Wie schreibt man ein 1'000-seitiges Buch über Jesus?
Markus Spieker ist Historiker und Journalist. Der Bestsellerautor war als Korrespondent in Berlin, leitete vier Jahre lang das ARD–Studio in Südasien und arbeitet inzwischen für den MDR Leipzig. In den letzten Jahren veröffentlichte er mehrere umfangreiche Werke wie «Übermorgenland», das 1'000–seitige «Jesus, eine Weltgeschichte» und zum 200. Geburtstag des russischen Dichters «Rock me, Dostojewski» .
Vom Rückblick zum Ausblick
«Übermorgenland» entstand nach vier Jahren Korrespondententätigkeit in Südasien und ist Mahnung und Hoffnungsbuch zugleich (Livenet berichtete). Spieker hält nach seiner Zeit in Neu–Delhi fest: «Das 19. Jahrhundert prägten die Europäer, das 20. die USA, und das 21. Jahrhundert wird am stärksten von den asiatischen Ländern geprägt werden.» Diese Entwicklung sieht er nicht nur mit Sorge, sondern differenziert. Viele Entwicklungen in China zum Beispiel sind positiv zu sehen, doch das Land der Mitte ist weder eine Demokratie, noch hält es sich an westliche Menschenrechtsstandards. Die Vorstellung, dass sich dieses Land durch Handelsbeziehungen verändert und für westliches Denken öffnet, hat sich als blauäugig herausgestellt. So arbeiten viele europäischen Unternehmen daran, weniger zu günstigen Konditionen in China herstellen zu lassen, und sich eine gewisse Unabhängigkeit etwas kosten zu lassen, auch wenn dies ein längerer und teurer Prozess sein wird. Von christlicher Seite spielt es laut Spieker eine wichtige Rolle, «gerade da auch Frieden stiften zu wollen» – selbst wenn der Westen in Zukunft wirtschaftlich nicht mehr das Mass aller Dinge sein sollte.
Mit Blick auf Indien kommt für den Journalisten noch ein anderer Aspekt zum Tragen: die Religiosität mancher asiatischen Staaten, die mit dem säkularen Europa nicht klarkommen. Doch auch diese für uns manchmal rückständig wirkenden Gesellschaften entwickeln sich weiter. Manche ihrer Fehler (wie die Behandlung von Frauen) sind in Europa auch noch nicht oder noch nicht lange überwunden. Spieker unterstreicht: «Ich will nicht alles schönreden, aber ich habe so den Eindruck nach den vier Jahren, das Glas ist doch mehr voll als leer.» Diesen positiven Blickwinkel behält er auch beim Betrachten der menschlichen Religiosität insgesamt bei. Im Jahre 2050 werden zwei Drittel aller Menschen einer der grossen monotheistischen Glaubensrichtungen folgen, dem Islam oder dem Christentum: Weltweit gesehen ist der christliche Glaube gar nicht auf dem absteigenden Ast! Dass diese Fortschritte in Südkorea oder Nigeria nicht unbedingt auf Europa abfärben, kommentiert Spieker: «Ja, Religion ist nichts von gestern, gleichzeitig muss man auch etwas dafür tun, dass sie präsent bleibt.»
Chancen dazu sieht er in erster Linie darin, gewinnend zu leben und zu kommunizieren. Wenn Christen die Themen der Gesellschaft behandeln, einladend sind, statt es nur sein zu wollen, werden sie zu Hoffnungsträgern. Gerade in der Theologie geht es immer wieder darum, den eigenen Glauben an den Fragen anzudocken, die Menschen heute haben, und weil christlicher Glaube Beziehungsreligion ist, kann er nicht statisch bleiben: Gott spricht in die jeweilige Zeit hinein.
Zurück zu den Wurzeln
Vor vielen Jahren wurde Spieker klar, dass das Evangelium nicht aus systematischen Aussagen und ein paar geistlichen Prinzipien bestand. Es ging vielmehr immer um die Person Jesus – und zwar weniger um seine Worte als vielmehr sein Tun. Um das herauszuarbeiten, recherchierte er fast zehn Jahre lang und verfasste schliesslich «Jesus – eineWeltgeschichte». Spieker wollte darin zeigen: «Jesus ist der Botschafter von Gottes Liebe.» Es geht ihm nicht um ein «Ja, aber …», das mit vielen anderen Themen ergänzt wird, sondern darum, diese Liebe neu in den Fokus zu nehmen. «Ich kenne auch keinen, der Jesus nicht gut findet bei aller Kritik, die Menschen manchmal an unserer christlichen Vergangenheit haben.»
Ein 200. Geburtstag
Gerade feierte die Literaturwelt den 200. Geburtstag des russischen Autors Fjodor Dostojewski. Markus Spieker und David Bühne feierten den berühmten Schriftsteller mit ihrem Buch «Rock me, Dostojewsky» und Spieker unterstreicht leidenschaftlich, dass dieser Autor auch heute ein unbedingtes Muss ist. Nicht umsonst bezeichnen viele Philosophen der letzten 100 Jahre ihn als ihren Lieblingsdichter. Als Gründe dafür zählt er folgende auf:
Er hat einen unglaublichen Hang zur Wahrhaftigkeit.
Er liebt die Menschen.
Er hat das, worüber er schreibt, selbst
durchgemacht – Vom Gefängnisaufenthalt bis zum Dasein als Superstar.
Er kann einfach gut erzählen.
Daneben nennt Spieker Dostojewski einen absoluten Jesus–Fan – «mehr geht kaum». Auch wenn sein Ansehen heute unter dem schlechten Image Russlands leidet, wäre es klar: Dostojewski, als Menschenfreund und Verfechter dessen, dass sein Land etwas für die Verbrüderung der Welt tun müsse, wäre sicher nicht für den Ukrainekrieg gewesen.
Drei Bücher – ein Thema
So unterschiedlich die letzten drei Bücher des Journalisten sind, so klar ist es, dass sie sich alle auf ihre Weise mit Jesus Christus beschäftigen und seiner Relevanz auch für unsere heutige Gesellschaft. Alle drei werden gut verkauft, doch, das freut Spieker sichtlich, am erfolgreichsten ist sein «Jesus»–Buch, «was nichts über mich aussagt, sondern einfach darüber, dass die Leute richtig Lust auf Jesus haben».
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Datum: 16.08.2022
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet