Einen Schalter fürs Herz, bitte!
Meine Frau und ich wohnen und arbeiten in Afrika und in der Schweiz. Zweimal im Jahr wechseln wir Küche, Kultur und Kontinent. Die Reise im Flugzeug dauert bloss sechs Stunden; da fände ich diesen Schalter so patent.
Es kommt mir nämlich jedesmal die Anekdote von jenem älteren Indianer in den Sinn, der an einem internationalen Kongress teilnehmen sollte. Man liess ihn per Chauffeur und Limousine abzuholen. Das ging ein paar Meilen ganz gut; aber dann wollte er aussteigen. Pissoir-Stopp? Vielleicht. Nur setzte er sich dann auf den Boden und war nicht mehr zum Aufstehen zu bewegen. „Entschuldigung, wir müssen weiter...“ Keine Antwort. Der Fahrer ungeduldig: „Worauf warten Sie denn?“ – „Ich warte, bis meine Seele uns wieder eingeholt hat; sie kann nur im Schritt-Tempo reisen.“
Ankommen
Die Anekdote ist wohl erfunden; aber sie stimmt. In sechs Stunden von Paris ins tropische Afrika. Der Körper macht da gut mit; aber auch meine Seele reist nicht im Flugzeugtempo. So wünschte ich mir für Herz, Seele, ja gar fürs Denken, es gäbe diesen Schalter: Kick: Biel – Klack: Zentralafrika. Es dauert meist eine Woche, bis ich angekommen bin und etwa drei, bis ich mich wirklich wieder eingewöhnt habe.
Bin ich halt einfach kein rechter Nomade? Sicher, ich liebe es, mich häuslich einzurichten und „daheim“ zu sein. Der Beruf bringt uns aber immer wieder ein provisorisches Zuhause, fast bei jeder Reise eine andere Gäste-Wohnung; mit allem Notwendigen ausgerüstet zwar, aber „unser“ ist sie allemal nicht. Da helfen auch der Kalender mit dem Matterhorn aus dem Koffer und die eigenen Kaffeetassen aus der im Depot eingestellten Kiste nicht viel.
Unterwegs
Gäbe es diesen Herz-Schalter, ich würde ihn klick-klack jedes Mal im Flugzeug kurz vor der Landung kippen. Ohne ihn bekomme ich etwas von dem zu spüren, was es heisst „unterwegs“ zu sein, nicht zuhause halt. Daran hat vielleicht auch der vielreisende Apostel Paulus damals gedacht, als er in der Bibel schrieb, wir hätten hier auf der Erde keine bleibende Stadt.
Abschied
Ich bin unterwegs zwischen Kontinenten, Kulturen, Menschen. Das ist spannend. Bekannte wiedersehen bringt Freude; dazu gehört in Afrika ein strahlendes Lachen. Begonnene gemeinsame Arbeit weiterführen ist erfüllend. Mit Freunden und Mitarbeitern gemeinsame Erinnerungen wachrufen knüpft Bande. Wieder Abschied nehmen ist hingegen oft hart, besonders wenn die Situation im Land, in der Arbeit oder der Familie nicht einfach ist; das kann Tränen absetzen. Oft besteht aber auch die Hoffnung: „Übers Jahr im andern Sommer...“
Daheim
Dennoch: „Diese Erde ist nicht mein Dorf“, singen Christen in Zentralafrika, „mein Dorf ist im Himmel.“ Wenn ich jeweils aus dem Flugzeug in Afrika oder Europa aussteige, spüre ich es stark: „Ich bin hier nicht zuhause, unterwegs in eine andere Stadt.“ Zum Glück habe ich neben dem spannenden jeweiligen Etappenziel noch ein ganz anderes Ziel, das sich lohnt; eine Stadt, wo ich sagen kann: am Ziel, daheim. Da braucht es ja dann keinen Schalter mehr für die Seele oder das Herz, und schon gar keinen Herzschrittmacher mehr.
Christoph und Ruth Müller sind Mitglieder der Wycliffe Bibelübersetzer und arbeiten seit 1992 in der Zentralafrikanischen Republik. Christoph hat einen grossen Teil seiner Zeit als Exeget (Bibelwissenschaftler) dem Team gewidmet, welches die Bibel in umgangssprachliches Sango übersetzt.
Wycliffe Bibelübersetzer: www.wycliffe.ch
Quelle: Jesus.ch / Wycliffe Bibelübersetzer
Datum: 12.02.2007
Autor: Christoph Müller