Wird Nigeria das neue Ruanda?
Das Team, dem auch Baroness Cox, die Gründungspräsidentin des Humanitarian Aid Relief Trust (HART), angehörte, sah die «Ruinen von Häusern, Lebensmittellagern, Kirchen, Pastorenhäusern und einem Waisenhaus sowie zerstörtes Ackerland» – alles Zerstörungen, die in den letzten sieben Monaten von der muslimischen Fulani-Miliz angerichtet wurden.
Täter kommen selten vor Gericht
In dem gemeinsamen Bericht von HART, der Internationalen Organisation für Friedenskonsolidierung und soziale Gerechtigkeit UK (PSJ-UK) und Christian Solidarity International (CSI) heisst es, dass die Täter dieser Angriffe «selten, wenn überhaupt, vor Gericht gestellt werden».
In ihrem Vorwort zu dem Bericht «Breaking Point in Zentralnigeria? Terror und Massenvertreibung im Mittleren Gürtel», sagte Baroness Cox, sie habe Nigeria schon oft besucht, aber bei ihrem Besuch Anfang dieses Monats sei ihr zum ersten Mal geraten worden, von der nigerianischen Hauptstadt Abuja nach Jos, der Hauptstadt des Bundesstaates Plateau, zu fliegen, anstatt auf der Strasse zu reisen. Dies geschah «aufgrund der zunehmenden Zahl von Morden und Entführungen – ein weiterer Hinweis darauf, dass sich die Sicherheitslage in den zentralen Bundesstaaten verschlechtert».
Brutale Details
Das Team hörte in persönlichen Gesprächen detaillierte Berichte über die gezielte Tötung vieler Kinder, einen brutalen Angriff auf eine 98-jährige Frau, die bei lebendigem Leibe verbrannt wurde, und über Menschen, die mit Macheten zerhackt wurden, als sie vor dem schnellen Gewehrfeuer davonliefen. «Das Waffenarsenal der Fulani-Milizen umfasst automatische Waffen, Laserzielgeräte, Macheten, Benzinbomben und Brandsätze, mit denen Häuser in Brand gesetzt werden», heisst es in dem Bericht.
Bereits 2018 im Repräsentantenhaus «Völkermord» genannt
«Viele internationale Aktivisten und Führungspersönlichkeiten vor Ort im 'Middle Belt' verwenden das Wort 'Völkermord', um die Angriffe auf ihre Gemeinschaften zu beschreiben», fährt der Bericht fort. «Bereits am 4. Juli 2018 erklärte das nigerianische Repräsentantenhaus die Tötungen in überwiegend christlichen Dörfern im Bundesstaat Plateau zu einem Völkermord und forderte die Bundesregierung auf, in den von der Gewalt betroffenen Gebieten unverzüglich Waisenhäuser einzurichten. Doch ihr dringender Appell wurde ignoriert.»
Gleiches Drehbuch wie Ruanda?
Während des Besuchs erklärte der Menschenrechtsanwalt Emmanuel Ogebe, der die Organisation Justice for Jos vertritt, dem Team: «Niemand wird für die Gräueltaten zur Rechenschaft gezogen. Wir wiederholen das gleiche Drehbuch wie Ruanda. Wir gehen den gleichen Weg. Wir bewegen uns auf einen Bruchpunkt zu.»
Baroness Cox folgert: «Ich weiss nicht, wie ich den Ernst der Lage noch unterstreichen soll. Der Völkermord in Ruanda wurde zunächst als 'Bauern-Hirten-Konflikt' bezeichnet, und sehen Sie, was daraus geworden ist. Ruanda ist so gross wie ein nigerianischer Bundesstaat. Die Welt wird nicht in der Lage sein, die Folgen zu bewältigen.»
In seinen Empfehlungen fordert der Bericht die nigerianischen Behörden auf, «der Straflosigkeit ein Ende zu setzen, indem sichergestellt wird, dass Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen unverzüglich, unabhängig und unparteiisch untersucht und die Verantwortlichen nach fairen Verfahren zur Rechenschaft gezogen werden».
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Datum: 02.04.2022
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Livenet / Christian Today / HART