Einen Monat danach

Eurovision: Zwei Amen und ein Halleluja

Wenn man eine Rückschau 30 Tage nach einem Event macht, sind einige Blüten zu sehen, und vieles ist bereits im Boden versickert. Auffallend waren beim diesjährigen Eurovision Song Contest die spirituellen Themen, die sich auch durch zwei Lieder mit einem «Amen» im Titel und einem «Halleluja» im Refrain ausdrückten.
Ana Soklič – Der Style ist wichtig beim ESC (Bild: Facebook)
Elena Tsagrinou mit «El Diablo» am ESC
Ana Soklič singt «Amen» am ESC

Es widerspiegelt gewissermassen die heutige Kultur Europas mit vielschichtigen Facetten.

Wenn wehendes Haar auf farbige Klamotten trifft und sich coole Tanzeinlagen mit Räklen auf der Bühne abwechseln – dann ist wiedermal Zeit für den Eurovision Song Contest (ESC). Und gesungen wurde, was das Zeug hält.

Apropos Stimme, am meisten Stimmen erhielt der groovige Gitarren-Rock unseres südlichen Nachbarns – Italia. Mit der europäischen Diversität geht's weiter, so folgt bereits auf Rang zwei der veritable, theaterreife Chanson Français «Voilà», in formidabler Tradition einer Edith Piaf. Und tatsächlich komplettierte dieses Jahr die Schweiz das Podest mit der Gesangs-Hymne «Tout l'Univers» von Gion's Tears.

Wir schauen uns den Text von «Amen – Hallelujah we're glorious» an und führen uns wiedermal das hübsche Israel-Hallelujah aus 1979 zu Gemüte.

Fallen Angel, el Diablo und Kinderkram

Was bleibt nun übrig, nach 30 Tagen ESC? Die Radios spielen häufig den letztjährigen (!) Gewinner, natürlich ab und zu die Schweizer Dance-Ballade, die sich nicht gerade wenig ähneln, und noch seltener die italienische Nummer 1. Ihr wurde dies prognostiziert, da die harte Nummer nicht ein Kind des Mainstreams ist.

Nebst androgynen Typen und der Gender-Community, erinnert sich der Zuschauer an einige spirituelle (Bühnen-)Themen und Metaphern, die auffällig präsent waren: «I gave my heart to el diablo» («Ich gab mein Herz dem Teufel») und der «Fallen Angel», der gefallene Engel. Der Grundton wird wohl auch in diesem Wettbewerb «Liebe» in all ihren hellen und dunklen Farben ausgemacht haben. Was auch bei «el Diablo» der Hintergrund ist.

Mit «I don't feel hate» («Ich empfinde keinen Hass, du tust mir nur leid») kam ein lockerflockiges Lustiglied aus Deutschland, das ein Rezept zum tieferliegenden Problem des Mobbings geben will (Livenet berichtete).

Iceland mit seinem so kindlich-harmlosen Discofunk-80er-Song gewann die Herzen und schmunzelte sich so auf den 4. Platz. Der Interpret ist Daði & Gagnamagnið.

Hüfte, Hirn und Heiterkeit  

So wurden Spanien und Deutschland vom Publikum mit den berühmt-berüchtigten 0 Punkte – Zero Points versehen; was auch den unberechenbaren Charakter dieser Show wiederspiegelt.

Israel unterhielt mit dem Allerweltstitel «Set Me Free», das mehr für Hüften und Heiterkeit als das Hirn geschrieben wurde.

Der Halleluja-Sieg für Israel

Naheliegenderweise war es auch Israel, welches bereits 1979 das eingängige und super-süsse Hallelujah sang und somit der Nation den Sieg nach Hause brachte. So süss wie die Melodie nannte sich auch die Combo «Milk and Honey» (Milch und Honig). Auch hier, nicht nur ein amüsanter Genuss fürs Ohr, sondern auch für die Optik; denn die Kleidermode war schon ein Tick braver als die Heutige – besonders im Publikum.

«Lobe den Herrn» und «So sei es»

Oft benutzte Begriffe laufen Gefahr, zu leeren Worthülsen zu verkommen, deshalb hier wiedermal die Bedeutung von Amen und Halleluja:

Damit wir uns nicht in der sprachwissenschaftliche Tiefentheologie verirren, nehmen wir pragmatisch den «guten, alten» Duden zur Hand: «Amen – bekräftigende liturgische Abschlussformel nach Gebet, Segen oder Ähnliches.» Eine gängige Formulierung ist auch «so sei es!»; und «Halleluja – aus den Psalmen übernommener gottesdienstlicher Freudenruf; lobet den Herrn!»

Ein Amen, das mit seinem reifen und tiefgründen Text zu den Ausnahmen am ESC gehörte, kam aus Slowenien. Leider nur als Halb-Finalist. Auf Englisch singt Ana Soklič tiefgehende Gedanken darüber, sich nicht vor dem Licht zu verstecken, seine Lebensprüfungen zu akzeptieren und den Segen zu sehen und damit die Zukunft mit einem «Amen» zu begrüssen.

Gesanglich hat sie in den tiefen Tonlagen Ähnlichkeiten mit Charaktersängerin «Anastacia». Hier der Text ins Deutsche übersetzt:

Amen

Hey, Kind
Warum versteckst du dich vor dem Licht?
Warum duckst du dich aus Angst?
Rede dir nicht ein, der Himmel hätte dich verstossen
Und du bist in Ungnade gefallen
Man wird dich schlagen und bekommst blaue Flecken
Du wirst mit Narben bedeckt werden - bis zu deinem Innersten
Aber das wird dich zu dem machen, was du bist
Wenn du lernst zu heilen, wenn du lernst, wieder aufzustehen,
Kannst du zu der Sonne «Amen» sagen

Halleluja Wir sind glorreich/herrlich
Halleluja Der Tag bricht an. Der Sturm ist unerbittlich
Aber Jeder weiss, Jeder weiss,
Wir wurden zum Kampf geboren

Hey, Kind,
Die Angst wird niemals verschwinden;
Das könnte gut sein, akzeptiere das jetzt. Lerne durchzuhalten
Erkenne die Segnungen
Begrüsse die die Zukunft mit einem «Amen»

Hallelujah Wir sind glorreich/herrlich…

Nicht bis es aufgehört hat zu regnen. Nicht bis der Donner verstummt ist
Ruhen wir, sind wir im Frieden? Stell dir das mal vor
Nicht bis der Sturm vorüber ist, nicht bis es ruhig ist
Kann das gebrochene Herz weinen?

Hallelujah…

Hey Kind,
Warum versteckst du dich vor dem Licht?

Sehen Sie sich hier den offizieller Auftritt von Ana Soklič am ESC an:

Zur Webseite:
Video-Clip in einer Accapella-Version

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Datum: 24.06.2021
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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