Menschen verlassen Kirchen aus Empörung
Der SWR hat in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nach Gründen für den Kirchenaustritt geforscht. Dazu hat der Sender unter ehemaligen Kirchenmitgliedern in den genannten Bundesländern nach den Beweggründen für den Austritt gefragt.
Bei rund 87 Prozent der Befragten hat die Umfrage eine Art Wut auf die Kirche als Institution und deren Personal zutage gefördert. Der Unmut gegenüber den Kirchen hat sich demnach vorwiegend an den öffentlich gewordenen Missbrauchsfällen entzündet. Von den Befragten, die zuvor der Katholischen Kirche angehört hatten, nannten neun von zehn die Missbrauchsfälle als einen Grund für den Austritt. Bei den ehemaligen Protestanten gaben das rund laut SWR-Umfrage zwei Drittel an. Kein anderer Grund wurde häufiger angegeben. Die einstigen Kirchenmitglieder wollen daher die Institution Kirche nicht mehr finanziell unterstützen. Dass das Geld in der eigenen Tasche fehlen könnte, spielte keine Rolle.
Religionssoziologe: «Blockadehaltung vertreibt Gläubige»
80 Prozent der durchschnittlich 31 Jahre alten Befragten gaben bei
der SWR-Umfrage an, nicht religiös zu sein. Sie sehen in einer
Verbindung mit einer Kirche keine Zukunft. Einer der Gründe,
ausgetreten. Ein weiterer Grund: 62 Prozent der Befragten vertraten die
Ansicht, dass die Kirche aus der Zeit gefallen ist. Um wieder in die
Kirche einzutreten, müsse sie «mehr mit der Zeit gehen».
Gert
Pickel, Religions- und Kirchensoziologie an der Universität Leipzig, hat
die Auswertung der nicht repräsentativen Onlinebefragung mit rund 20
Fragen begleitet. Jeder Sechste der Befragten gab an, «ziemlich oder
sehr religiös» zu sein. Pickel sieht in der «Blockadehaltung» Roms einen
Grund dafür, dass die Gläubigen schlicht aus der Kirche vertrieben
würden. Die Umfrage zeige dies deutlich. Rund zwei Drittel der Befragten
nannten die mangelnde Gleichstellung von Mann und Frau in der Kirche
als weiteren Grund für den Austritt.
An der SWR-Datenanalyse vom
April bis Ende August 2022 hatten insgesamt 864 Personen teilgenommen.
Die Personen hatten beim Austritt aus der Kirche auf einem Standesamt
einen Flyer mit einem individualisierten Link erhalten, mit dem sie an
der Befragung teilnehmen und ihre Beweggründe anonym offen legen
konnten. Rund 66 Prozent der Befragten waren vor dem Austritt
katholisch, etwa 34 Prozent evangelisch gewesen.
Dieser Artikel erschien zuerst bei PRO Medienmagazin
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Datum: 29.09.2022
Autor: Norbert Schäfer
Quelle: PRO Medienmagazin