Schule zuhause

Ein Potenzial von Gott

Eine enge Bindung am Anfang ist die Voraussetzung für die gesunde Loslösung des Kindes. Der Ökonom und Theologe Hanniel Strebel tritt daher entschieden für das Homeschooling in der Schweiz ein. Er liefert theologische und pädagogische Gründe dafür.
Eltern ersetzen Lehrer

Hanniel Strebel, Vater von fünf Kindern, geht nicht mit der Distanz eines Unbeteiligten ab das Thema heran, sondern als Vater, der seine Kinder selbst unterrichtet.

Sein Buch, das er im Rahmen einer Masterarbeit geschrieben hat, lautet: «Home Education – Verteidigung eines alternativen Bildungskonzepts und Lebensstils unter besonderer Berücksichtigung der Schweiz». Es gibt Lehrpersonen, Eltern und Interessierten einen umfassenden Einblick ins Thema.

Interview mit Hanniel Strebel.

Wie kommt ein Theologe dazu, über ein pädagogisches Thema zu schreiben?

Hanniel Strebel: Dafür gibt es vier Gründe. Zuerst: Ich bin wohl mit dem Lehrer-Gen auf die Welt gekommen. Es ist Teil des Potenzials, das Gott mir zugeteilt hat.

Es hat zweitens viel mit meinem Verständnis von Theologie zu tun. Theologie ist die Anwendung von Gottes Wort in jeden Bereich des Lebens – so die Definition des kanadischen Theologen John Frame.

Das bedeutet, dass ich mein ganzes Leben aus dieser Perspektive durchleuchte. Zuerst geht es um die eigene Familie: Da ich weiss, dass sie eine von Gott geschaffene Institution ist und ich deren dienender Leiter bin, investiere ich viel Energie in ihre Entwicklung. So habe ich vor vier Jahren eine Familienvision entwickelt.

Als Ökonom weiss ich, dass Vision in Strategie, Ziele und Massnahmen ausbuchstabiert werden muss. Das habe ich getan.
Das Thema Lernen ist drittens Hauptthema meiner beruflichen Tätigkeit. Ich arbeite seit 12 Jahren in der Erwachsenenbildung. Und sie steht viertens auch im Zentrum meines kirchlichen Dienstes: Dem Predigen und der Durchführung von Seminaren.

Wie wirkt sich das Unterrichten zuhause auf Ihre Familie aus?

Lernen ist bei uns nicht an die Institution Schule gebunden. Das Thema «Home Education» ist eng mit der Entwicklung der Familienvision und -strategie verknüpft. Am Anfang des Theologiestudiums hatte ich im Rahmen der Ethik davon gelesen und sofort mit eigenen Recherchen zum Thema begonnen.

In einer nächsten Phase haben wir andere Familien in der Schweiz besucht. Die Vergewisserung vor Ort hat uns dermassen beeindruckt, dass wir selber die Umsetzung dieser Bildungsalternative ins Auge fassten. Die Recherchen habe ich verschriftlicht und zur Masterarbeit in Theologie erweitert.

So ist denn auch der erste Teil «Theologische Grundlagen der Pädagogik» für mich der entscheidende. Nebenher gab es noch ein ganz praktisches Ziel: Interessierten eine schriftliche Hilfestellung an die Hand geben zu können. So führe ich zahlreiche Gespräche zum Thema Familie und Erziehung.

Für mich ist Home Education eine valable Bildungsinitiative, die allerdings gut bedacht sein will. Wir müssen uns hüten, eine utopische Vorstellung einer Traum-Kindheit zu entwickeln. Als Eltern sind wir «funktionale Vorgesetzte».

Wenn wir die Kinder auch noch als junge Erwachsene zu stark an uns binden, setzen wir uns letztlich an die Stelle Gottes. Davon schreibe ich auch in diesem Buch. Ich bin nicht der Gott meines Kindes, sondern sein Vorgesetzter während der ersten Lebensetappe. Und als solcher bin ich verantwortlich für die Entwicklung des Kindes.

Nach allen Recherchen, vor allem unterstützt durch die Ergebnisse der modernen Bindungsforschung, bin ich der Ansicht: Eine enge Bindung am Anfang ist die Voraussetzung für die gesunde Loslösung des Kindes.

Worin unterscheidet sich die Lage in der Schweiz von anderen Ländern?

Home Education ist grundsätzlich in allen Kantonen erlaubt; in manchen Kantonen wird ein Lehrpatent und/oder eine Bewilligung benötigt. Leider haben mehrere Kantone in den letzten Jahren eine sehr restriktive Handhabung entwickelt. Das ist für mich unverständlich. Denn es ist unbedingt zwischen einer Schul- und einer Bildungspflicht zu unterscheiden.

Wenn Eltern die Bildung ihrer Kinder selbst in die Hand nehmen, dann ist sicherzustellen, dass die Kinder ihre Lernziele erreichen. Ich wünschte mir, dass jedes Kind auch in der Schule eine individuelle jährliche Überprüfung der Lernziele absolvieren dürfte, wie das bei meinen Kindern geschieht.

Zum Autor:
Hanniel Strebel bloggt täglich zu Fragen rund um Erziehung und Glauben unter hanniel.ch.  Dort hat er auch rund 200 Lernerlebnisse mit Kindern online gestellt. Er schreibt zur Zeit an einem weiteren Buch «Ich konsumiere, also bin ich glücklich?» – einem kurzen, handlungsorientierten Erziehungsratgeber.
Im ersten Teil stellt Strebel theologische Grundlagen der Pädagogik dar.

Im zweiten Teil stellt er die Diskussion rund um Homeschooling in Soziologie, Psychologie und Pädagogik dar. Im dritten Teil bietet Strebel sechs zentrale Argumente for Homeschooling an. Im Anhang finden sich Interviews mit Schweizer Homeschooleltern, Fallstudien und ein thematisch gegliedertes Quellenverzeichnis. Strebel hat am Martin Bucer Seminar Theologie studiert und mit dem Master in Theologie abgeschlossen.

Zum Buch:
Hanniel Strebel: Home Education – Verteidigung eines alternativen Bildungskonzepts und Lebensstils unter besonderer Berücksichtigung der Schweiz.


Zum Thema:
Das Martin Bucer Seminar
Schule zuhause gewinnt an Interesse
Verein Bildung zuhause Schweiz

Datum: 27.08.2011
Quelle: Martin Brucer Seminar

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