Introvertiert und «bühnenreif»
Mangels freier Stellen in ihrer Heimat und obwohl sie «nie nach Afrika wollte», unterrichtete die Lehrerin Maya Heusser ein Jahr lang Missionarskinder in Senegal. Dort traf sie ihren heutigen Ehemann. «Peter absolvierte ein Praktikum als Sozialpädagoge, es funkte ziemlich schnell zwischen uns», erinnert sich Maya. Sie war in Ostermundigen aufgewachsen. Nach der Hochzeit 1999 wohnte das Paar wieder in der Nähe von Bern. Maya unterrichtete an einer Mehrklassen-Schule. Doch Afrika liess die beiden nicht los – im Jahr 2000 übernahmen sie die Aufgabe als Hauseltern in einem Internat für Missionarskinder in Kenia. Während vier Jahren lebten bis zu zwölf Teenager für einige Zeit mit dem Paar zusammen. «Es war uns ein Herzensanliegen, diese jungen Menschen gut zu begleiten», sagt Maya.
Einsamkeit zu zweit
Die Hauseltern selbst hatten Mühe, Freunde zu finden. Alters-, Kultur- und Bildungsunterschiede zu einheimischen Bekannten erschwerten dies zusätzlich. Auch sei die sichtbare Not vieler Menschen in Nairobi belastend gewesen. Maya erklärt: «Weisse gelten generell als reich – wir sollten immer und überall helfen…» 2002 wurde Anna geboren – eine grosse Freude und neue Herausforderung. Zwei Jahre später beendete die Familie ihr Engagement in Nairobi. «Es war eine reiche Zeit in Afrika, aber auch eine einsame», blickt Maya zurück.
Neuanfang und Tiefpunkt
In Trimmis fand Peter eine Stelle in einem Kinderheim der Stiftung Gott hilft. Wieder wohnten die drei Heussers mit ihren Schützlingen zusammen. «Wir hörten sie auch nach Feierabend – es war schwierig, sich mal auszuklinken», sagt Maya. Die Arbeitstage von Peter waren lang, Nachtdienste gehörten dazu. 2005 kam Vera zur Welt – und Maya immer mehr an den Rand ihrer Kräfte. «Zuerst spürte ich eine riesige Wut auf alles und jeden. Auch auf Gott. Warum ist es so schwer, Mutter zu sein?» Nach der Zornphase, empfand Maya gar nichts mehr, keine Freude, keinen Schmerz – es war dunkel in ihr. «Mein Körper und Kopf funktionierten, aber meine Gefühlswelt schien tot. Im Kopf wusste ich, das geht vorbei, aber mein Inneres konnte es nicht glauben.»
Heilsame Erkenntnis
In ihrer Not suchte die junge Mutter Hilfe bei einer Therapeutin, die bald eine Erschöpfungsdepression diagnostizierte. In der Therapie konnte Maya alles aussprechen, was sie bewegte. Medikamente halfen ihr aus ihrem Loch, nach und nach entdeckte sie neue Perspektiven. Sie erkannte: «Ich bin ein introvertierter Mensch und hochsensibel. Ich brauche regelmässig Rückzugsmöglichkeiten, um mich zu regenerieren.» Mit dem Ziel, die Umstände für die Familie zu verbessern, gab Peter die Gruppenleitung ab. Als die Wohngruppe in Trimmis aufgelöst wurde, zog die Familie nach Schiers.
Die Fühler ausstrecken
Bald kam Vera in den Kindergarten. Maya begann in Teilzeit, Theologie zu studieren. Und sie schrieb ihr erstes Musical, hält dazu fest: «Den ersten Text gab ich zwei Profis zur Überprüfung. Als sie ihn für tauglich befanden, machte ich mich ans Werk.» Zwischen 2014 und 2017 brachte die musisch Begabte in ihrer Region drei Musicals auf die Bühne. Dies geschah mit tatkräftiger Unterstützung von Mitwirkenden aus ihrer Freikirche, wo Maya zum Leitungsteam gehörte. Um sich weiterzubilden, absolvierte sie Praktika beim Projekt «Life on Stage» und bei der Walensee-Bühne, las Bücher und nahm an Workshops teil.
Ganz im Element
Immer mehr erkannte Maya, dass sie im Bereich Musical viele ihrer Talente einsetzen kann. Sie würde nicht als Pastorin arbeiten: «Ich bin keine Seelsorgerin, sondern gern im kreativen Bereich tätig», erklärt die 50-Jährige. Ihre Erfahrungen und Gaben betrachtet sie als Geschenke Gottes, engagiert sich als Texterin, Regisseurin und Organisatorin. «Ich kannte das Gefühl nicht, mich in einer Arbeit ganzheitlich einbringen und entfalten zu können. Das war beflügelnd», hält Maya fest. 2020 gründete sie ihre eigene Firma Bühnenreif.
Multimediale Musicals
Ihre Stücke spiegeln das normale Leben: berufliche oder gesundheitliche Herausforderungen, Überraschungen in der Beziehung, Überforderung durch die Familiensituation. «Ich will zeigen, dass Gott Gutes bewirken kann: Wenn Menschen einander beistehen, ist er an ihrer Seite.» Es wird nicht nur geredet, gesungen und getanzt auf der Bühne, Filmelemente erlauben es, komplexere Geschichten zu erzählen. «Einmal sind wir für die Aufnahmen nach Sansibar gereist. Damit habe ich mir einen Traum erfüllt», sagt die Regisseurin und strahlt. Für das Musical «Eden now» brauchten sie eine paradiesische Umgebung, das Musical «Küstenpfad» spielt an den Gestaden von Cornwall. Dass die Musicals auch während der Pandemie aufgeführt werden konnten, wertet Maya als weiteres Geschenk Gottes.
Das Dorf und «die Welt mitprägen»
In ihrem Element zu leben und zu arbeiten, setzte Kräfte frei. Seit zwei Jahren amtet Maya als Präsidentin der reformierten Kirche Schiers. Sie blickt zuversichtlich in die Zukunft, lässt sich nicht anstecken von depressivem Denken in der Gesellschaft. «Die Landeskirche hat viel Potenzial», sagt sie mit Überzeugung. «Wir können die Welt mitprägen. Der Schöpfer hat alles sehr gut gemacht, uns Menschen viel anvertraut. Wenn wir zusammenspannen, kann Grosses entstehen – gemeinsam mit Gott sogar Unmögliches!»
Zur Person:
Ein Lieblingsplatz in meiner Region:
Am Ufer des Walensees.
Was bringt Sie zum Lachen?
Trockener Humor.
Worüber denken Sie oft nach?
Über neue Geschichten und Ideen.
Lieblingsserie oder Lieblingsbuch?
Lieblingsbücher; die Mitford-Saga von Jan Karon.
Was wäre der Titel Ihrer Autobiografie?
Sehnsucht nach dem wirklich Guten
Was ist eine der eindrücklichsten Lektionen in Ihrem Leben?
Gott liebt bedingungslos. Er bleibt bei mir, auch wenn ich nichts bieten kann.
Wenn Sie nochmal anfangen könnten, was würden Sie anders machen?
Meine Introversion und Hochsensibilität nicht bekämpfen, sondern als Chance sehen.
Datum: 22.01.2025
Autor:
Miriam Fisch
Quelle:
Hope Regiozeitung