgendeinem Glaubenshelden sein. Am Schluss bin ich immer noch ich, Marcel, und muss meine ganz persönliche Berufung leben.
Marcel Blaser ist derzeit mit Bill Wilson in der Schweiz «on tour». Gottesdienste mit dem Gründer und Leiter von Metro World Child finden statt, am:
Samstag, 29. März 2014, im Glaubenszentrum St. Margrethen
Sonntag, 30. März 2014, im ICF Zürich
Datum: 29.03.2014
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Jesus.ch