Sie Hirnforscherin – er Hirnverletzter
Ein zunehmendes Taubheitsgefühl im Bein veranlasst den Unternehmensberater David Studer, sich untersuchen zu lassen. Das MRI zeigt zwei Kavernome, eingekapselte Hirnblutungen, eines im Kleinhirn, eines am Hirnstamm. «Wäre es wenige Millimeter grösser gewesen, hätte es meinen Tod verursacht», erklärt David.
Die erste Reaktion des damals 31-Jährigen: «Das stehe ich durch, es wird wieder gut». Er wird sofort auf die Intensivstation verlegt und später operiert. Auch Barbara bleibt zuversichtlich: «Wir packen das!» Sie haben ein gutes Umfeld, werden von Familie und Freunden unterstützt. Und ihre Beziehung zu Gott verleiht ihnen Zuversicht.
Vielfache Herausforderungen
Barbara arbeitete als Dozentin und Forscherin an der Uni Bern und baute daneben das Startup Hirncoach.ch auf. David hatte im Militär und Beruf Karriere gemacht, arbeitete als Unternehmensberater. Das Paar hatte eben ein Haus gekauft und erwartete das zweite Kind. Als Neurowissenschaftlerin weiss Barbara genau, was eine Hirnoperation bedeutet: «Es gibt immer Beeinträchtigungen – auch bleibende.» Und David steht dazu: «Ich bin heute nicht mehr der Gleiche wie vor der OP.» Sein Gleichgewichtssinn hat gelitten. «Ich bin sehr gern Velo gefahren, und es tut weh, wenn mich einer mit seinem Rennvelo überholt», gesteht er.
Aber er ist dankbar, dass er überhaupt noch Velo fahren kann. Seine rechte Körperhälfte ist eingeschränkt, er sieht und hört nicht mehr gleich gut wie vorher. «Ich bin wie ein Handy mit einer schlechten Batterie», erklärt David. Er braucht immer wieder Pausen, um sich zu erholen. Sein Hirn muss ständig kompensieren, das kostet ihn viel Kraft. Sich täglich damit zu arrangieren, sei eine Herausforderung.
Wieder zueinander finden
Doch wie hat sich das Ganze auf ihre Ehe ausgewirkt? «Die Hirnblutung stellte unsere Beziehung auf den Kopf», sind sich die beiden einig. «Wir mussten wieder ein Ja zueinander finden.» Barbara hat Patienten auf der Neuro-Rehabilitation erlebt, deren Persönlichkeit sich stark verändert habe: «Ihr äusseres Erscheinungsbild, die Postur, sie sassen im Rollstuhl.» Dies sei bei David nicht der Fall, das habe ihr die Entscheidung erleichtert. Es gebe Bereiche, die sich verändern lassen, andere müsse man akzeptieren. «Er war nicht mehr der Mann, den ich geheiratet hatte», stellt Barbara klar. «Aber wenn ich wieder ja sage zu ihm, dann muss das gelten!»
Auch die beruflichen Engagements hätten sich verändert. Sie ist weiterhin berufstätig, David verbringt viel Zeit zuhause und in verschiedenen Therapien. Das ist für beide eine Herausforderung. Sie haben nun drei Kinder, und er sagt: «Entscheidend ist, was ich aus diesem neuen, veränderten Leben mache.» Barbara sieht das gleich. Erkenntnisse aus ihrem Forschungsalltag und der praktischen Arbeit als Hirncoach helfen ihr dabei: «Achte auf deine Gedanken – sie verändern deine Gefühle, deine Persönlichkeit und damit deine Realität», betont sie.
Nicht hinunterschauen
«Wer in einer Felswand klettert, schaut nach der nächsten Möglichkeit zum Aufstieg», führt David aus. Wenn er nach dem Eingriff nur auf seine Einschränkungen geschaut hätte, wäre wohl Panik aufgekommen. Aber er schaue vorwärts und mache einen Schritt nach dem anderen.
Seine Frau und er erleben ihr Gottvertrauen als grosse Ressource. «Das befähigt zu vielem, zum Beispiel auch zur Vergebung», erklärt Barbara. Die Beziehung zu Jesus gebe ihr Hoffnung: «Ich glaube an eine Sinnhaftigkeit, Gott hat uns zu einem Zweck geschaffen.» David ergänzt: «Gott meint es gut mit mir, daran habe ich nie gezweifelt.» Seine Situation sei schwierig, aber er fühle sich getragen. Es tut ihm gut, wenn Menschen für ihn beten, er spürt dann, dass Gott bei ihm ist. «Ich habe einen weiteren Horizont als das Leben hier auf Erden.»
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Autor: Mirjam Fisch-Köhler
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