Livenet-Talk mit Willi Näf

«Seit ich tot bin, kann ich damit leben»

Willi Näf im Livenet-Talk
Im Livenet-Talk teilt der Journalist Willi Näf seine Gedanken zu seinem neuesten Buch. Seine oft unkonventionellen und zuweilen provokativen Gedanken sind eine Inspiration.

Willi Näf ist Journalist, Satiriker und Kolumnist. Sein neustes Buch «Seit ich tot bin, kann ich damit leben» weckt schon mit dem Titel Interesse. Im Livenet-Talk schildert er Inhalte und gibt Einblicke in seine Gedanken und sein Leben. Am Ende des Talks geht es um Willis Lieblingsfilm «Don Camillo» und die oft unterschätzte Fähigkeit vieler Christen, Provokation einzuordnen und sich selbst Gedanken zu machen.

Ein Geistschreiber

Auf Willis Visitenkarte steht unter anderem «Geistschreiber». «Ich will geistreich schreiben», erklärt Willi den Begriff. «Zudem schreibe ich auch als Ghostwriter für Redner oder Leute aus der Politik.» Im Talk erzählt Willi, wie er dazu kam, die Biografie von Anton Mosimann zu schreiben. Die Zusammenarbeit sei äusserst erfolgreich gewesen. «Im Laufe der Arbeit öffnete er sich immer mehr und offenbarte sehr persönliche Dinge, zum Beispiel den als Kind erlebten Missbrauch. Als Journalist kannst du nicht erwarten, dass dir jemand ein solches Vertrauen entgegenbringt.»

Wer ist eigentlich Willi Näf?

Aufgewachsen ist Willi als Bauernsohn im Appenzellerland. Schon als Junge träumte er davon, zu schreiben. Er liebte es, Aufsätze zu schreiben und konnte es auch gut. Seine Fähigkeiten und Neigungen hätten ihm schon früh den Weg zum Schreiberling weisen können. «Wenn du als Appenzeller Bauernjunge aufwächst, sagst du deinem Vater aber nicht einfach: Ich will Journalist werden.» So habe er sich für den Beruf des Kochs entschieden. «Schon während der Lehre merkte ich, dass dies eine coole Sache ist, ich aber doch etwas anderes tun wollte.» So sagte er am Tag der Abschlussprüfung, dass dies sein letzter Tag in der Küche sei. «Trotzdem arbeitete ich dann noch zwei Monate als Koch.»

Nach der Rekrutenschule machte Willi ein Praktikum in einem kleinen Pressebüro und kam daraufhin zum Lokalradio. Im Laufe der Jahre entwickelte sich dann seine Selbständigkeit als Autor. Er schrieb für christliche und säkulare Publikationen. Publizistisch bewegt sich Willi heute in Medien wie der NZZ am Sonntag und SRF. In seinen Texten finden sich aber immer wieder biblische Bezüge.

«Seit ich tot bin, kann ich damit leben»

Das Buch «Seit ich tot bin, kann ich damit leben» beinhaltet fiktive Gespräche mit bereits verstorbenen Persönlichkeiten. «2004 hatte ich ein Porträt über Winston Churchill geschrieben», beginnt Willi die Entstehungsgeschichte des Buches zu erzählen. Vom Ergebnis war Willi damals nicht überzeugt und fragte sich, wie die Geschichten zu neuem Leben erweckt werden könnte. Er hatte dann die Idee, Aussagen von Churchill als Antworten auf Fragen zu verwenden, die er dazwischen anbringen würde. «So ergibt sich ein Gesprächsverlauf und eine Gesprächsdynamik.» Diese Idee liess sich gut umsetzen.

«Da hatte ich die Idee, eines Tages ein Buch mit fiktiven Interviews mit verschiedenen verstorbenen Persönlichkeiten zu machen.» Nachdem er jahrelang keine Zeit für das Projekt fand, organisierte Andreas Malessa, welcher von der Idee angetan war, für Willi einen Buchvertrag. «So musste ich schreiben.»

Der Wahrheitsgehalt war ihm wichtig. Deshalb recherchierte Willi gründlich und durchkämmte tausende von Seiten. Die Persönlichkeiten stellt er jeweils mit einem Lebenslauf vor und leitet dann zum fiktiven Interview über. Aus Respekt diesen Figuren gegenüber wollte er sie möglichst präzise wiedergeben.

Lutz Baumgartner und Dietrich Bonhoeffer

Willi Näf scheut sich nicht, das Leben von Lutz Baumgartner, welcher für die Hinrichtung Dietrich Bonhoeffers verantwortlich war, unter die Lupe zu nehmen. «Bonhoeffer finde ich eine starke Geschichte, doch über ihn weiss man schon viel.» Deshalb wählte er den Weg, die Geschichte über eine Nebenfigur zu beschreiben. Entsprechend habe er auch die Geschichte von Donald Trump über dessen Grossmutter erschlossen.

«Da Bonhoeffer hingerichtet wurde, entschied ich mich für die Person, welche dafür verantwortlich gewesen ist. Das ist natürlich ein Spannungsfeld. Der Mensch, der für das Leben steht, begegnet dem Menschen, der für den Tod steht.» Die Recherche über Baumgartner war nicht einfach, da über ihn nicht viel geschrieben worden ist. 1945 sei Baumgartner verschollen, niemand weiss, was mit ihm passiert ist. Wurde er ermordet oder hat er sich, wie viele Nazis, nach Südamerika abgesetzt? «Ich brauchte relativ viel Fantasie, um diese Geschichte weiter zu schreiben.» In allem versuchte Willi, die Figuren so reden zu lassen, wie er glaubt, dass sie gedacht haben.

Die Lektion aus der Geschichte

Es ging darum, die Spannung zwischen dem Opfer (Bonhoeffer) und einem Vertreter des bösen Systems der Nazis (Baumgartner) darzustellen. Wie würden sich die beiden im Jenseits begegnen? Wie geht Baumgartner mit seiner Schuld um?

«Aus heutiger Sicht zurückzuschauen und zu verurteilen, ist bequem und simpel», hält Willi fest. «Wir wissen aber nicht, wie wir in der damaligen Situation reagiert und wie wir uns entwickelt hätten.» Das Buch ruft zu Demut auf.

Indem er Baumgartner und Bonhoeffer nebeneinanderstellt, versucht Willi zu erklären, dass man den Täter nicht leichtfertig verurteilen kann. Baumgartner durchlebte eine katastrophale Kindheit und sei dann dem System der Nazis auf den Leim gegangen. «Diese verstanden es, seine negativen Seiten – die jeder Mensch in sich trägt – zu triggern. Sie gaben ihm Machtgefühle, die ihn aus der Machtlosigkeit seiner Kindheit herausholten. Mit Lust an der Macht begann er diese auszuspielen.» Damit könne man natürlich nicht alles entschuldigen, doch die Kindheit erkläre vieles.

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Zum Buch:
Seit ich tot bin, kann ich damit leben

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Datum: 14.07.2023
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet

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