Afghanistan macht grosse Fortschritte
«Shelter-Now»-Leiter Georg Taubmann, der in Afghanistan Aufbauprojekte koordiniert, ist ein «Wiederholungstäter»: Im Jahr 2001 war er mit 16 einheimischen und sieben ausländischen Mitarbeitern Gefangener der Taliban. Nach 105 Tagen wurden die Geiseln von Aufständischen befreit. Taubmann kehrte sechs Monate später nach Afghanistan zurück.
Im Vergleich zur Situation vor zehn Jahren seien heute Fortschritte auf vielen Gebieten zu sehen. Wirtschaftlich gehe es aufwärts, die Infrastruktur werde ausgebaut, die medizinische Versorgung habe sich stark verbessert, die meisten Kinder in den Städten gingen zur Schule. Die Behörden seien gut organisiert und mit kompetenten Mitarbeitern ausgestattet, auch wenn es noch Korruption gebe.
Verunsicherung
Die blutigen Anschläge der Taliban wie bei ihrer «Frühjahrsoffensive», die Mitte April allein in Kabul 47 Todesopfer forderte, versetzen die Bevölkerung laut Taubmann in Angst. Er war mit seiner Frau während der Kämpfe in Kabul. Jetzt breite sich Unsicherheit aus, dass die Schreckensherrschaft zurückkehren könnte. Auch Vorkommnisse wie die Koranverbrennungen durch US-Soldaten trügen zur Verunsicherung bei und gefährdeten die Weiterentwicklung des Landes.
«Dörfer der Hoffnung»
Das Hilfswerk baute zunächst mehrere Betonfabriken, in denen vor allem Material zum Wiederaufbau von Wohnhäusern hergestellt wird. Für zurückgekehrte Flüchtlinge wurden «Dörfer der Hoffnung» errichtet, ebenso mehrere Schulen, auch für Mädchen. In Kabul wurde eine zerstörte Augenklinik zusammen mit Partnern aufgebaut. Dort hat die Organisation auch ein Zentrum für Gehörlose, in dem Kinder und Erwachsene unterrichtet und in einem Beruf ausgebildet werden. In Nord-Afghanistan betreibt Shelter Now eine Schule für Englisch- und Computerkurse und unterhält landwirtschaftliche sowie Trinkwassergewinnungsprojekte. Die deutsche Zentrale von Shelter Now befindet sich in Braunschweig.
Christen bleiben in Gefahr
Obwohl die Regierung internationale Abkommen unterzeichnet und sich verpflichtet hat, die Religionsfreiheit zu schützen, kann sie die grundlegendsten Prinzipien dieses Rechts nicht gewährleisten, so schätzt das Hilfswerk für verfolgte Christen «Open Doors» die Lage ein. Gefährdet seien vor allem afghanische Christen muslimischer Herkunft. Sie halten ihren Glauben geheim. Andernfalls müssen sie als «Abtrünnige» vom Islam mit der Verfolgung durch die eigene Familie sowie durch Behörden und muslimische Geistliche rechnen und im schlimmsten Fall sogar mit ihrer Ermordung. Auf einer Internetseite haben die Taliban im Oktober 2011 allen Christen im Land den Vernichtungskampf angesagt. Insbesondere christliche Entwicklungshelfer sind im Visier von Aufständischen. Georg Taubmann war selbst davon betroffen. Auf dem jährlich erscheinenden Weltverfolgungsindex rangiert die Nation punktegleich mit Saudi-Arabien auf Rang 2, hinter Nordkorea.
Keine öffentliche Kirche
In Afghanistan ist der Islam Staatsreligion. Über 99 Prozent der 29 Millionen Einwohner sind Muslime. Die Zahl der einheimischen Christen wird auf 200 bis 300 geschätzt. Sie müssen sich im Untergrund treffen und sind nicht als Minderheit anerkannt und geschützt. Hinzu kommen einige Hundert ausländische Christen. Seit 2009 gibt es in Afghanistan keine öffentlich zugängliche Kirche mehr.
Shelter Now hat seine Arbeit unter Afghanen 1983 in Flüchtlingslagern in Pakistan begonnen und war dort bis 2004 unter Flüchtlingen tätig. Seit 1988 ist das Werk in Afghanistan engagiert und seit 1992 von den wechselnden Regierungen registriert.
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Datum: 26.04.2012
Quelle: Livenet / Idea / Transparency International / Open Doors / Reporter ohne Grenzen