Tod auf Knopfdruck

SEA warnt vor Erosion der Lebensheiligkeit

Die SEA äussert ihre Meinung zur Sterbehilfe.
Die Sterbekaspel polarisiert. Auf Knopfdruck sollen Menschen im «Sarco» aus dem Leben scheiden können. Bei Livenet nimmt die Schweizerische Evangelische Allianz (SEA) Stellung zu den ethischen und theologischen Bedenken.

Die Vorstellung, dass der Tod auf Knopfdruck möglich ist, wirft zahlreiche ethische und theologische Fragen auf. Die umstrittene Sterbekapsel soll den assistierten Suizid erleichtern.

Wie dies aus christlicher Sicht einzuordnen ist, erklären Andi Bachmann-Roth, Co-Generalsekretär der Schweizerischen Evangelischen Allianz und SEA-Kommunikationschefin Daniela Baumann im Hintergrund-Interview mit Livenet.

Wie vereinbart sich das Konzept der Sterbekapsel mit der christlichen Vorstellung von der Heiligkeit des Lebens aus Sicht der SEA?

Andi Bachmann-Roth: Die Vorstellung, dass das Leben etwas geschenktes, heiliges und unverfügbares ist, errodiert mit der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft. Die Sterbekapsel stellt einen weiteren Schritt in dieser Entwicklung dar. Als Allianz haben wir daher Protest gegen dieses «sterben auf Knopfdruck» eingelegt. An der Suizidkapsel beziehungsweise an der Organisation dahinter irritiert uns insbesondere die Haltung, dass die Kontrolle über den eigenen Tod ein fundamentales Menschenrecht sei. Für uns ist der Mensch der Verwalter und nicht der Besitzer des Lebens: Das Leben ist ein Geschenk von Gott und der Mensch hat kein Verfügungsrecht darüber.

Welche ethischen Bedenken hat die SEA in Bezug auf den Einsatz von Technologie zur Unterstützung des assistierten Suizids?

Daniela Baumann: Unabhängig der gewählten Methode lehnen wir jede Form des assistierten Suizids ab. Das haben wir in unserem Orientierungspapier aus dem Jahr 2009 auch so festgehalten. Was uns an der technischen Lösung der Sterbekapsel neben der oben bereits erwähnten Aspekte problematisch erscheint, ist das einsame Sterben. Da steigt ein Mensch in eine geschlossene Kapsel. Abgeschottet von der Aussenwelt drückt die sterbewillige Person einen Knopf und erstickt durch den einfliessenden Stickstoff. Dieses Sterben in dieser Kapsel wird so zu einem einsamen Prozess. Der Mensch ist ein gemeinschaftliches Wesen. Von der Geburt bis zum Tod sind wir eingebettet in Gemeinschaft und werden gehalten von Menschen, die uns Lieben, umsorgen und nahestehen. Dieses isolierte Sterben in einer Kapsel verunmöglicht im schweren Moment des Todes diese Gemeinschaft. Die Paliativmedizin eröffnet hier viel hoffnungsvollere Perspektiven.

Glauben Sie, dass die Verfügbarkeit der Sterbekapsel den gesellschaftlichen Druck auf verletzliche Gruppen erhöhen könnte, den assistierten Suizid zu wählen?

Andi Bachmann-Roth: Ja. Und das ist ein wichtiger Aspekt im Gespräch mit Menschen, welche die christliche Weltanschauung nicht teilen. Denn die Unverfügbarkeit und Heiligkeit des Lebens erschliesst sich ja nur aus einer spezifisch christlichen Perspektive. Die Folgen einer Weltsicht, in der Sterben auf Knopfdruck normal wird, können auch aus nicht-christlicher Sicht kritisch beurteilt werden: Wann ist ein Menschenleben lebenswert? Wenn wir jung, gesund und leistungsfähig sind? Oder auch im Alter, mit Krankheiten oder Behinderungen? Christen haben immer wieder insistiert, dass der Wert des Lebens nicht von diesen äusseren Faktoren abhängt. Jedes Leben ist wertvoll und hat würde – und zwar weil uns dieses Leben von Gott geschenkt wurde. Auch wenn das die Initiatoren der Sterbekapsel so sicher nicht beabsichtigen: Ich bin der Meinung, dass durch solche Erfindungen der Druck auf das unperfekte, kranke und betagte Leben weiter steigt.

Wie sieht die SEA die Beziehung zwischen dem menschlichen Willen und dem göttlichen Plan in Bezug auf das Lebensende?

Daniela Baumann: Damit wird ein wichtiges Thema angesprochen. Auch wenn eine Sterbekapsel verboten bleibt, ist das grundlegende Problem ja noch lange nicht gelöst. Nämlich dass da Menschen unter uns sind, die nicht mehr leben wollen. Und Lebenswille kann man weder befehle noch gesetzlich verordnen. Diese Lebensmüdigkeit sollten wir auch nicht vorschnell wegwischen. Das ist eine reale Empfindung von Menschen, die häufig sehr grosses Leid erfahren. Was haben wir Christen über moralische Appelle hinaus diesen Menschen zu bieten?

Inwiefern könnte die Einführung der Sterbekapsel die Ansichten über Altenpflege und Sterbebegleitung verändern?

Andi Bachmann-Roth: Wir gehen davon aus, dass die Sterbekapsel zumindest voraus nicht eingeführt wird. Dafür sind die Hürden und Widerstände noch zu gross. Ich kann persönlich schwer vorstellen, dass in einem Altersheim künftig eine Sterbekapsel steht. Wir müssen jedoch wissen, dass Institutionen bereits jetzt Sterbehilfe in ihren Häusern zulassen müssen. Die Heilsarmee, welche auch Alters- und Pflegeheime führt, ist 2017 vor dem Bundesgericht unterlegen. Sie müssen begleiteten Suizid in ihrer Institution dulden.

Die SEA ist täglich in Kontakt mit christlichen Gemeinden und Werken – welcher Tenor herrscht da bezüglich der Sterbekapsel?

Andi Bachmann-Roth: Die Haltung im SEA-Netzwerk ist klar ablehnend. Einige Kirchen äussern sich zur Sterbehilfe auch offener.

Wie können christliche Gemeinden Menschen (bereits jetzt) unterstützen, die mit der Entscheidung für oder gegen den assistierten Suizid ringen?

Daniela Baumann: Dies kommt auf die Art des Leidens einer Person an. Wenn es um eine unheilbare Krankheit geht, können durch Palliative Care die Beschwerden gelindert werden. Aber auch psychologische und seelsorgerliche Begleitung und Beistand, Verständnis und Mitgefühl können dazu beitragen, dass eine Person mit ihrem Leiden besser umgehen und im besten Fall Lebenssinn/-freude wiedergewinnen kann.

Könnte durch die Sterbekapsel-Diskussion in der Schweiz – generell wie auch in christlichen Gemeinden – wieder mehr über den Tod und das ewige Leben gesprochen werden?

Daniela Baumann: Als Christen können wir die Chance nutzen, indem wir uns nicht nur gegen den Einsatz von Sarco aussprechen, sondern erklären, dass und weshalb wir für das Leben sind: Weil das Leben eine Gabe Gottes ist; weil Gott jedem Menschen als sein Ebenbild unverlierbare und unantastbare Würde gibt und ihn unabhängig von Krankheit, Behinderung oder sonstigen Leiden liebt.

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Datum: 20.08.2024
Autor: Daniel Gerber
Quelle: Livenet

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