Zum weltweit ersten Mal konnten wir erfolgreich Krebstumore bekämpfen, indem wir das Darmmikrobiom verändert haben», sagt der Onkologe Ben Boursi. Die Veränderung des Darmmikrobioms kann das Immunsystem umprogrammieren, um bösartige Tumore anzugreifen, so die Ergebnisse einer klinischen Studie am «Sheba Medical Center» in Israel.
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Science» von einem Forschungsteam unter der Leitung des leitenden GI-Onkologen Ben Boursi, des leitenden Onkologen Gal Markel und des MD-PhD-Studenten Erez Baruch veröffentlicht.
«Derzeit funktioniert die Immuntherapie nur bei 40 bis 50 Prozent der Patienten. Wir gehen davon aus, dass wir mit Hilfe dieser revolutionären Behandlung möglichst viele Patienten von Non-Respondern zu Respondern machen können», sagte er.
Die Forscher führten die Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) bei zehn todkranken Patienten mit metastasiertem Melanom durch, die auf eine Immuntherapie nicht angesprochen und alle anderen bestehenden Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft hatten.
Durch Transplantation und Tabletten
«In der ersten Phase haben wir das bestehende Mikrobiom der Patienten entfernt, danach haben wir Darmmikrobiota von Krebsüberlebenden transplantiert, die ein Melanom hatten, aber gut auf eine Immuntherapie angesprochen hatten und seit mindestens einem Jahr krebsfrei waren», erklärte Boursi.
Zwei Wochen, nachdem das Spender-Mikrobiom per Darmspiegelung eingeführt wurde und die Patienten es vollständig aufgenommen hatten, nahmen sie die Immuntherapie wieder auf. Zusätzlich erhielten sie drei Monate lang geruchs- und geschmacksneutrale Tabletten, die die gleichen Bakterien enthielten.
Bemerkenswerte Ergebnisse
Bei zwei der Studienteilnehmer schrumpften die Tumore erheblich. Bei einem Patienten verschwand der Tumor und ist auch nach mehr als zwei Jahren nicht zurückgekehrt.
«Eine 30-prozentige Reaktion zu sehen, ist wirklich aussergewöhnlich», erklärte Boursi, «wenn man den Endzustand der Teilnehmer und ihre vorherigen gescheiterten Behandlungen bedenkt.»
Vor allem aber sahen Boursi und sein Team Hinweise auf eine verstärkte Immunantwort auf zellulärer Ebene sowie in den Gen-Profilen der drei Patienten, die gut ansprachen.
Boursi glaubt, dass einige der transplantierten Patienten aufgrund von genetischen Veränderungen in ihren Tumoren nicht auf die Immuntherapie ansprachen – was bedeutet, dass das Mikrobiom nicht der einzige Faktor ist, der das Ansprechen auf die Behandlung beeinflussen kann.
Tests werden ausgeweitet
Nun testen Boursi und das Team des in Ramat Gan liegenden Sheba Medical Centers das Verfahren an anderen Melanom-Patienten sowie an Patienten mit Lungenkrebs, einer der häufigsten Todesursachen bei Krebs.
Unabhängig davon, ob die FMT den Erfolg der Immuntherapie beeinflusste oder nicht, hatte sie einen weiteren unerwarteten Vorteil: Während viele der Studienteilnehmer bei ihrer früheren, gescheiterten Runde der Immuntherapie unter schweren Nebenwirkungen gelitten hatten, verursachte die Immuntherapie nach der FMT keinerlei nennenswerte Nebenwirkungen mehr. «Das allein ist schon ein enormer Erfolg», so Boursi. Nun erforscht das Team, ob die Transplantationsbehandlung auch speziell zur Linderung der Nebenwirkungen der Immuntherapie eingesetzt werden könnte.
Erwartet wird, dass die fortgesetzte Laborarbeit helfen wird, jene Krebspatienten zu identifizieren, die am meisten von der FMT-Therapie profitieren, sowie den am besten geeigneten Spender für jeden Patienten zu finden. Sie hoffen auch, den biologischen Weg zu definieren, welcher der Veränderung der Immunreaktion zugrunde liegt.
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Datum: 28.01.2021
Autor: Abigail Klein Leichman / Daniel Gerber
Quelle: United with Israel / Israel21 / gekürzte Übersetzung: Livenet