Ziegen-Innereien und Bügeleisen-Explosion
Beim Auspacken fällt mein Blick auf die Abrechnung - meinem Bankaccount wurden zusätzlich zu den 39.99 Euro noch 50 Euro Versandgebühren berechnet. 50 europäische Lappen!!! Ich krieg die Krise. Dabei hätte ich jetzt gerade einen ruhigen Kopf bewahren müssen, da genau heute alle was von mir wollen. Sogar das Bügeleisen hat sich gegen mich - bzw. meine Frau Tamara - verschworen und sich gestern mit einer kleineren Explosion ins Jenseits verabschiedet. Auch wieder zwei Stunden verloren Zeit, um eine neues zu besorgen.
Vom Alltagstrott eingelullt
Doch plötzlich schäme ich mich für meine Gedanken. Erst seit ein paar Tagen bin ich wieder zurück aus Afrika, und schon haben es der Alltagstrott mit seinen Leiden und Probleme geschafft, mich wieder einzulullen. Nein. Ich habe keine Schweinegrippe. Und trotzdem suhle ich mich bereits wieder wohlig in meinem Selbstmitleid. Dabei habe ich unzählige Gesichter vor mir, die mir links und rechts eine an die Backe klatschen würden, um mich aufzuwecken und zu sagen: Deine Probleme möchte ich haben!Es sind die Geschichten von Menschen, insbesondere der Kinder, die ich im armen Norden Ugandas kennenlernen durfte. Ein Gebiet, das bis vor rund drei Jahren noch mitten in einem Krieg steckte. Wir fuhren durch ein Dorf, in dem Rebellen einfach so mal schnell elf Menschen ermordet hatten. Die meisten haben zwei, drei ihrer nächsten Angehörigen verloren. Tödliche Krankheiten taten das Ihrige dazu. Zurück bleibt Leid, dass keine Worte kennt.
Erstarrtes Herz
Nur Bilder. Und Geschichten. Einzelne Lebensgeschichten. Wie diejenige von dem Kind, das nach einem Massaker in der Blutlache der eigenen Mutter aufgefunden wurde. Oder der kleine Junge, nennen wir ihn einfach mal Ngudu, dessen Vater ein berüchtigter Rebellenführer war, der ein paarmal zur anderen Seite übergelaufen war. Mindestens einmal zuviel. Auf einem Gefangenentransport wurde er erschossen. Vielleicht war Ngudu durch Vergewaltigung gezeugt worden, ich weiss es nicht. Tatsache ist, dass seine Mutter, von der man nicht weiss, ob sie noch lebt, ihn nach der Geburt im Abort entsorgen wollte. Er ist nur deshalb noch am Leben, weil sein Kopf nicht durch das Loch gepasst hatte. Bei solchen Bildern erstarrt mein Herz. Und doch hat Ngudu wieder zu seinem Lachen gefunden. Und mit ihm viele andere. Ein Ballon hat gereicht. Ein paar tolle Spiele. Ein paar fröhliche Lieder. Die Verletzungen im Herz werden nicht so schnell heilen. Gott sei Dank gibt es Menschen, die ihr Leben diese verletzten Herzen verschrieben haben und die diese Kinderherzen mit Gottes Liebe fluten.
Was läuft falsch?
Ich nerve mich über Amazon. Die Menschen in den nördlichen Dörfern von Uganda haben kein Amazon. Noch nicht mal einen Internetanschluss. Ich nerve mich über rausgeschmissenes Geld. Die Menschen dort haben kein Geld, das sie rausschmeissen könnten. Ich nerve mich über die ein bis zwei Stunden, die ich brauche, um mir ein neues Bügeleisen zu kaufen. Die Menschen dort brauchen Stunden, nur schon um an sauberes Wasser zu kommen. Ich nerve mich darüber, dass das Bügeleisen überhaupt kaputt gegangen ist. Die meisten Menschen da wissen nicht mal, was ein Bügeleisen ist. Und doch scheinen sie oft glücklicher und zufriedener, als ich an Tagen wie diesen. Es ist nicht nur mit Afrika etwas nicht in Ordnung. Es hat vielmehr mit mir zu tun. Ich sehne mich danach, endlich die Dimension der Aufforderung von Jesus bis ins Innerste meines Herzens erfasst zu haben, wenn er sagt: «All eure Sorgen werfet auf ihn [Gott], denn er sorgt für euch!» (Die Bibel, 1.Petrus, Kapitel 5, Vers 7)
Auch frage ich mich, warum genau jene Kinder, deren Start ins Leben mit solch düsteren Schatten behaftet ist, fröhlich Lieder zu Gott singen, obwohl sie nichts haben. Nicht mal einen Grund dazu. Während unsere Jugend oft völlig destruktiv und visionslos wirkt, obwohl die Gesellschaft ihnen doch scheinbar alles bietet?
Riesige Liebe
In Uganda scheint vieles anders. Da kriegt man einen ganzen Pott voll mit Ziegen-Innereien, was eine riesige Ehre ist. Da läuft man Kilometer weit, um an sauberes Wasser zu kommen. Wasser, das bei mir als Schweizer immer noch sintflutartigen Durchfall auslöst. Da kriegt man aus Dankbarkeit Hühner und Ziegen geschenkt. Und trotzdem ist eine Sache gleich, egal, wo auf der Welt man sich befindet: Egal, wie deine und meine Vergangenheit auch aussehen mag, wir alle brauchen diese unfassbar riesige, göttliche Liebe, die unsere Herzen heilt!
Datum: 29.08.2009
Autor: Andreas Boppart
Quelle: Jesus.ch