Wo wurde Jesus begraben?

Die Grabeskirche liegt mitten in der Altstadt von Jerusalem

Wohl jeden christlichen Besucher von Jerusalem beschäftigt die Frage, wo Golgatha und das Grab Jesu lagen. Viele geraten aber erst einmal in Verwirrung, denn es werden zwei verschiedene Orte angeboten. Eine solche Konkurrenz bestärkt manchen in der Überzeugung, dass christliche Überlieferung einschliesslich der Evangelien eben nicht ernst zu nehmen sind.

Was lässt sich archäologisch und historisch über die Stätten von Tod und Auferstehung Jesu sagen? Viele Touristen werden zum sogenannten "Gartengrab" (englisch: Garden Tomb) geführt. Es liegt einige Schritte vom heutigen Nordtor Jerusalems, dem Damaskustor, entfernt. In einem liebevoll gepflegten Garten wird in einer Felswand das Grab Jesu gezeigt. Nicht weit entfernt ist ein Felshügel, den man als Golgatha bezeichnet.


Das ‚Gartengrab’

Die Besitzer des Gartengrabes bemühen sich, den Besuchern die geistliche Bedeutung von Ostern nahezubringen. Es handelt sich um einen wunderschönen Ort, an dem man sich betend die Ereignisse des Ostermorgens vergegenwärtigen kann.

Die Stätte hat nur einen einzigen Fehler, sie ist mit Sicherheit nicht echt! Es hat nie eine christliche Überlieferung für das Gartengrab gegeben. Unter den Tausenden von Gräbern Jerusalems wurde es erst durch die mystischen Spekulationen des englischen Generals Charles Gordon (1833-1885) berühmt. Die Evangelien sprechen von einem "neuen Grab" Jesu (Matthäus 27,60). Das Gartengrab stammt dagegen nach einhelligem Urteil der Archäologen aus der Zeit vor der Babylonischen Gefangenschaft (598-538 v.Chr.).

Grabeskirche: Gewirr verschiedenster Baustile

Die sogenannte Grabeskirche bedeutet für viele Bibelleser, die Golgatha suchen, erst einmal einen Schock. Die Kirche liegt mitten in der Altstadt von Jerusalem und nicht "vor dem Tor", wie es der Hebräer-Brief (13,12) von Golgatha sagt. Man findet sich nicht in einem Garten wieder, sondern in einem Gewirr verschiedenster Baustile.

Es herrscht auch oft keine andächtige Stille, sondern das Kommen und Gehen von Touristenmassen.

Sechs Konfessionen besitzen Anteile an der Grabeskirche. Wenn gleichzeitig mehrere lautstarke Liturgien erschallen, erweckt das nicht gerade den Eindruck von geistlicher Harmonie. Die Grabeskirche ist kein schöner Ort, der Augenschein spricht gegen sie und dennoch birgt sie die echten Stätten des Sterbens und Auferstehens Jesu. Darauf weisen sowohl die historischen Quellen wie auch die archäologischen Erkenntnisse der letzten Jahre.

Überlieferung bestätigt

Ab dem Jahr 326 n.Chr. liess Kaiser Konstantin die Grabeskirche auf Betreiben seiner frommen Mutter Helena bauen, die nach Ansicht einiger Forscher sogar aus einer jüdischen Familie stammen könnte. Für den Kirchbau wurde ein Venustempel abgerissen. Er war nach dem Aufstand des Bar Kochba (132-135 n.Chr.) von Kaiser Hadrian über Golgatha errichtet worden.

Das Wissen von Golgatha und dem Grab Jesu in seiner Nähe (Johannes 19,41-42) hatten jene Judenchristen weitergegegeben, die fast ohne Unterbrechung von den Tagen der Urgemeinde bis zu Bar Kocha in Jerusalem lebten. Wie genau ihre Erinnerungen waren, wurde in den 70er Jahren deutlich: Damals fand man an der Ostseite des Golgatha-Felsens eine kleine Höhle, von der man bis dahin nur aus judenchristlichen Schriften wusste.

Inzwischen ist auch deutlich geworden, dass das Gelände der Grabeskirche in neutestamentlicher Zeit ausserhalb der Stadtmauer lag. Hier befand sich ein grosser Steinbruch, an dessen nordöstlichem Rand die Arbeiter Golgatha als einen Felsen von schlechter Qualität hatten stehen lassen.

Was heute davon noch unter einer kleinen Kuppel der Grabeskirche übrig ist, macht verständlich, warum dieser Felshügel nach seiner Form auf aramäisch "der Schädel" hiess (Markus 15,22). Beim Golgatha-Felsen legten die Bauarbeiter Kaiser Konstantins auch ein Grab frei. Darüber wurde dann eine riesige Kuppel errichtet, weil man es für das Grab Jesu hielt.


Hinweis durch frühere Pilger

Wie aber kam man zu dieser Überzeugung? Sie war jedenfalls sehr fest. Das kann der Besucher der Grabeskirche bis zum heutigen Tag sehen. Gleich hinter dem angenommenen Grab Jesu liegen in einer dunklen syrischen Kapelle andere jüdische Gräber aus neutestamentlicher Zeit. Sie wurden beim Bau der Kirchenkuppel teilweise zerstört, an ihnen war man also total desinteressiert.

Von anderen neutestamentlichen Stätten wie dem Petrus-Haus in Kapernaum oder dem Petrus-Grab in Rom kennen wir den Brauch, dass christliche Pilger Inschriften hinterliessen. Und zwar schrieben sie nicht bloss ihre Namen auf wie heutige Touristen, sondern auch Gebete. Aus ihnen lässt sich manchmal erschliessen, um welchen verehrten Ort es sich handelt.

Auch das Grab Jesu könnte durch solche Pilgerinschriften identifiziert worden sein. Eine gewisse Bestätigung für solch eine Vermutung kann man in einer armenischen Kapelle nicht weit vom Golgatha-Felsen finden. Hier hat ein Pilger ein Schiff gezeichnet und mit einer Anrufung Gottes unterschrieben. Das Graffito stammt nach neuen Forschungen schon aus dem 2. Jahrhundert n.Chr.

Datum: 01.09.2002
Autor: Rainer Riesner
Quelle: idea Deutschland

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