Umgang mit Vielfalt
Der Saal des reformierten Kirchgemeindehauses in Pfäffikon ZH war am Mittwochabend gut besetzt. 53 Personen diskutierten, wie sie mit der Vielfalt ihrer Herkunftsgemeinden am Kirchentag umgehen wollen. Marcus Maitland, Pfarrer von Hittnau, Dekan und Coach, zeigte in seinem Referat auf, was unter «Generous Orthodoxy», der «grosszügigen rechten Lehre», verstanden wird.
Der Begriff sei vom Bibelwissenschaftler Hans William Frei so ausgelegt worden: «Meinungsunterschiede bestehen nicht zwischen den Denominationen, sondern zwischen Evangelikalen und Liberalen.» In dieser Auseinandersetzung soll «Generous Orthodoxy» wirksam werden. Der Anglikaner Graham Tomlin sehe sich mit ähnlichen Spannungen konfrontiert. Er lege daher Wert darauf, dass die Studenten des St. Mellitus College in Kensington verschiedenste Formen des Gottesdienstes kennenlernen. Sie sollen so lernen, offener zu werden in ihrer Wahrnehmung der anderen theologischen Grundhaltung, erklärte Maitland.
Auf andere zugehen
Auch Ralph Kunz, Professor für praktische Theologie an der Universität Zürich, plädiere dafür, «Generous Othodoxy als eine konziliante Theologie zu übersetzen, führte Maitland weiter aus. «Das heisst, man geht aufeinander zu.» «Generous» bedeute, eine grosszügige innere Haltung anderen Ansichten gegenüber zu zeigen, ohne dabei beliebig zu werden. «Wenn Gott grosszügig ist, wieso sollten wir es nicht auch sein?», fragte er rhetorisch. «Grosszügigkeit in der Lehre ermöglicht Weite: sich einbringen, aber nicht recht haben müssen.»
Psychologische Aspekte gelte es dabei auch zu berücksichtigen. Die unbewussten Aspekte wirkten im Dialog zu «Generous Orthodoxy» immer mit. «Wie bei einem Eisberg, ist im Dialog nur ein kleiner Teil der Auseinandersetzung sichtbar.» Vieles spiele unter der Oberfläche mit, wenn ein gemeinsamer Nenner gesucht werde. Dem müsse Beachtung geschenkt werden.
Verständlich bleiben
Danach wandte man sich den Workshops zu. Eine Frage lautete, ob das apostolische Glaubensbekenntnis Grundlage für «Generous Orthodoxy» gebraucht werden kann und als Grundlage auch für den Kirchentag und die gemeinsamen Auftritte gelten solle.
In der Antwortrunde brachte Daniel Meier, Präsident der Kirchenpflege Bäretswil, die Meinung vieler auf den Punkt: «Wenn wir dazu nicht stehen, was für eine Grundlage haben wir dann? Jesus ist die Grundlage – darauf können wir uns einigen.» Für die reformierte Landeskirche des Kantons Zürich gehöre dieses Bekenntnis nicht verbindlich zur Mitgliedschaft. Sie lehne sich daran an, sehe sich als bekenntnisfrei, aber nicht bekenntnislos, erklärte einer der Teilnehmenden. Niemand sei verpflichtet, es zu anerkennen, trotzdem könne man Mitglied sein. Als Moderator Pfarrer Matthias Walder Meinungen einholte, war ein Wunsch deutlich vernehmbar: Für die Verantwortlichen der teilnehmenden Gemeinden soll es die gemeinsame Grundlage für den Kirchentag bilden.
Grosse Vorfreude
Der erste Kirchentag wurde 2018 in Wetzikon durchgeführt. Er ist offenbar bei vielen in guter Erinnerung. Chorkonzerte und andere musikalische Highlights, Referate, Plenarrunden, eine Ausstellung Kunstschaffender und der Marktplatz, auf dem sich viele christliche Organisationen vorstellten, gehörten dazu. Die lebhaften Diskussionen an den Tischen lassen vermuten, dass auch der nächste von vielen Freiwilligen mit grosser Vorfreude angepackt wird.
Elsbeth Czaderski erklärte, die Gemeinschaft so vieler Gläubiger zu erleben, habe sie zeitweilig zu Tränen gerührt. Sie schätze es sehr, dass in ihrem Dorf die reformierte, katholische und Viva-Kirche Anlässe gemeinsam durchführten und die Christen der verschiedenen Gemeinden einander dabei unterstützten. So finden zum Beispien Frauenfrühstückstreffen oder Anlässe für Senioren abwechselnd in den verschiedenen Gemeinden von Gossau statt. Am Kirchentag Wetzikon habe sie das in noch viel grösserem Rahmen miterlebt: «Für mich war das ein Stück Himmel auf Erden. Ich freue mich riesig auf den nächsten!»
Zur Webseite
Kirchentag 2023
Zum Thema:
Ladina Spiess: «Ich sehe Jesus als 'Sinn'fluencer»
Kirchentag Züri Oberland: Wird die Kirche überhaupt noch gehört?
Evangelischer Kirchentag in Berlin: Politiker verhelfen christlicher Veranstaltung zu Aufmerksamkeit
Datum: 13.02.2023
Autor:
Mirjam Fisch-Köhler
Quelle:
Livenet