Er macht der Titelheldin die Hauptrolle im Musical „Elisabeth“ streitig: der Tod, mit seinem Gefolge gediegen-feurig gewandet. Er begegnet dem Mädchen Elisabeth, lacht über das Ja bei ihrer Vermählung, wirbt um sie, umschleicht sie. Und obwohl sie sich, ihrem Gatten entfremdet, dem Tod nicht in die Arme wirft, sondern von Anarchistenhand stirbt, empfängt er sie am Schluss doch, als wäre er der Herrscher über das Reich der Freiheit, in das die unglückliche Kaiserin sich flüchten möchte. Das Werk des deutschen Startexters Michael Kunze und des gebürtigen Ungarn Sylvester Levay hat seit 1992 dreieinhalbtausend Aufführungen erlebt. Die Thuner Veranstalter haben mit dem Musical ein Fürstendrama – und einen Abgesang auf das imperiale Europa – in die Kleinstadt geholt. Über 30 Aufführungen des zweistündigen Spektakels sollen bis Ende August über die Drehbühne auf dem See gehen. Der Erfolg des Openair-Wagnisses scheint mit dem Vorverkauf gesichert; ein Grossteil der 70'000 Karten ist bereits weg. Das Musical besteht aus einer raschen Folge von Bildern, die das unruhige Leben der bayrischen Prinzessin nachzeichnen. 1837 geboren, wird Elisabeth statt ihrer Schwester vom jungen Habsburger Kaiser Franz Josef zur Gattin auserkoren. Sie heiratet mit wenig mehr als 16 Jahren und bringt Kinder zur Welt, die sie nicht erziehen darf – ihre herrische Schwiegermutter beansprucht sie, um den angefochtenen Habsburgern die Macht zu sichern. „Sei streng, sei kalt, sei hart!“ gebietet die Kaisermutter dem überforderten, im Musical eigenartig steif wirkenden Sohn und schiebt sich zwischen ihn und die Prinzessin vom Lande. Mit der Kühnheit der freigeistigen Individualistin (des 20. Jahrhunderts) singt Elisabeth schon im ersten Akt: „…und will ich die Sterne, dann finde ich selbst dorthin… Ich wehr mich, bevor ich mich verlier. Denn ich gehör nur mir!“ Das familiäre Unheil am Hofe nimmt seinen Lauf, während es im Gebälk des Vielvölkerreichs ächzt und sich die Gäste des Wiener Kaffeehauses ungerührt auf die Apokalypse einstellen (eine Szene, die visuell so überzeugt, wie sie befremdet). Auf einer Reise zu den Ungarn, deren nationalen Ambitionen die Kaiserin gewogen ist, kommt ihre kleine Tochter zu Tode. Um ihre Kinder erziehen zu können, stellt Elisabeth ihrem Mann schliesslich ein Ultimatum und erreicht ihr Ziel. Doch später – dem Kaiser haben Höflinge eine Gespielin angedreht – verlässt sie Wien, ihren Mann, ihr Reich, um in der Ferne Ruhe zu suchen. Im Thuner Sommerabend sinkt die Dämmerung auf die Landschaft, und unter der Bühne schwimmt ein Schwan hervor… Im zweiten Akt fällt das Licht der Scheinwerfer auf Elisabeths Sohn Rudolf, der, als Kind ungeborgen und hart erzogen, keinen guten Kronprinzen abgibt, sondern mit liberalen Ansichten des Vaters Zorn erregt. Nachdem er die Mutter vergeblich gebeten hat, sich für ihn einzusetzen, bringt er sich und seine Geliebte um. Dies verstärkt die Einsamkeit Elisabeths, bringt nicht nur sie, sondern – so will es das Musical – auch das Habsburgerreich dem Tode näher. Mit dem eindrücklichen Engagement der Aufführenden (Inszenierung: Ueli Bichsel) und des Orchesters unter Iwan Wassilewski kontrastiert die Untergangsstimmung, welche mit dem ersten Bild des Musicals einsetzt: Im Jenseits wegen seines Verbrechens verhört, sucht der Anarchist Lucheni das Attentat auf die Kaiserin zu rechtfertigen. Er führt dann wie ein Conférencier durch das Leben von Elisabeth und schlüpft wendig in verschiedene Rollen, um seine Behauptung zu untermauern, sie habe den Tod gesucht, den er ihr mit seinem Stich schliesslich bereitete. Lucheni, der zynische Tausendsassa, und der Tod, der jahrzehntelang lächelnd zusieht und Elisabeth, seines endlichen Triumphs gewiss, freundlich umgarnt – wie sollen wir mit ihnen umgehen? Aus christlicher Sicht ist der Tod der letzte Feind, und Leben ist allein im Glauben an den auferstandenen Christus zu gewinnen. Er schenkt in einer Zeit des Zerfalls – auch hundert Jahre nach Sissi – Wege zum Leben, und um die Freiheit, die daraus erwächst, ist in Europa immer neu zu ringen.
Das erfolgreichste deutschsprachige Musical
Herrische Schwiegermutter
„Ich gehör nur mir!“
Lachen vor der Apokalypse
Am Abgrund
„Alle tanzen mit dem Tod“
Mehr zur Aufführung: www.thunerseespiele.ch
Tickets: www.inszene-ticket.ch
Dokumentation zum Musical: http://www.stage-entertainment.de/documents/eli_lehrerheft.pdf
Bilder: Thuner Seespiele
Datum: 27.07.2006
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch