«Die Christen im Jemen sind mutig und aktiv»
Im Jemen ist es im Moment schwer, sich zu bewegen, Al-Qaida ist dort einer der gefährlichsten Player. «Obschon es als besonders verschlossene Region gilt, geschehen geistliche Aufbrüche», beobachtet M. Schwab, Nahost-Projektleiter des Hilfswerks «HMK Hilfe für Mensch und Kirche» mit Sitz in Thun (BE).
Er lebte selbst lange als Entwicklungshelfer im Nahen Osten. «Der Jemen ist eine faszinierende Nation, für mich das Land Nummer eins, von der Landschaft her ist es für mich die Schweiz Arabiens und gleichzeitig Orient pur, malerisch wie '1000 und eine Nacht'. Andererseits ist ein sehr konservativer Islam tief verankert, in manchen Gebieten wir der sogar viel strenger gelebt als in Saudi-Arabien.»
Christen im Untergrund
Der Jemen ist je zur Hälfte sunnitisch und schiitisch. «Saudi-Arabien fürchtet, dass die Huthi-Schiiten-Miliz immer mehr Rückhalt in der Bevölkerung erhält. Deshalb übt sie sich schon lange im Destabilisieren Jemens.» Die einheimische Bevölkerung – also nach Abzug der Summe der Gastarbeiter – ist im Jemen grösser als in Saudi-Arabien.
«Der Jemen ist das Land mit der grössten Anzahl einheimischer Christen auf der Arabischen Halbinsel, sie sind mutig und sehr aktiv. Das Land war einst christlich geprägt, bevor der Islam entstand. Heute noch sind die Jemeniten stolz auf ihre Königin von Saba. Erst vor kurzem haben die letzten Juden das Land verlassen. Der Staat Israel half ihnen dabei. Leider werden die jemenitischen Christen in ihrer Heimat vom Westen weitgehend vergessen und im Stich gelassen.»
Der Westen lasse die Saudis gewähren, obschon Zivilisten aufs massivste angegriffen werden. «Offensichtliche Spitäler und Schulen sind schon mehrmals bombardiert worden. Schon nach fünf Monaten Bürgerkrieg sagte der IKRK-Präsident Peter Maurer, dass es im Jemen schlimmer aussieht als in Syrien nach fünf Jahren Krieg. Über 82 Prozent der Bevölkerung hungert im Jemen, in Syrien ist es 75 Prozent. Das jemenitische Volk leidet mehr als das syrische, aber die Öffentlichkeit erfährt so gut wie nichts davon.»
Christen bekennen sich öffentlich
Zwar spreche die saudische Koalition von einem Kampf gegen den Terror, aber alle, die nicht streng sunnitisch sind, werden verfolgt. Und doch wächst die arabische Untergrundgemeinde, seit Beginn des Krieges hat sie sich verdreifacht: Mehr als dreitausend Christen haben sich mittlerweile zu ihrem Glauben bekannt, manche in Gebieten, in denen man es nicht erwartet hätte. «Sie müssen aufpassen und werden teilweise gejagt. Zuflucht finden sie oft bei den Schiiten und nicht in den von den Saudis 'befreiten' Gebieten.»
Ihre Zahl nehme laufend zu. «Fast täglich telefoniere ich mit Leuten aus dem Jemen. Die Frustration gegenüber dem Islam ist gross», zumal mit Saudi-Arabien das Mutterland des Islam regelmässig Bomben abwirft. «Im Untergrund wächst nun die Gemeinde, es gibt regelmässig Taufen.»
«Sie lassen sich nicht unterkriegen»
Über das Land verteilt gibt es einige Untergrundgemeinden, «sie lassen sich nicht unterkriegen, sie zeigen eine sehr grossen Leidensbereitschaft. Sie sind sehr mutig, obschon sie mit dem Schlimmsten rechnen müssen. Einer meiner besten Freunde wurde im Herbst 2015 mit einer Kalaschnikow durchsiebt und verstümmelt.» Er war einer der christlichen Leiter im Land.
«Als HMK unterstützen wir die einheimische Untergrundkirche, damit sie Nothilfe-Programme selbst durchführen kann. Teils sind da sehr gut ausgebildete Leute. Darunter auch Scheichs und Stammesleiter, die Christen sind. Sie helfen mit, die einheimischen Christen über Stammesgrenzen hinweg zu vernetzen und haben Zugang zu vielen Gebieten, zu denen die UNO und andere keinen Zugang haben. Und sie helfen anderen in Not, sind loyal ihrem Volk gegenüber. Ihren Platz sehen sie in ihrem Land, selbst in schwierigster Zeit, was ihnen hoch angerechnet wird.»
Zur Webseite:
Webseite der HMK Hilfe für Mensch und Kirche
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Datum: 13.11.2016
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet