Die Versuchung, den Menschen zu optimieren
Die Medizinethikerin Ruth Baumann-Hölzle spricht vom «Human Enhancement», den Bemühungen von Forschern, ein menschliches Wesen zu schaffen, das nicht mehr von Krankheiten geplagt ist und letztlich Unsterblichkeit erlangen kann. Die Forscher seien vom Willen beseelt, durch Eingriffe ins menschliche Genom Herren über die eigene Evolution zu werden. Konkret zum Beispiel durch Hirndoping, also Eingriffe, welche die Hirnleistung verbessern.
Der Übermensch
Hinter den Bestrebungen, den Menschen mit seinen Mängeln und Unzulänglichkeiten zu verbessern, steht die Idee des Übermenschen, die bereits Friedrich Nietzsche beschrieben hat und die den Naionalsozialismus beflügelte.
Doch der Übermensch ist schon bei den Nazis schnell zum Funktionär geworden, der erst recht das Böse ermöglichte, das in seinem Namen geschehen ist. Baumann-Hölzle mahnt denn auch, statt riesige Mittel in die Entwicklung von Menschen mit übermenschlichen Fähigkeiten zu stecken, solle man besser den gegenwärtigen Mängeln in Medizin und Pflege begegnen wie der Übertherapie und dem Pflegenotstand. Oder dem Klimawandel.
Der Mensch als Summe von Algorithmen
Noch eine drastischere Zukunftsperspektive beschreibt Yuval Noah Harari, Historiker an der Hebräischen Universität in Jerusalem, in seinem Buch «Homo Deus / Eine Geschichte von morgen». Er wirft einen Blick auf eine Wissenschaft, die den Menschen rein materialistisch als Ergebnis von Algorithmen und Datenverarbeitung im Gehirn sieht und ihm grundsätzlich die Andersartigkeit gegenüber Tieren und natürlichen Organismen abspricht. Letztlich sei dies die konsequente Weiterentwicklung des liberalen Humanismus, der Gott durch den Menschen ersetzt habe und Idee der Evolution, die man jetzt selbst steuern könne. Der Mensch erschaffe jetzt den Menschen nach seinen eigenen Vorstellungen. Religion, Menschenwürde und Menschenrechte sind dabei nur Störfakoren.
Techno-Humanisten und Dataisten
Harari schildert dabei unter Wissenschaftern zwei Richtungen, die schon wieder religiösen Charakter haben: Den Techno-Humanismus, der durch ein paar Neuverdrahtungen und das Anschliessen eines Computers ans Hirn unseren Geist so optimieren will, dass er zu neuen Bewusstseinszuständen gelangt. Der Dataismus dagegen bewertet jedes Wesen danach, wie gut es Daten verarbeitet. Die Dataisten trauen Computern mehr zu als dem Menschen und wollen diesen die wichtigen Entscheidungen überlassen. Aus Sicht dieser Datenjünger trennt den Menschen von elektronischen Superhirnen gerade so viel wie das Huhn vom Menschen. Sie fordern die unbeschränkte Freiheit des Infomationsflusses.
Wollen wir das?
Harari gibt zu bedenken, dass viele Menschen schon heute eine solche neue Welt fördern, indem sie den «neuen Göttern» bereitwillig ihre Daten und Algorithmen zur Verfügung stellen, damit diese ihnen Glück und Anerkennung schenken. Er fordert, diese Techno-Religionen kritisch zu hinterfragen und fragt: Wollen wir eine solche Zukunft wirklich?
Christen werden dieser Entwicklung kritisch gegenüberstehen, weil sie bereits aus dem biblischen Sündenfall und dem Turmbau zu Babel wissen, dass dem Menschen ein Drang, gottähnlich zu werden, innewohnt und dass er gerne Grenzen ritzt, die ihnen der Schöpfer gesetzt hat. Ein konsequentes Ja zur göttlichen Schöpfung erfordert auch das Nein zu allen Bestrebungen, diese nach eigenem Gutdünken zu verändern. Wissenschaft soll dem Menschen dienen und ihn nicht umgestalten oder gar überflüssig machen. Die biblische Offenbarung eines Menschen mit unendlichem Wert, Individualität und freiem Willen, aus der auch Menschenwürde und Menschenrechte entstammen, muss gut begründet werden können, um die modernen Zauberlehrlinge in die Schranken zu weisen.
Datum: 30.07.2018
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet