Vonlanthen: Die Landesausstellung Expo.02 schliesst am 20. Oktober ihre Tore. Ihr Fazit? Warum waren Sie gleich dreimal dort? Welches Schweiz-Bild hat Ihnen die Expo vermittelt? Auf welche Schweiz möchten Sie stolz sein? Was möchten Sie als Politiker in diesem Land bewirken? Ein Jahr vor den eidgenössischen Wahlen: Wo steht die Schweizer Politik heute? Warum verliert christliches Gedankengut in der Politik immer mehr an Gewicht? Wie könnten Christen die Politik noch mehr beeinflussen? Was heisst das für die unbekannte Frau Müller: Wie kann sie die Politik positiv beeinflussen? Dann darf Frau Müller nichts mehr kritisieren...? Was soll Frau Müller tun, wenn sie selber aktiv ins politische Geschehen eingreifen möchte? Welcher Partei sollen Christen beitreten? Was sagen Sie einem Christen, der nicht mehr wählen geht, weil Politik ein "schmutziges" und "gottloses" Geschäft sei? Was erwarten Sie als Politiker von der christlichen Gemeinde? Im Juni wurden Sie auch als Präsident des Schweizer Baumeisterverbandes gewählt. Was reizt Sie an diesem einflussreichen Amt? Gleich nach der Wahl haben Sie in Ihrer Grussadresse auf Ihren Glauben an Jesus Christus hingewiesen. Warum dieses Bekenntnis? Wie fielen die Reaktionen aus? Sie sind zudem Präsident des Evangeliums Rundfunk der Schweiz. Wie bringen Sie all Ihre Aufgaben unter einen Hut? Was ist das Wichtigste in Ihrem Leben?
Werner Messmer: Gemischt! Ich war nie begeistert vom Konzept. Trotzdem war ich dreimal dort. Die Expo.02 ist mir zu intellektuell. Ich gehe davon aus, dass der Durchschnittsschweizer nicht dauernd überlegen will, welche Botschaften ihm übermittelt werden sollen. Positiv vermerke ich die faszinierenden, ästhetisch schönen Bauten, die optimal in die Landschaft eingebettet wurden, und auch die allgemein ungezwungene Stimmung auf den einzelnen Arteplages.
Das gehört sich einfach! Die Expo ist unsere Landesausstellung. Ich stand grundsätzlich dahinter, wenn auch kritisch. Ich wollte mir nun selber ein fundiertes Urteil bilden können.
Ich gebe zu, dass ich ein konservativ geprägter Mensch bin. Daher bedaure ich, dass wir den Mut verloren haben, zu unseren traditionellen Werten zu stehen. Die Expo will offensichtlich das Bild der modernen, offenen Schweiz vermitteln. Es ist aber auch die Schweiz, die Mühe hat mit ihrer Identität.
Ich bin dann stolz auf die Schweiz, wenn sich die Bevölkerung mit ihrem Land identifizieren kann. Wenn sich die Menschen in diesem Land geborgen und ernst genommen fühlen.
Vieles! Ein grosses Anliegen ist mir, bewusst zu machen, dass die Schweiz keine Insel mehr ist. Wir sind Bestandteil dieser Welt. Ich möchte auch mithelfen, dass all das Positive in unserem Land ganz neu entdeckt wird. Wir bauschen heute unsere Fehler und Probleme viel zu stark auf. Wer wie bei der neuen Fluggesellschaft Swiss immer nur das Negative hervorhebt, schadet unserem Image und dem Vertrauen der Menschen. Ohne Vertrauen und Toleranz aber gibt es keine Solidarität. Ich kämpfe aber auch gegen die Radikalisierung in der politischen Landschaft. Es darf nicht sein, dass diejenigen noch beklatscht werden, die andere öffentlich beschimpfen.
Die politische Unruhe wächst! Auffallend ist, dass immer mehr auch so genannte staatsbewusste Politiker bereit sind, das Gesamtwohl für eigene Interessen in Frage zu stellen. Auffallend ist auch die zunehmende Tendenz, anders Denkende verbal zu diskriminieren, so als hätte man selber die politische Wahrheit gepachtet.
Man kann diesen Eindruck bekommen, weil oftmals Einzelpersonen in exponierten Stellungen ethische Grundwerte vermissen lassen. Andrerseits stelle ich auch fest, dass in unserer Politik der Wunsch nach mehr Ethik absolut vorhanden ist. Auch Politiker, die nicht an Gott glauben, merken, dass eine ethische Haltung Vertrauen schafft. So versucht man durchaus, die ethischen Defizite zu füllen. Doch wird diese Ethik heute leider überall gesucht, nur nicht im christlichen Glauben.
Die Frage ist gefährlich! Beeinflussung kann mit verschiedenen Mitteln geschehen. Von Christen ist in erster Linie die eigene Glaubwürdigkeit gefragt. Wenn Menschen wirklich von Christus geprägt sind und ganz selbstverständlich glaubwürdig leben, wirkt sich das auch in der Politik aus.
Indem sie überall dort, wo sie Menschen trifft, nicht ins gleiche Horn bläst und nicht alles mies macht und kritisiert. Die gläubige Frau Müller wird konsequent Optimismus und Hoffnung ausstrahlen. Das wird andere Menschen nicht unberührt lassen, auch Politiker nicht.
Christen müssen ihren kritischen Geist keineswegs verstecken! Denn sie sollen ja auf Veränderungen hin wirken und Unrecht und fragwürdige Trends beim Namen nennen. Aber sie werden das immer aus einem positiven Geist heraus tun.
Dann schlage ich ihr vor, dass sie in einer politischen Partei mitmacht. Parteien bilden die Basis des politischen Lebens und sind für unsere Demokratie unverzichtbar. Hier kann sie gefördert werden. Dann soll sie sich überlegen, wo sie sich im Dorf engagieren möchte, sei es in einer Schulbehörde, einer Kommission oder einem Komitee für eine örtliche Veranstaltung. Daraus wird dann auch ersichtlich, wo ihre Gaben für ein öffentliches Engagement liegen.
Da soll sich jeder Christ frei fühlen. Er soll die Partei wählen, in der er sich wohl fühlt, mit der er sich am besten identifizieren kann und die wirklich das Allgemeinwohl vertritt.
Diesen Christen würde ich fragen, ob er sich noch wohl fühlt in unserem auch nicht mehr so "sauberen" Land. Vielleicht müsste er sich auch aus der Firma und allen gesellschaftlichen Kreisen zurückziehen. Doch das kann nie die Lösung sein! Rückzug ist immer ein Zeichen von Resignation oder verletztem Stolz, aber nie das Markenzeichen eines Christen. Rückzug ist nur dann denkbar, wenn ich zu einer Haltung gezwungen werde, mit der ich mich nicht identifizieren kann.
Ihre zentrale Aufgabe ist es nach wie vor, das Evangelium in unserer Gesellschaft zu verbreiten, und nicht zu politisieren. Doch ich wünschte mir, dass die Gemeinde zum Beispiel in sozialen Fragen klarer Position bezieht. Soziale Sicherheit basiert immer auf Leistung und Arbeit. Wichtiger aber ist, dass der einzelne Christ glaubwürdig lebt. Er soll sich auch dafür interessieren, was in der Politik und der Gesellschaft vor sich geht.
Der Verband steckt in einer Krise. Es gibt starke Spannungen zwischen grossen und kleinen Unternehmungen, auch zwischen blühenden und darbenden Regionen. Da möchte ich mithelfen, wieder eine Einheit und gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.
Wer nicht weiss, dass ich gläubiger Christ bin, soll es hören. Das mussten gleich alle 1200 anwesenden Leute wissen! Und angesichts der grossen Erwartungshaltung wollte ich auf meine Begrenztheit hinweisen. Wenn ich es schaffe, dann nur mit Gottes Hilfe. Bewusst nahm ich meine Frau mit nach vorn, um deutlich zu machen, wie wichtig mir auch die Basis der gesunden Familie ist.
Erstaunlich! Noch selten habe ich in unserem Verband an einem Abend so viele Christen kennen gelernt. Es war gewaltig, wie viele Leute auf mich zukamen und sagten, sie wollten für mich beten. Viele dankten mir auch für mein Bekenntnis. Gott bestätigt das natürliche Zeugnis immer wieder.
Das Geheimnis liegt darin, dass ich mit kompetenten Leuten zusammenarbeite, in die ich völliges Vertrauen haben kann. Ich brauche mich selber nur auf die wichtigen und kritischen Punkte zu konzentrieren. Und durch den Glauben gibt mir Gott die Kraft für meinen Alltag. Gott löst mich auch vom Druck, Erfolg haben zu müssen. Das liegt in seiner Hand. Darum kann ich mich an jedem Abend und jedem Wochenende völlig entspannen.
Ich denke gerne an die leuchtenden Augen meiner Kinder zurück, wenn sie etwas Besonderes bekommen haben. An dieser Grundhaltung möchte ich festhalten: Durch meinen Einsatz sollen andere Menschen Mut und Hoffnung für die Zukunft bekommen.
Datum: 02.10.2002
Quelle: Chrischona Magazin