Eine Diakonisse tanzt für Gott aus der Reihe

Schwester Silvia Pauli arbeitet als Dozentin für Bewegungspädagogik nach Eric Franklin.
Das Diakonissenhaus in Riehen.

Früh begeistert sich Silvia Pauli für Ballett und Tanz. Nach dem Eintritt ins Diakonissenhaus Riehen legt sie den Traum vom Tanzen vorerst auf die Seite. Doch 2001 beginnt sie die Ausbildung zur Bewegungspädagogin. Ihre Mitschwestern und besonders die Oberin unterstützten den ungewöhnlichen Weg.

Wer sich das Leben einer Diakonisse als beschaulich, nach innen gerichtet vorstellt, muss seine Meinung bei der Begegnung mit Schwester Silvia revidieren. Trüge sie keine Tracht, sähe man in ihr eine ungebundene Frau in der Lebensmitte mit einem spannenden Job und einer vollen Agenda. Silvia Pauli, Jahrgang 1964, wuchs in Basel mit zwei älteren Brüdern auf. Schon im Teenageralter absolvierte sie eine Ausbildung für Bühnentanz.

Die Begeisterung für Tanz und Bewegung liess sie auch nach ihrem Eintritt ins Diakonissenhaus Riehen im Jahr 1986 nicht los. Doch zuerst arbeitete sie neun Jahre im Sekretariat der Hausleitung. Dann begann sie die Ausbildung zur Bewegungspädagogin nach der Franklin-Methode*. Schwester Silvia fand einen Weg, ihre Leidenschaft in «Gottesdienst» zu verwandeln.

Bewegter Alltag

Ihr Alltag fordert viel Flexibilität. Montag und Dienstag verbringt sie wenn möglich in der Schwestern-Kommunität in Wildberg ZH, wo sie seit zwei Jahren zu Hause ist. Dann arbeitet sie wie ihre Mitschwestern im Gästehaus mit. Nach einem Wochenenddienst fällt auch einmal ein freier Tag auf den Wochenanfang. Mittwochs unterrichtet Schwester Silvia regelmässig an der Jugendmusikschule Weinfelden Ballett und auch Kurse nach Franklin. Am Donnerstag ist häufig persönlicher Trainingstag. Die Tage, an denen sie als Dozentin der Franklin-Methode unterrichtet, sind sehr unterschiedlich gestreut. Die Kursorte führen sie durch die ganze Schweiz, es finden aber auch Kurse in Wildberg statt.

Silvia Pauli streift für diesen «weltlichen» Job die Schwesterntracht ab und macht dabei interessante Erfahrungen: «Wenn Kursteilnehmer mehr über mich wissen wollen und ich von meinem Leben als Diakonisse erzähle, kommt es oft vor, dass sie ausrufen: So etwas habe ich mir doch gedacht!» Solche Reaktionen freuen Schwester Silvia. Aber auch das Kompliment von Eric Franklin, der sie beim Tanzen beobachtete und sagte: «Wenn du tanzst, dann ist das so abgerundet, ein Ganzes.» Genau das will die Schwester: authentisch leben. Ob sie tanzt, unterrichtet, putzt oder Rasen mäht – sie will es für Gott tun.

Kraft aus der Stille

Für die Diakonisse mit dem speziellen Lebensauftrag bedeutet das Eingebettetsein in die Schwestern-Kommunität ein grosses Privileg, Heimat und Zuhause zugleich. Die Gebete ihrer Mitschwestern tragen sie, geben ihr Kraft. Wenn immer möglich nimmt sie selber an den Gebetszeiten teil. Es ist ihr Wunsch, dass Stille und Gebet ihre Arbeit auch ausserhalb des Hauses durchdringen.

Schwester Silvia lässt ihren Blick während unseres Gesprächs immer wieder über die sanften Hügel des Tösstals und die herbstlich verfärbten Wälder gleiten. Sie sagt: «Solche Momente machen mein Herz weit. Ich werde dankbar und innerlich jubelnd und lobend. Ich kann auftanken.»

Freude über die Mitschwester

Manchmal empfindet sie ihr Leben als Spagat. In Situationen, in denen sie spürt, dass ihr Einsatz im Haus nötig wäre, muss sie sich zum Gehen überwinden. Dann ruft sie sich in Erinnerung, dass ihre Mitschwestern ihren Dienst als Bewegungspädagogin von Anfang an mitgetragen und unterstützt haben.

Ob da nicht auch Neid aufflammen kann, wenn Silvia Pauli wieder einmal das Nest verlässt, ihre Schwingen zum Tanz ausbreitet und die Arbeit im Haus liegen lässt? Schwester Erika, die im Garten die Sonne und ihren Ruhestand geniesst, verneint die Frage: «Wir freuen uns alle, dass Schwester Silvia diese Ausbildung machen konnte. Sie musste hart dafür arbeiten!» Schwester Erika strahlt. Sie ist ein wenig stolz auf ihre tanzende Mitschwester, das spürt man.

Leib, Seele und Geist

Silvia Pauli erlebt immer wieder, dass durch die Körper- und Bewegungsarbeit plötzlich Fragen nach Lebenssinn und Lebensinhalt gestellt werden. So entstehen Gespräche über den Glauben. Für sie sind solche Momente Highlights und eine Bestätigung dafür, dass das biblische Menschenbild, das Leib, Seele und Geist als Einheit sieht, auch heute gilt.

So sieht sie ihre Arbeit als Ursachenbekämpfung. Wer Veränderungen in seinem Leben durch Erkenntnis anpacke, der werde nicht nur oberflächlich heil, sondern packe die Chance, das Grundmuster seines Verhaltens zu verändern, im seelischen wie auch im körperlichen Bereich. Über die Arbeit, die sie «draussen» macht, finden immer wieder Menschen den Weg ins Haus der Stille und Einkehr nach Wildberg. Das freut Schwester Silvia besonders und bestätigt ihren Auftrag. Das strahlende Gesicht, das frohe Lachen der Diakonisse lassen keinen Zweifel offen: Auch wenn sie aus der Reihe tanzt, sie tut es für Gott.

* Franklin-Methode: Die von Eric Franklin entwickelte Methode ist eine Synthese von Bewegung, erlebter Anatomie und Imagination (Vorstellungskraft). Schwerpunkt ist, Bewegung und Haltung über das Erleben und Verkörpern der Funktion zu verbessern. Die Bewegungsseminare greifen verschiedene Themen auf: Wirbelsäule, Monatsbeschwerden, Lunge und Herz, Becken etc. Das Verstehen der verschiedenen Körpersysteme führt zur Verbesserung der Haltung, der Beweglichkeit und des gesamten Wohlbefindens. Die Franklin-Methode ist weltanschaulich neutral, wird aber durch den ideologischen Hintergrund des jeweiligen Pädagogen oder der Therapeutin gefärbt.

Links zum Thema:
www.franklin-methode.ch
www.diakonissen-riehen.ch

Autorin: Helena Gysin

Datum: 12.12.2008
Quelle: ideaSpektrum Schweiz

Werbung
Livenet Service
Werbung