Die Organisatoren zeigten sich mit der Beteiligung und dem Verlauf der Veranstaltung sehr zufrieden. Am Ende der Manifestation flogen 3.500 rote Luftballons in den Himmel, alle mit einem Zettel mit einem Aufruf gegen den Krieg versehen. Die "grüne" Nationalrätin Franziska Teuscher, die als erste Rednerin an der Kundgebung auftrat, hatte als Kernbotschaft: "Der drohende Krieg ist nicht im Interesse der irakischen Bevölkerung, sondern dient den US-Interessen." Teuscher forderte vom Bundesrat eine eindeutige Haltung gegen den Krieg: "Die Schweiz soll sich bei der UNO klar gegen einen Krieg positionieren und in Bern die Botschafter der kriegsbefürwortenden Staaten zitieren." Zahlreiche weitere Redner ergriffen in Bern das Wort, so der Zuger Kantonsrat Josef Lang, Mitglied der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee, André Daguet, Vizepräsident der Gewerkschaft SMUV, oder Nadja Mahmud, Mitglied im Politbüro der kommunistischen Arbeiterpartei des Irak. Auch in St. Gallen gingen nach Polizeiangaben zwischen 2000 und 3000 Leute auf die Strasse. Die vordersten Demonstrierenden gingen rückwärts, um zu zeigen, dass ein Krieg im Irak ein Rückschritt wäre. Die Kundgebung verlief friedlich. In Chur zogen rund 600 Personen in einem bewilligten Friedensumzug durch die Stadt. Die Stadtpolizei registrierte nicht das geringste Problem und bescheinigte den Teilnehmenden vorbildliches Verhalten. Pepo Hofstetter, einer der Kundgebungsleiter, informierte am Ende der Veranstaltung, dass das Engagement gegen die US-Kriegspolitik auch nach der Kundgebung vom 15. Februar weitergehen werde. So sei bereits beschlossen, dass es am Folgeabend eines allfälligen Kriegsbeginnes sowie am darauffolgenden Samstag in zahlreichen Schweizer Städten weitere Demonstrationen geben werde. Millionen Menschen haben sich am Samstag weltweit zu Protestkundgebungen gegen einen möglichen Irak-Krieg versammelt. Besonders machtvoll fiel die Demonstration in Berlin aus: Ein halbe Million Menschen, mehr als drei Mal so viele wie von den Veranstaltern erwartet, kamen aus ganz Deutschland. Es handelt sich damit um die grösste Kundgebung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die Demonstranten verteilten sich über die gesamte Innenstadt von der Gedächtniskirche im Westen bis zum Brandenburger Tor. Überall auf der Welt betonten Demonstranten, dass es sich nicht um Antiamerikanismus handle, der sie zum Protest motiviere, sondern Friedensliebe. Antiamerikanismus richte sich gegen ein Volk; gegen den Krieg zu sein richte sich nur gegen die derzeitige US-Regierung und ihre Politik. Hunderttausende Amerikaner haben am Samstag in zahlreichen US-Städten gegen einen Irak-Krieg protestiert. Allein in New York nahmen nach offiziellen Angaben etwa 100.000 Menschen, unter ihnen auch namhafte Schriftsteller, Musiker und Schauspieler an einer Kundgebung in der Nähe der Vereinten Nationen teil. Die Demonstration erstreckte sich nach Angaben der Polizei über Dutzende von Strassenblöcken. Mit einem Friedensappell des südafrikanischen Bischof und Friedens-Nobelpreisträgers Desmond Tutu bei einem ökumenischen Gottesdienst hat der Massen-Protest gegen einen drohenden Irak-Krieg am Samstag in New York begonnen. Als Sprecher wollten sich ausser Tutu unter anderem die Schauspieler und Entertainer Harry Belafonte, Danny Glover, Susan Sarandon, Pete Seeger und Julian Bond zu Wort melden. Eine New Yorker Richterin hatte einen Friedensmarsch durch Manhattan sowie eine Kundgebung direkt vor dem UNO-Hauptsitz am East River untersagt. Der federführende Veranstalter, "United for Peace & Justice" (Etwa 300 Organisationen, Vereint für Frieden und Gerechtigkeit), verlegte das Podium daraufhin fünf Strassenblöcke weiter in den Norden. Von dort aus sei der Glaspalast der Weltorganisation noch in Sichtweite, hiess es. Rund 1,5 bis zwei Millionen Menschen haben am Samstag in London gegen einen Irak-Krieg demonstriert. Damit war die Kundgebung der grösste Massenprotest in der britischen Hauptstadt seit dem Zweiten Weltkrieg. Zu der Menge im Hyde Park sprachen zahlreiche Popstars und Politiker. Mehr als 4.500 Polizeibeamte bewachten die Demonstration, die friedlich verlief. Parallel zu der Kundgebung in London demonstrierten rund 100.000 Menschen in Dublin und mehrere zehntausend in der nordirischen Hauptstadt Belfast. Im schottischen Glasgow, wo die regierende Labour-Party eine Konferenz abhielt, versammelten sich den Organisatoren zufolge rund 60.000 Menschen. Ein schier endloser Strom von Gegnern eines möglichen Irak-Kriegs ist am Samstag bei strahlendem Sonnenschein durch die Strassen von Rom gezogen. Zwischen einer und nach Organisatoren-Angaben drei Millionen Menschen beteiligten sich an der grössten Friedensdemonstration der vergangenen Jahrzehnte. Die Demonstranten mit Friedensfahnen und auf den Gesichtern gemalten Symbolen der Pazifisten- und No Global-Bewegungen bevölkerten die Strassen der Innenstadt und legten die zehn Kilometer lange Strecke zwischen dem Bahnhof Ostiense und der Lateranbasilika zurück. In 40 spanischen Städten demonstrierten nach Angaben der Veranstalter gut 4 Millionen Menschen gegen einen Krieg im Irak. Allein in Madrid sollen 2 Millionen Menschen - eine weltweite Rekordzahl - auf der Strasse gewesen sein. Diese Kundgebung dürfte der Regierung Aznar, die zu den stärksten Verfechtern eines Amerika-lastigen Kurses in Europa gehört, zu denken geben. Rund 200.000 Kriegsgegner liessen sich in Paris mobilisieren. Die Friedensaktivisten legten vor allem Wert darauf festzuhalten, dass es sich bei den Protesten nicht um den von Rechten und Konservativen oft beschworenen "Anti-Amerikanismus" handle. Der Protest richte sich gegen die amerikanische Regierung und ihre Politik; Antiamerikanismus dagegen richte sich gegen die amerikanische Bevölkerung. "Wir wollen Frieden - Bush will das Öl" - stand auf einem der vielen Transparente der Anti-Kriegsdemonstration heute, Samstag, in Budapest. Organisiert vom Verband "Zivile für den Frieden" zogen einige Tausend Menschen über die Andrassy-Strasse zum Heldenplatz und forderten "Kein Krieg gegen Irak". In Sprechchören verurteilten sie Bush und seine Kriegsbestrebungen. Die Mehrheit der Ungarn sei gegen einen Irak-Krieg und es gebe keinen Grund, diesen zu führen, sagte Annamaria Artner vom Verband "Zivile für den Frieden". Auch in zahlreichen Städten Asiens kam es zu, wenn auch kleineren Antikriegskundgebungen. So versammelten sich in Malaysia 1.500 Menschen vor der US-Botschaft. In Bangkok zogen mehrere hundert Menschen vor die US-Vertretung. Zu kleineren Demonstrationen kam es auch in Taiwan und Singapur. Nur etwa 1500 Menschen haben am Samstag in Tel Aviv gegen einen möglichen Irak-Krieg demonstriert. Die Teilnehmer zogen am Abend mit Spruchbändern durch die Innenstadt. Tausende von Ägyptern haben gegen einen Irak-Krieg und gegen die Militäraktionen Israels gegen die Palästinenser protestiert. Die Demonstranten verbrannten US-Fahnen und forderten die Ausweisung des israelischen Botschafters in Kairo. Ausserdem forderten die Demonstranten die ägyptische Regierung auf, keine amerikanischen und britischen Kriegsschiffe mehr durch den Suez-Kanal zu lassen. In der serbischen Hauptstadt fanden sich nur etwa 200 Demonstranten für Frieden im Irak zusammen. In Kopenhagen demonstrierten zehntausende Dänen bei der grössten Friedensdemonstration seit dem Vietnamkrieg für eine friedliche Lösung des Irak-Konfliktes. Auch in den anderen nordeuropäischen Hauptstädten Stockholm, Oslo und Helsinki versammelten sich zehntausende Bürger zu Protesten vor den jeweiligen US-Botschaften. Gegen eine drohende Eskalation im Irak-Konflikt protestierten rund tausend Demonstranten in Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Auch aus Kapstadt und Bloemfontein wurde über Proteste berichtet. Südafrika hat dem Irak mit Hinweis auf seine Erfahrung bei der Vernichtung seiner Atomwaffen nach dem Übergang zu einer demokratischen Regierung 1994 Unterstützung angeboten. Nach dem neuen Bericht der UN-Waffeninspekteure steckt US-Präsident George W. Bush tiefer denn je in der Zwickmühle. Die Chancen, in absehbarer Zeit die Zustimmung des Sicherheitsrats für einen Irak-Krieg zu gewinnen, stehen schlecht. Bush hat jetzt zwei Optionen: Entweder er verschiebt den Feldzug in der Hoffnung, zu einem späteren Zeitpunkt die UN hinter sich bringen zu können. Oder er umgeht den Sicherheitsrat und startet den Militärschlag mit Grossbritannien und anderen Verbündeten an seiner Seite. Der nächste Stimmungstest steht dem UN-Gremium am 1. März bevor, wenn die Chefinspekteure Hans Blix und Mohamed ElBaradei den fünf ständigen Sicherheitsratsmitgliedern wieder über den Stand der Kontrollen berichten. Doch ob Bush überhaupt so lange warten wird, ist unklar. Schliesslich haben er und sein Aussenminister Colin Powell in den vergangenen Wochen oft genug angekündigt, dass die Zeit für den irakischen Staatschef Saddam Hussein abgelaufen sei. Bush bekräftigte seine Entschlossenheit zu einer raschen Entscheidung: «Saddam Hussein hat Verbindungen zu Terrornetzwerken», erklärte er in Washington. «Saddam Hussein ist eine Gefahr, und deshalb wird er entwaffnet werden, auf die eine oder andere Weise.» UN-Chefinspekteur Blix äusserte sogar Zweifel an den kürzlich von Powell vorgelegten Geheimdienstinformationen. Ein sichtlich um seine Fassung ringender Powell kündigte daraufhin an, er müsse sich jetzt erst noch einmal mit Bush beraten. Die US-Regierung wolle möglichst rasch über einen neuen Resolutionsentwurf entscheiden, der einen Militärschlag als Möglichkeit zur Entwaffnung Iraks enthalten solle. Schliesslich hätten die UN-Inspekteure nur über Fortschritte bei den Kontrollen und nicht über eine bessere Zusammenarbeit mit der irakischen Seite berichtet, sagte Powell seinen weitgehend reglosen Zuhörern im Sicherheitsrat. Dietmar Lütz Die “fromme Kriegsbereitschaft” macht mir mehr zu schaffen als die Waffenlobby. Es verwundert mich immer wieder, zu sehen, mit welcher Inbrunst Christen – besonders fromme Christen – dem Krieg gegen Menschen eine Lanze brechen. Auf der theologischen Ebene frage ich mich im Blick auf die Gläubigen unter den Kriegsanwälten, ob es wohl der christliche Glaube sein könne, der einem Menschen die innere Disposition verleiht, dem Krieg seine Stimme zu geben. Ist der christliche Glaube etwa die angemessene, härtere Gangart, die das Böse in der Welt “mit Gottes Hilfe” schon immer zu Recht erbarmungslos bekämpft hat? Ist es darum wirklich nur Zufall oder politische Opposition, dass deutsche christliche Parteien in der Tendenz eher dem Waffengang zuneigen als ihre konfessionslosen Gegenüber? Je lauter zudem Papst, katholische Bischofskonferenz und Rat der EKD ihre Stimme gegen den Irak-Krieg erheben, desto lauter werden manche Frommen im Verbund mit ihren Hausmedien. Ach würden sie doch schweigen, wie Jesus vor Pilatus und Herodes, statt zu den Waffen zu rufen. So aber machen sich gerade die gläubigen Kriegswilligen zu Komplizen. Es muss wohl Angst sein, verbunden mit dem Gefühl, selbst ungefährdet zu sein, die einen Christen oder eine Christin glauben macht, es könne Gottes Wille sein, um eines höheren Zieles willen Tausende oder Zehntausende von Zivilisten schnell, fernab und unsichtbar zu töten. Diese fromme Kriegsbereitschaft macht mir mehr zu schaffen als die Waffenlobby, die sich noch an jedem Krieg saniert hat und sich bereits jetzt die Hände reibt. Der christliche Ruf nach Krieg macht mich schaudern, dieser fromme Ruf dieses frommen Völkchens, das nach dem Sündenbock verlangt und nach seinem Leben. Wohlgemerkt: das Leben eines Anderen, um das der Vielen zu schonen – so jedenfalls hat es immer geheissen. Es ist schon ein Zeugnis der besonderen Art, wenn Christen es der Welt – und vor allem den Muslimen – wieder einmal zeigen: Liebe steht bei uns in keinem Glaubensbekenntnis und deshalb sind Hass und Krieg für uns keine Ketzereien! Wenn aber Angst, dann die richtige: “Die Welt im Krieg ist ein Zirkus, in dem sich schliesslich die Bestien auf die Zuschauer stürzen.” Dieses treffende Wort des berühmten Franzosen Gilbert Cesbron, des Biografen Albert Schweitzers, aus dem Jahrzehnt nach dem 2. Weltkrieg, soll Angst machen. Kriegslust zehrt von der Illusion des Siegers, doch diese Lust schwindet mit jedem Sarg, der die Heimat erreicht und mit jedem Vergeltungsschlag der Gegner im eigenen Land. Reicht uns das tragische Kriegsspiel Palästina-Israel nicht aus, um den Glauben an einen Kriegs-Frieden endgültig abzuschütteln? Noch ist nicht Krieg. Noch ist Zeit. Heissen die Christen nicht nach Christus, dem Modell aller Versöhnung, der sich selbst hingab, um die tödliche Rache- und Vergeltungsspirale zu entmachten? Hat Jesus darum etwa an uns gedacht als er fragte: “Ob der Menschensohn wohl Glauben finden wird, wenn er wiederkommt? Der Autor, Dr. Dietmar Lütz (Berlin), ist Baptist und Beauftragter der Vereinigung Evangelischer Freikirchen am Sitz der Bundesregierung. Quelle: Kipa/idea.de/Livenet/ap/Reuters/sda/dpa/afpWeitere Demonstrationen angekündigt
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Bush in der Zwickmühle
KOMMENTAR
Der christliche Ruf nach dem Krieg
Tausende Zivilisten unsichtbar töten
Noch ist Zeit
Datum: 17.02.2003