Deutsche Baptisten diskutieren über Homosexualität
Vor der Tagung Ende Mai hatten 80 Pastoren in einer Erklärung unter dem Motto «Unser Ja zu Gottes Ebenbild als Mann und Frau» festgehalten, dass Homosexualität in der Heiligen Schrift keinerlei Wertschätzung finde und stets als Sünde bezeichnet werde. Christen mit homosexuellen Neigungen werden aufgefordert, sexuell enthaltsam zu leben. Zugleich stellen die Unterzeichner – darunter sind die drei früheren Bundesdirektoren Gerd Rudzio, Eckhard Schaefer und Manfred Sult – einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel fest: «Programmatisch wird der Heterosexualität die Homosexualität als gleichwertig zur Seite gestellt, Ehe und Familie werden umdefiniert, während jede Infragestellung davon als Diskriminierung und Homophobie bezeichnet wird.» Zugleich bekräftigen die Autoren, dass die Bibel jedem Menschen eine gleiche, unveräusserliche und unverlierbare Würde zuspreche. Darum lehne man jede Diskriminierung ab.
Keine Abstimmung darüber, ob Homosexualität Sünde ist
Der Präsident der Freikirche, Hartmut Riemenschneider, bestätigte den Eingang der Erklärung. Er ging aber nicht auf den Inhalt ein. Auslöser für die Debatte über die Homosexualität auf der Tagung war ein Offener Brief des Präsidiums vom Februar 2013. Darin hatte sich das Leitungsgremium der Freikirche für die ehrenamtliche Mitarbeit homosexuell lebender Mitglieder in der Gemeinde ausgesprochen, aber praktizierte Homosexualität unter Geistlichen abgelehnt. Dies hatte Riemenschneider zufolge zu zahlreichen Rückmeldungen geführt. In einem Antrag forderte die über 300 Mitglieder zählende Baptistengemeinde Stadtoldendorf (bei Göttingen) festzuhalten, dass «Homosexualität nach Massgabe des Wortes Gottes Sünde ist» und praktizierte Homosexualität im Gemeindeleben keinen Platz haben dürfe.
Der Antrag wurde in Kassel nicht zur Abstimmung zugelassen. Es stehe einem Gemeindebund nicht zu, darüber zu entscheiden, was Sünde sei, hiess es zu Begründung. Abgelehnt wurden auch die Anträge der Gemeinde Korbach, den Offenen Brief des Präsidiums von der Internetseite des Bundes zu entfernen und im Internet ein Forum für Pastoren und Gemeindeleiter zum «Umgang mit Homosexualität in Gemeinden und Bund» zu eröffnen. Wie Gemeindepastor Detlef Kapteina erläuterte, sollte ein solches Forum «eine grössere Breite an Inhalten und Gesichtspunkten» ermöglichen.
Rust: «Wir haben kein Regelwerk»
Bei der Bundeskonferenz berichteten drei bekannte Pastoren der Freikirche über ihre Erfahrungen im Umgang mit homosexuellen Christen. Der Leiter der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest, Horst Afflerbach (Bergneustadt), erklärte, dass das Evangelium Kategorien wie liberal oder konservativ sprenge. Nötig sei, auch Homosexuellen die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes zu vermitteln. Pastor Heinrich-Christian Rust, der in der mit über 1'000 Mitgliedern grössten Baptistengemeinde der Freikirche amtiert, meinte, das Thema Homosexualität könne man nicht nur theoretisch mit der aufgeschlagenen Bibel behandeln. Wenn Sexualität zur Schöpfung gehöre, sei zu fragen, wie man von homosexuellen Christen erwarten könne, enthaltsam zu leben. In seiner Gemeinde gebe es kein Regelwerk zum Umgang mit Homosexuellen.
Der Pastor der Baptistengemeinde Berlin-Schöneberg, Michael Noss, erklärte, dass seine über 600 Mitglieder zählende Gemeinde unter dem Motto «Bei Gott sind alle willkommen. Alle.» arbeite. Dies habe dazu geführt, dass viele Homosexuelle sich der Gemeinde angeschlossen hätten. Auch in der Gemeindeleitung arbeite ein Homosexueller mit. Die Frage, ob man homosexuelle Paare segne, habe sich bisher nicht gestellt. In der Aussprache wurde deutlich, dass es unter den 570 Delegierten eine grosse Bandbreite an Überzeugungen gibt. Sie reiche von der Segnung homosexueller Paare bis zur strikten Abgrenzung von homosexuellen Praktiken.
Datum: 06.06.2014
Quelle: idea