Warum Elisabeth King Gott abschütteln will – und es nicht schafft
Immer wieder berichtet Livenet von Menschen, die ihr Leben lang Atheisten waren, bis sie auf die eine oder andere Weise – viele von ihnen durch die Wissenschaft – auf Gott stiessen und nicht mehr leugnen konnten, dass es ihn gibt. Doch ebenso, wie Atheisten den christlichen Glauben finden, gibt es immer wieder Christen, die sich mehr und mehr vom Glauben distanzieren. Warum? In vielen Fällen wurden sie durch Personen oder – ihrer Meinung nach – von Gott selbst enttäuscht. In anderen Fällen sind es Fragen, die durch den Glauben nicht geklärt werden können. So auch bei Elisabeth King.
Unbeantwortete Fragen
Die Kolumnistin der Washington Post schrieb kürzlich darüber, wie sie nach und nach den Glauben an Gott verlor. «Als ich etwa 16 Jahre alt war, begann ich, während des Gottesdienstes Fragen zu stellen, die meine Jugendpastoren nicht beantworten konnten oder wollten: Warum ist es Sünde, schwul zu sein? Warum ist es in Ordnung, Kinder zu schlagen? Wo steht in der Bibel, dass wir keinen Sex vor der Ehe haben dürfen? Die Jugendleiter meiner Gemeinde sagten mir selbstgefällig, dass ich vermutlich selbst mit etwas zu kämpfen habe, so dass ich mich so für diese Themen interessierte. […] Wenn ich nachhakte, wurde mir gesagt, dass ich ‚Glauben haben‘ solle.» Diese Erfahrungen löschten Elisabeths Begeisterung für Gott und den Glauben nach und nach ab, bis sie ganz aufhörte zu glauben. «Das war keine Entscheidung, die ich fällen musste. Ich hörte einfach langsam auf zu glauben, bis alles weg war…»
Gebete ins Nichts?
Doch das Interessante an Kings Kolumne ist nicht der Weg in den Atheismus, sondern dass sie Gott und das Gefühl, dass er bei ihr ist, nicht los wird. Deshalb betitelt sie ihre Kolumne auch mit den Worten «Ich bin Atheistin. Warum kann ich Gott dann nicht abschütteln?» Auch wenn er für sie nicht real sei, so sei er doch gegenwärtig – wenn sie eine schwierige Entscheidung fällen müsse und ihn frage «Warum, Gott?», wenn sie etwas frustriere, oder wenn sie im Stillen um Schutz für Neffen und Nichten bitte. «Ich sage das nicht als Witz. Es ist eher eine Gewohnheit, weil ich eine so lange Zeit meines Lebens geglaubt habe, dass ich auf diese Fragen eine Antwort bekomme. Obwohl ich weiss, dass niemand ‚dort oben‘ ist, der mir antworten könnte, muss ich doch fragen.»
Psyche, Hirn oder Gott selbst?
King schreibt über eine Studie aus dem vergangenen Jahr, nach der 8 Prozent der Atheisten an Gott oder an einen «universellen Geist» glauben. Interessant, wo doch die offizielle Bedeutung des Wortes Atheismus lautet: «Weltanschauung, die die Existenz [eines] Gottes verneint bzw. bezweifelt». Deshalb ist das Ganze vermutlich auf für die Kolumnistin so verwirrend. Der Grund darin liegt für Elisabeth King ganz klar in der Psyche, die auf «religiös» angelegt sei. Doch es ist interessant, das erst kürzlich Wissenschaftler herausgefunden haben, dass das menschliche Hirn Gottes Existenz von sich aus anerkennt (Livenet berichtete).
Die Autorin kann einem fast leidtun. Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als Gottes Gegenwart mit ruhigem Gewissen leugnen zu können. Doch sie schafft es nicht. «Ich bin nicht sicher, was ich mit Gott tun kann. Wenn ich einen Weg finden würde, wie ich diese Figur aus meiner Psyche verbannen könnte, dann würde ich es tun. Aber die Psychologie ist nicht auf meiner Seite. Da mir so viele Jahre lang anerzogen wurde, an Gott zu glauben, ist mein Gehirn auf Glauben fixiert, so dass dieser Schatten mich vielleicht mein Leben lang begleiten wird.»
Was wir daraus lernen können
Eine Kolumne, die sowohl Christen wie Nichtchristen nachdenklich stimmen wird. Denn was können wir aus diesen Zeilen lernen? Vermutlich den Umgang mit Menschen in unseren Gemeinden, die Zweifel und Fragen haben – etwas, das ein fester und notwendiger Bestandteil des Glaubens ist. Nehmen wir sie und ihre Fragen ernst? Suchen wir nach Antworten und versuchen wir, gemeinsam auch das Unbeantwortete auszuhalten?
Auf der anderen Seite ist es gut zu wissen, dass Menschen, die geglaubt haben und Gott dann den Rücken zudrehten, ihn nicht einfach abschütteln können. Oder vielleicht lässt er sich auch nicht einfach abschütteln. Denn obwohl Elisabeth King und andere dies auf die Psyche zurückführen, so bin ich doch davon überzeugt, dass es Gott selbst ist, der seine verlorenen Söhne und Töchter nicht vergisst und ihnen nachgeht – bis sie irgendwann wieder den Weg zurück nach Hause finden.
Zur Kolumne:
«I'm an atheist» (english)
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Datum: 26.02.2016
Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet