Schönheitskönigin Esther
Aber jetzt erst mal der Reihe nach: Es war einmal ein grosser König. Der war so reich, dass er nicht mehr wusste, wohin mit seinen Juwelen, und so behängte er seinen Bart damit. Und das ist jetzt kein Märchen.
Seine Dienerschaft durchkämmte das ganze Land auf der Suche nach den schönsten Jungfrauen und brachte sie scharenweise in den königlichen Harem, wo sie alle auf den grossen Moment vorbereitet werden sollten, an dem der König sie rufen liess.
Und es war einmal ein kleines jüdisches Waisenkind, dem waren Vater und Mutter in der Fremde gestorben. Doch bevor seine Mutter die Augen für immer schloss, nahm sie das Gesicht des kleinen Mädchens in ihre Hände und flüsterte: «Strahle, mein kleiner Stern, strahle!» Denn Ester bedeutet «Stern».
Hinreissend am Königshof
Ester hatte die Augen ihres Vaters und die Schönheit ihrer Mutter und eines Tages entdeckte die königliche Dienerschaft sie auf einer Bank im Park. «Wunderschön!», flüsterten sie hingerissen und nahmen Ester gleich mit in die königliche Spa-Abteilung. Und aus dem jüdischen Waisenkind wurde nach dem Makeover im royalen Beauty-Salon eine strahlende Anwärterin auf die persische Krone.
Doch die grosse Frage, die den Harem der Schönheitsköniginnen bewegte, war: Wer von uns wird nur eine Nacht mit dem König verbringen und dann in einem goldenen Käfig der Langeweile in Vergessenheit geraten? Und an wen von uns wird er sich tatsächlich erinnern? Wen wird er zu seiner Königin machen?
Nun ist man ja gewohnt, dass manche Männer glauben, sie seien Gottes Geschenk an die Menschheit. Doch dass andere das auch von ihnen glauben, das war schon ungewöhnlich. Vor einer Audienz beim persischen König hatte man Respekt!
Und als Ester schliesslich mit klopfendem Herzen vor der Tür zu den privaten Gemächern des Königs stand, da war ihr, als würden sanfte Hände wieder ihr Gesicht halten und jemand ihr zuflüstern: «Strahle, mein Stern! Strahle!»
Ein König ist es gewohnt, zu erobern. Es passiert selten, dass ihm beim Anblick einer schönen Frau der Atem stockt. Doch manchmal geschieht es und dann ist es ein gutes Zeichen. Wenn es jemandem gelingt, einen König zu erobern, ist das eine Krone wert.
Und so wurde Ester Königin. Ein Happy End. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.
Holocaust am Horizont
Doch wie das im richtigen Leben so ist, gibt es nicht nur unbeschwertes Liebesglück. Etwas liegt in der Luft. Erst eine Ehrenkäserei zwischen königlichen Beamten, dann erwächst aus diesem Machtgeplänkel handfester Rassismus. Eine jüdische Minderheit im Land und ein drohender Holocaust. Man kennt das ja. Der Stern als Todesurteil.
Aber die persische Königin hat ihren jüdischen Mädchennamen nicht vergessen. Denn Ester bedeutet «Stern». Die Gaskammern sind beschlossene Sache, die Gesetzesentwürfe bereits verabschiedet. Bleibt dem Stern nur ein Schneckenhaus aus Selbstmitleid oder gesundem Egoismus. Eine persische Königin ist vielleicht sicher, aber als Frau in politischen Diskussionen nicht gefragt, und persönlich vorgebrachte Eilanträge im Regierungssaal sind auch Königinnen bei Todesstrafe untersagt. Vielleicht etwas übertrieben für den heutigen Geschmack, doch die Hofetikette kennt damals keine Kompromisse.
Einer fleht, der schon den Stern als Todesurteil trägt: «Bist du vielleicht genau für diesen Moment unsere Königin geworden?» Und bei diesen Worten weiss Ester: Es gibt Wichtigeres als selbst das eigene Leben. Und wieder steht sie mit klopfendem Herzen vor den Gemächern des Königs. «Strahle, mein Stern! Strahle!», flüstert sie entschlossen. Und ihr Mut stösst die gewaltige Tür auf.
Courage als Gebot der Stunde
Esters Happy-End-Story für ihr Volk erwähnt Gott kein einziges Mal als Macher der Geschichte. Vielleicht will er damit sagen: Manchmal ist es nicht genug, einfach nur an seine Allmacht zu glauben. Manchmal muss der Mut couragiert die Tür zu dem Schicksal aufstossen, für das man zur Königin gekrönt wurde. Und wenn der Stern günstig steht, wird das die Welt verändern.
So sieht es jedenfalls das jüdische Volk, das es dank Ester bis heute gibt und das sie jedes Frühjahr feiert – denn sich an mutige Frauen zu erinnern ist ein guter Brauch.
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