Inspirationstag Perspektive 3D

Das Älterwerden neu denken

Kirchen sollen die Zeichen der Zeit erkennen und das Potential der älter werdenden Mitglieder sehen und wertschätzen – und ihren Beitrag ernst nehmen. Dazu rief Christa Gasser am Inspirationstag der SEA am Freitag in Bern auf.
Thomas Kohler und Christa Gasser (Bild: Fritz Imhof)
Markus Müller im Livenet-Talk (Bild: Livenet)

Die älteren Menschen können und sollen Hoffnungsträger in der Kirche und der Gesellschaft sein. Davon sind die Initiantinnen und Initianten der neuen Arbeitsgruppe Perspektive 3D unter der Leitung von Christa Gasser überzeugt. Die Tagung in Bern am 28. Oktober mit Referat, Open Spaces und Podium war mit über 120 Teilnehmenden ausgebucht. Weiteren 30 Interessierten musste abgesagt werden.

Das Leben bis zum Schluss lieben

Mein eigenes Älterwerden soll eine gute Angelegenheit sein! Es soll Freude machen, so Gasser. Es gelte, das Älterwerden neu zu denken. Sie rief die Teilnehmenden auf, sich die Frage zu stellen: Was könnte für mich ein Schlüssel sein, das Leben bis zum Schluss zu lieben?

Gasser rief die Kirchen auf, die Zeichen der Zeit zu erkennen und das Potential der älter werdenden Mitglieder zu sehen und wertzuschätzen. Kirchen sollten den Beitrag der Älteren ernst nehmen, damit sie Hoffnungsträger in der Kirche und der Gesellschaft werden. Menschen, die ihr Leben mündig und glaubensstark gestalten.

Das Jahrhundert der Alten

Markus Müller, Seelsorger im Alterszentrum Rämismühle und Verfasser des Buches «Die Champions League des Lebens», begründete seine These «Das 21. Jahrhundert ist das Jahrhundert der Alten». Schon die Demografie mache klar, dass der Anteil der älteren Menschen immer grösser werde. Dennoch hätten viele ältere Menschen Mühe mit der eigenen Wertschätzung oder haderten mit ihrer Biografie. Sie müssten sich neu der Frage stellen, wie sie glauben und was der Glaube mit ihnen macht. Sie sollten lernen, mit Gelungenem und Misslungenem umzugehen.

Wichtig sei das Ziel: Mein eigenes Älterwerden soll eine gute Angelegenheit sein! Die Tagung verstehe sich daher als Inspiration «für das Gelingen unseres eigenen Älterwerdens, für den guten Umgang von Kirche und Gesellschaft mit dem Älterwerden, und dass die Jugend nicht von uns Älteren erdrückt und blockiert wird».

Demografie als Gespenst oder Perspektive?

Die demografische Realität «soll uns nicht bedrücken, sondern beflügeln», so Müller, der innerhalb der älteren Generation drei unterschiedliche Generationen sieht: Die Silver Ager (82+ Jahre) seien Träger vieler traditioneller Werte und zum Beispiel daran gewöhnt, dass man den Teller ausisst. Ihnen folgen die 68er, oder laut Müller «die Aufmischer» (67 bis 82 Jahre), die sich gegen vieles aufgelehnt haben und neue Ideale schufen. Die Babyboomer (54 bis 67 Jahre) beschreibt er als «die Raumfüller», welche viele Gelegenheiten und Positionen im Leben wahrgenommen haben. Ihre Werte, die auf ihren Urerfahrungen basieren, möchten die drei Generationen auch im Alter leben. Das sei umso bedeutender, als ihre Lebenserwartung zur Zeit jeden Tag um sechs Stunden steige.

Eine Sternstunde

Dem Gefühl der Überforderung, das sich hier einstellen kann, setzte Müller die These entgegen: Das Alter ist eine Freisetzung – das zu merken, wäre eine Sternstunde. Die Tagung könnte eine Sternstunde sowohl für die Alten wie die Jungen sein. Für die Kirchen und die Gesellschaft. Vergleichbar dem Effekt der Rede des damaligen deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, der am 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges feststellte: Der 8. Mai ist nicht ein Tag der Niederlage, sondern ein Tag der Befreiung. Deutschland habe nach dieser Rede umgedacht.

Verarbeitung und Umsetzung

Die 10 «Open Spaces» (Workshops) bildeten einen einen Spiegel dessen, womit alte Menschen konfrontiert sind und wo sie sich schon heute überall einbringen. Ein Podium mit Christiane Rösel, Christa Gasser, Kathrina Schachtler und René Winkler reflektierten die Äusserungen des Tages. Winkler beobachtet unter der älteren Generation einen Freiheitsdrang, der früher nicht ausgelebt werden konnte, eine neue Hinwendung zum Leben. Er ermutigte die Gemeinden, die Kreativität der Älteren zu nutzen, statt sie dort einzusetzen, wo Mangel herrscht. Christiane Rösel rief dazu auf, nicht Projekte zu teilen, sondern Herzensanliegen, sich dem Kulturwandel zu stellen und neue Visionen zu entwickeln. Und Christa Gasser wünscht sich, dass eine ganz neue Bewegung der alten Menschen entsteht.

Schliesslich rief Markus Müller die Teilnehmenden auf, selbst eine Entdeckungsreise durch die Bibel zu machen und dabei die zahlreichen Aussagen über das Leben und den Stellenwert alter Menschen zu entdecken.

Die Arbeitsgruppe hat auch eine Website eröffnet, die vor allem der Vernetzung dienen soll und noch in Arbeit ist. Die Kerngruppe bilden Christa Gasser, Markus Müller, Ursula Fröhlich und Thomas Kohler.

Zum Thema:
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Datum: 01.11.2022
Autor: Fritz Imhof / SEA
Quelle: Livenet / SEA

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