«Wir leben mit den Muslimen in Frieden»
Während Jahrzehnten hätten katholische Missionare und evangelische Pastoren den Glauben im Land bezeugt und wenig Übertritte erlebt. Warum neuerdings viel mehr Algerier Christen werden, bleibt für Mustapha Krim «recht mysteriös». Als Faktoren führt er das Interesse an «politischem und religiösem Pluralismus» an. Zudem könnten sich die Algerier, lange von Islamisten bedrängt, heute im Internet und im Satelliten-TV informieren.
18. Juli 2011 als Meilenstein
In einem Interview mit der französischen Zeitschrift «La Vie» bezeichnet Krim den Entscheid der Regierung vom 18. Juli 2011 als Meilenstein: «Endlich haben wir formell das Existenzrecht. Vorher waren wir in einer Grauzone.» Die 27 Gemeinden der Kirche könnten nun von Provinzfürsten und Lokalbeamten nicht mehr willkürlich geschlossen werden. Ein solcher Erlass hatte im Mai sieben Gemeinden in der kleinen Kabylei getroffen. Er wurde später aufgehoben. Aber Teilnehmer von Hausversammlungen müssen weiterhin mit der Verhaftung rechnen.
Wenn die Gemeinden ihre Kirchen nutzen könnten…
Krim glaubt, dass die Ortsgemeinden künftig eher Baubewilligungen erhalten werden. An Räumlichkeiten für Gottesdienste bestehe ein «grausamer Mangelۚ». Dies auch darum, weil die evangelischen Gemeinden Gebäude, die ihnen gehören, nicht nutzen können. Die alte Kirche in seinem Wohnort Béjaïa werde von einer Gewerkschaft belegt, sagt Mustapha Krim. Diese unrechtmässige Nutzung komme an vielen Orten vor; der Staat schaue untätig zu. «Wir haben geklagt, aber das Verfahren dauert sehr lang.»
Inzwischen 30‘000 evangelische Christen
Die Gemeinden der «Eglise Protestante d’Algérie» zählen laut ihrem Präsidenten zwischen 1‘000 und 2‘000 Mitgliedern. Er beziffert die Gesamtzahl der evangelischen Christen auf 30‘000 – «von ihnen sind die allermeisten Einheimische». Für die Katholiken nennt Krim die offizielle Zahl an (11‘000). Damit machen die Christen ein gutes Promille der etwa 36 Millionen Bewohner des Landes aus.
Der Kirchenleiter prangert das Gesetz von 2006 an: Algerische Christen seien in der Folge verurteilt worden, nachdem sie bloss mit Landsleuten über ihren Glauben gesprochen hätten. In Einzelfällen habe sogar die Weigerung, im Ramadan mitzufasten, zu Strafen geführt. Dem Priester Pierre Wallez brummte man ein Jahr Haft mit Bewährung, nachdem er Schwarzafrikaner unter einem Olivenbaum zu einer Gebetszeit zusammengenommen hatte.
«Wir achten die Werte der Muslime»
In algerischen Medien werden evangelische Christen anhaltend verleumdet, weil sie Landsleuten ihren Glauben nicht verheimlichen. Dabei tun Muslime laut Krim viel mehr, um Andersgläubige zum Religionswechsel zu veranlassen. Die Presse habe den Unsinn verbreitet, Christen zahlten Muslimen Geld für den Religionswechsel. Für Krim ist dies absurd: «Wir sind Algerier und wir achten die Werte der Muslime, die unsere Freunde sind und mit denen wir im Frieden leben.» Zugleich hält der Kirchenleiter fest, dass «der Staat die Neigung zum Religionswechsel (élan de conversion) in Algerien zu bremsen versucht».
Zum Thema:
Berichte über die Christen in Algerien (in französischer Sprache)
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Datum: 10.12.2011
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet