Plötzlich erwachsen
Alberta de Paiva wird 1970 in der Dominikanischen Republik geboren und wächst mit zwei Brüdern und sechs Schwestern auf dem Land auf. Sie sagt: «Ich hatte eine sehr schöne Kindheit und immer alles, was ich brauchte.» Dennoch: Die Familie ist nicht auf Rosen gebettet. Der Vater arbeitet viel und hart, um seinen Kindern eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Alberta erklärt: «Ich bin mit den Werten aufgewachsen, die mein Vater mir vermittelte,
dazu gehörte Respekt gegenüber unseren Mitmenschen.»
Schmerzhafter Verlust
Als Alberta elf Jahre alt ist, stirbt plötzlich ihr älterer Bruder. «Er war der Rückhalt meines Vaters, seine rechte Hand», sagt Alberta. Der Tod des Sohnes trifft den Familienvater schwer und er fällt in eine tiefe Depression. Nur sieben Monate danach verliert Alberta auch ihren Vater: «Das hat mich sehr geprägt, weil ich noch so klein war und nicht verstand, weshalb mein Vater so plötzlich starb.»
Harte Arbeit
Von da an weht ein anderer Wind. Die älteren Geschwister leben in der Stadt und studieren dort. Alberta bleibt mit ihrer Mutter und zwei kleineren Schwestern auf dem Land. Alberta unterstützt ihre Mutter in der Landwirtschaft, arbeitet auf der familieneigenen Kaffeeplantage und kümmert sich um die Tiere. Mit nur zwölf Jahren muss sie plötzlich erwachsen werden. Rückblickend sagt sie: «Ich tat das alles sehr gern. Ich war stolz darauf, meiner Mutter helfen zu können. So lernte ich früh, zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen.»
Neues Land und Leben…
Mit nur 15 Jahren heiratet Alberta. Ihre Mutter zieht mit den Schwestern in die Stadt, Alberta bleibt bei ihrem Mann und bekommt bald einen Sohn, der heute 33 Jahre alt ist. Doch die Ehe hält nur wenige Jahre. Sie zieht zurück zu ihrer Mutter, die ihre Tochter bei der Betreuung und Erziehung des Jungen unterstützt. Alberta ist oft ausser Haus und arbeitet viel. Als eine ihrer Schwestern, die in der Schweiz lebt und verheiratet ist, sie in den Ferien einlädt, fliegt die junge Mutter für drei Monate zu ihr. «In dieser Zeit lernte ich meinen heutigen Mann kennen», erzählt Alberta.
Nachdem sie die Formalitäten in ihrer Heimat geregelt hat, stehen der Heirat mit Carlos und einem Leben in der Schweiz nichts mehr im Wege. Alberta sagt: «Ich bin Gott sehr dankbar für meinen heutigen Mann, ein wunderbarer, verantwortungsbewusster Mann, der mich seit Beginn unterstützt.» Alberta und Carlos werden Eltern von zwei Kindern, ihre Tochter ist heute 26, der Sohn 20 Jahre alt. Damals ist Alberta glücklich und versorgt. Nichts scheint ihr Leben trüben zu können.
…mit düsteren Schatten
Nach der Geburt ihrer Tochter 1997 holt Alberta ihren ältesten Sohn in die Schweiz. In der Pubertät wird er rebellisch, gerät beeinflusst von Freunden in Süchte. Immer wieder kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen mit seiner Mutter. Diese sagt: «Nachdem ich ein Leben voller Freude gehabt hatte, veränderte sich alles. Ständig gab es Streit, es war eine Qual.» Als der Junge 15 Jahre alt ist, weiss Alberta nicht mehr weiter, ist am Ende ihrer Kräfte angelangt – und gibt ihn in ein Kinderheim. «Ich dachte damals, das sei die beste Alternative. Heute weiss ich, dass dem nicht so war.»
Halt, Hilfe und Herzeleid
In jener Zeit hört Alberta erstmals von Jesus. Sie erzählt: «Eine Freundin von mir fand zum Glauben an Jesus. Sie besuchte regelmässig eine Kirche und brachte sich dort ein. Und sie sagte zu mir: 'Komm zu Jesus, damit er dir hilft, Ruhe zu finden. Nur er kann dir bei dem helfen, was du durchmachst!'» Alberta wird neugierig und begleitet ihre Freundin zu einem Gottesdienst. Dort begegnet sie Jesus und lernt, ihre Sorgen und Probleme bei ihm abzugeben. Derweil wird die Beziehung zu ihrem Sohn immer schwieriger. Er fühlt sich von seiner Familie ungeliebt und abgeschoben. Alberta erinnert
sich: «Es waren Jahre des Kampfes und der Tränen. In dieser Zeit wurde mein Glaube fester und tiefer. All das half mir, nicht aufzugeben und weiterhin zu vertrauen, dass Gott mich nicht fallenlassen wird.» Ihre Freundin aus der Kirche ist Alberta damals ebenfalls eine grosse Stütze.
Mode, Menschen und Mut
Bald darauf findet auch ihr Mann zum Glauben an Jesus, die beiden jüngeren Kinder wachsen in der Gemeinde auf. Seit mittlerweile 18 Jahren gehört die Familie Paiva der Methodistenkirche in Grenchen an. Und seit 14 Jahren ist Alberta Besitzerin einer Modeboutique, die sie nutzt, um Menschen zu ermutigen, ihnen von Jesus zu erzählen, sie zu beraten und in die Kirche einzuladen.
Versöhnung und Zuversicht
Alberta ist heute voller Dankbarkeit für all das, was Gott ihr geschenkt hat: «Gott hat mich nie verlassen – er hatte immer die Kontrolle über mein Leben!» Dennoch sieht sie sich in ihrem Leben immer wieder herausgefordert. Zwar hat ihr ältester Sohn den Weg aus seinen Süchten gefunden, geriet aber bald darauf mit dem Gesetz in Konflikt und wurde letztlich aus der Schweiz ausgewiesen. Noch vor seiner Ausreise konnte sich Alberta mit ihm versöhnen – und zurück in der Dominikanischen Republik versöhnte sich der Junge auch mit seinem Vater. Alberta ist zuversichtlich: «Ich weiss, dass Gott in meinem Sohn wirken und ihn verändern wird. Ich bitte ihn nur, dass ich das noch erleben und mit eigenen Augen sehen darf…»
Datum: 12.05.2023
Autor:
Rebekka Schmidt
Quelle:
HOPE-Regiozeitungen