Wo bleibt der Respekt vor Religiösem? – MTV zieht «Popetown»-Werbung zurück

"Lachen statt rumhängen" mit diesem Slogan wirbt MTV für die Papst-Zeichentrickserie "Popetown"
Stern: Popetown-Karrikatur. Bildquelle: BBC
YB-Plakat

Der Musiksender MTV hat nach scharfer Kritik der Kirchen und des Deutschen Werberates seine Anzeige für die Vatikan-Satire «Popetown» zurückgezogen. An der Ausstrahlung der Comic-Serie ab 3. Mai hält der Sender allerdings fest.

Der Deutsche Werberat hatte MTV vorgeworfen, die Anzeige sei «eine eklatante Verletzung religiöser Empfindungen». CSU-Generalsekretär Markus Söder forderte in dem Streit ein klares Verbot der Gotteslästerung im Strafrecht. Die Serie dürfe nicht ausgestrahlt werden. In der MTV-Werbung heisst es, Gegenstand von «Popetown» seien unter anderem «ein durchgeknallter Papst und ein krimineller Kardinal».

Die zehn Folgen der für die BBC produzierten Comic-Serie wurden in Grossbritannien wegen massiver Kritik nicht gezeigt. Ein neuseeländischer Privatsender, der sie ausstrahlte, handelte sich einen Boykottaufruf der katholischen Kirche ein.

Lachender Christus vor leerem Kreuz

In Deutschland brach ein Sturm der Kritik los, nachdem MTV Zeitschriftenanzeigen für den Start der Popetown-Trickfilmserie mit der Überschrift «Lachen statt rumhängen» geschaltet hatte. Zu sehen ist im Hintergrund ein leeres Kreuz, im Vordergrund sitzt ein lachender Jesus Christus mit Dornenkrone vor einem TV-Gerät. Die Anzeige löste eine Beschwerdeflut aus.

Als "respektlos und ignorant" bezeichnete die protestantische Kirchliche Sammlung um Bibel und Bekenntnis (KSBB) die MTV-Werbung. Ihr Sprecher Andreas Späth fand es „höchst befremdlich, dass man auf den Islam (wohl wegen seines latenten Gewaltpotentials) bis zur Selbstverleugnung Rücksicht nimmt, während man über Christen permanent Dreckkübel ausgiesst – wohlwissend, dass man es sich hier trauen kann“.

Die katholischen Bischöfe und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) legten beim Deutschen Werberat Beschwerde gegen die Anzeigen ein. «Durch die Art und Weise, wie der gekreuzigte Jesus Christus in dieser Werbung dargestellt wird, werden Kernaussagen des christlichen Glaubens verhöhnt und lächerlich gemacht», so die Bischofskonferenz. Die EKD begrüsste das Eingreifen des Werberates.

Neue Straftatbestände?

CSU-Generalsekretär Söder erklärte, wenn Kirche und Papst in einer Zeichentrickserie für Jugendliche lächerlich gemacht würden, habe das «nichts mehr mit Satire zu tun». Um alle zentralen religiösen Symbole besser vor Verunglimpfung zu schützen, müsse das Strafrecht um konkrete Tatbestände erweitert werden. «Es kann nicht angehen, dass jede noch so geschmacklose religiöse Beleidigung unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit durchgeht.»

Auch der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, forderte MTV auf, die angekündigte Cartoon-Serie nicht auszustrahlen. Die Auseinandersetzungen der jüngsten Zeit um Karikaturen, die von muslimischen Gläubigen als verletzend empfunden worden seien, verlangten «eine neue Sensibilität im öffentlichen Umgang mit Glaubensinhalten und religiösen Symbolen».

„Fiktive Erlebnisse“ eines Paters im Vatikan

Das Unternehmen MTV Networks gab sich zur Kritik an der Werbung uneinsichtig, verzichtete aber «aus anderen Gründen auf die weitere Schaltung des Motivs“. Die Serie polarisiere, räumte MTV-Sprecher Wappmann ein. Doch es komme «weder zur Verunglimpfungen noch zu Beleidigungen von Glaubensrichtungen». Das im Auftrag der BBC produzierte Comedy-Format beschreibe «satirisch die fiktiven Erlebnisse von Pater Nicholas im Vatikanstaat». Das Format wie die Anzeige für die Serie arbeiteten mit den für Satire üblichen Stilmitteln «wie Verfremdung, Überspitzung und Parodie».

Schäuble fordert mehr Respekt vor religiösen Symbolen

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat als Konsequenz aus dem Karikaturenstreit mehr Respekt vor religiösen Symbolen gefordert. Die Muslime müssten allerdings auch die Trennung weltlicher und geistlicher Ordnung in Deutschland akzeptieren, sagte Schäuble im der «Süddeutschen Zeitung». Das werde eine schwierige Debatte für den Islam werden. Aber den Prozess der Aufklärung müssten die Muslime bewältigen. Schäuble verwies darauf, dass die freiheitliche Verfassung des Westens grosse Vorzüge gegenüber anderen Systemen habe, die auch Muslimen zu Gute kämen. So gebe es in Deutschland in vielen Kleinstädten Moscheen, wogegen Christen es in grossen Teilen der islamischen Welt sehr schwer hätten.

Und in der Schweiz?

Auch in der Schweiz gäbe es Anlass, den Missbrauch von religiösen Symbolen und religiöser Sprache für eigennützige Zwecke zu diskutieren. Der Berner Traditionsverein BSC Young Boys wirbt seit dem letzten Herbst mit Plakaten und dem Slogan „Glaube an YB“. So will der Club, wie Medien berichteten, das „etwas angekratzte Image aufpolieren und mehr Leute ins Stadion locken“.

Quelle: Livenet / epd

Datum: 15.04.2006
Autor: Peter Schmid

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