Medienkritik

Der andere Planet der NZZ

An einer Exkursion zu Geologie und Flora der Alpen beteiligten sich auch ein Journalist und ein Fotograf der NZZ. Ihr Bericht fiel so aus, dass man sich fragen muss, ob sie wirklich d
Der Bericht in der NZZ
Martin Ernst

asselbe gehört haben wie der Rest der Gruppe.Die Stimmung unter den dreissig Personen auf dem Stockhorn war heiter und gelassen. Sie waren bei schönstem Herbstwetter mit der Bahn auf den Gipfel gefahren, um an einer Exkursion der christlichen Studiengemeinschaft Wort und Wissen (W+W) teilzunehmen. Die Wanderung hinunter zur Mittelstation sollte unter Leitung des Geologen Martin Ernst den Blick schärfen für die vielfältigen Prozesse bei der Entstehung der Alpen. Zudem wollte Reinhard Junker, der Geschäftsführer von W+W, die «Handschrift Gottes» auch in der Botanik aufzeigen. Begleitet wurde die Gruppe zudem von NZZ-Redaktor Simon Hehli und seinem Fotografen.

Wenn die renommierte Schweizer Zeitung einen Anlass auf dem Radar hat, stellt dies ja gleichsam den Ritterschlag des medialen Interesses dar. Doch was hatte die NZZ bloss veranlasst, sich dieser bescheidenen Wanderung mit dem Flair eines Familienausflugs anzuschliessen? Zwei Wochen später klärte sich die Frage, als das Zürcher Meinungsblatt auf zwei Seien eine grosse, bebilderte Reportage präsentierte.

Mediale Tiefschläge

Unter dem Titel «Auf einem anderen Planeten» warf Simon Hehli den beiden nüchternen Expeditionsleitern vor, sie sammelten vermeintliche Belege für eine ganz junge Welt gemäss der Bibel und gerieten damit in Konflikt mit der Wissenschaft. Der Journalist rückte sie und ihr Institut in die Nähe jener Blindgläubigen, welche die Erde noch immer als Scheibe sehen, und zog Parallelen zu den «Klimaleugnern». Er brachte zudem evangelikale Extrempositionen ins Spiel, etwa jene, wonach der biblische Gott die Welt in 144 Stunden erschaffen habe. Alles Etikettierungen also, welche als kapitale Tiefschläge normalerweise selbst seriöse Wissenschaftler in den moralischen und beruflichen Bankrott führen.

Doch dies war auf der Exkursion gar nicht das beherrschende Thema. Sondern es ging um wissenschaftliche Methodik, um Sammlung und Interpretation von Fakten, um die sorgfältige Diskussion von Alternativen zur Zufallmechanik der Evolution aus der Optik des Kreationismus. Dabei konnten und sollten manche Fragen offenbleiben. Doch der Bericht der NZZ wollte einen ganz anderen Eindruck vermitteln: dass nämlich die Kreationisten schon vorweg im Abseits stehen, weil sie notorische Fundamentalisten sind. Diese pauschale Deklassierung mache eine ernsthafte Debatte über ihre Positionen überflüssig, denn solche Forscher könnte man bestenfalls noch bemitleiden.

Was die Qualität ihres Journalismus betrifft, stammte die NZZ, die altehrwürdige Dame, während langer Zeit gleichsam von einem anderen Planeten. Diese Sonderstellung am «Zeitungshimmel» begründete ihren weltweiten Ruf. Geht diese Phase zu Ende? Schrumpft die journalistische «Marke» aus Zürich zum blossen Durchschnittsblatt? Diesen Eindruck gewann man in jüngerer Zeit unter anderem bei Themen des christlichen Glaubens. Die NZZ sieht sich bekanntlich seit jeher dem Liberalimus verpflichtet; also einer offenen Gesprächskultur im weiten Horizont der Aufklärung. Mit seinem nahen Bezug zur Freiheit steht der Liberalismus für Toleranz im Austausch von Ideologien und Meinungen. Er steht aber auch für den Mut, eine individuelle Position zu verfechten, welche sich vom herrschenden Mainstream und von allem Anpassertum abgrenzt.

Verlust an Niveau

Ausgerechnet in Fragen jener Religion, welche die eigene Kultur entscheidend geprägt hat, scheint dies der NZZ zunehmend schwerzufallen. Der gesellschaftliche Mainstream hat zum christlichen Glauben wenig bis nichts mehr zu sagen. Und wenn er sich dazu einmal äussern will, sucht er den «Skandal». Er findet ihn dann etwa bei christlichen Forschern in ihrer angeblichen Wissenschaftsfeindlichkeit. Dieses Verdikt trifft heute ausnahmslos jeden, der es wagt, Kritik zu üben an der Evolutionslehre – dem unantastbaren Glaubensdogma der Moderne. Das ist nichts anderes als ein Denkverbot im Namen der Wissenschaft.

Die Reportage der NZZ über die Exkursion aufs Stockhorn liegt ganz auf dieser Linie. Sie bietet dort nicht viel anderes, als was man auch vom Boulevard kennt. Nämlich Verbreitung von Vorurteilen aus einseitiger Faktenlage, Schwarz-Weiss-Optik statt Differenzierung, Pauschalisierungen statt Präzisierungen, Fixierung des Gegenübers auf dessen Extrempositionen. Und ausgerechnet ein atheistischer Fundamentalist der härtesten der Sorte, der prominente Evolutionist Richard Dawkins, wird dabei für die liberale NZZ zu einem Kronzeugen gegen die angeblich fundamentalistischen Kreationisten. Jener Dawkins also, der das Christentum als bösartigen Virus diffamiert und sich jeder Debatte mit Andersdenkenden verweigert.

Kürzlich hielt John Lennox, emeritierter Professor für Mathematik an der Universität Oxford, an der ETH Zürich vor Tausend Zuhörern einen brillianten, scharfsinnigen Vortrag aus christlicher Perspektive zum Verhältnis von Glauben und Wissenschaft. Die NZZ erachtete diesen herausragenden Anlass nicht als berichtenswert, hob sich also auch darin nicht mehr vom Heer der säkularen Medien ab.

Über den Autor

Jürg Nef (67) war bis zur Pensionierung über 30 Jahre als Unternehmensanwalt im Schadendienst der Allianz Suisse tätig. Daneben war er u.a. freier Mitarbeiter der NZZ für Rechtsfragen im Alpinismus und verfasst weiterhin Fachartikel für juristische Zeitschriften.

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Datum: 06.11.2019
Autor: Jürg Nef
Quelle: idea Schweiz

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