Meisner äusserte sich auch zu der Frage, ob die CDU/CSU für Christen überhaupt noch wählbar ist: “Mit seiner Entscheidung mag Dr. Stoiber ‚mitten in der Gesellschaft’ angekommen sein, wie er gesagt haben soll. Die Kalkulation, dass Christen wegen des ‚C’ ohnehin die Unionsparteien wählen werden – gleichgültig, was man ihnen zumutet –, mag sich allerdings dennoch auch wahltaktisch als schwerer Fehler herausstellen. Für viele Christen ist das Verhalten von Dr. Stoiber skandalös.” Besonders entlarvend sei die Begründung Stoibers, die Nominierung von Frau Reiche zeige nun, dass die CDU/CSU keine “rückwärtsgewandte Ehe- und Familienpolitik” betreibe. In den Augen des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten sei die christliche Eheauffassung demnach “rückwärtsgewandt”. Wer so etwas propagiere, betreibe aktiv das Ende einer christlichen Ehe- und Familienpolitik, so Meisner. Ähnlich äusserte sich der Dachverband von rund 1,3 Millionen theologisch konservativen Protestanten, den Evangelikalen, die Deutsche Evangelische Allianz. Ihr Generalsekretär Hartmut Steeb (Stuttgart) erklärte, die Berufung von Frau Reiche sei die bisher grösste Fehlentscheidung Stoibers im Wahlkampf: “Als Helmut Kohl in den 80er Jahren den Regierungswechsel schaffte, hat das Versprechen einer geistig-moralischen Wende daran entscheidenden Anteil gehabt. Auch wenn leider die Regierung Kohl weit hinter diesen Ansprüchen zurückblieb – dass Stoiber offenbar nicht mehr eine ethisch-moralische Wende will, hätte ich nicht für möglich gehalten.” Er freue sich zwar darüber, dass Reiche ein Ja zu ihren Kindern sage, was heute auch schon nicht mehr selbstverständlich sei, aber die real existierende Ehe-Verneinung und das eindeutige Plädoyer für eine menschliches Leben tötende Stammzellenforschung bedeuteten eine Verabschiedung christlich zu verantwortender Politik und menschenwürdiger Zukunftsgestaltung: Steeb: “Die Enttäuschung sitzt tief!” Auch der Generalsekretär des Fachverbandes für Sexualethik und Seelsorge, “Weisses Kreuz”, Pastor Karl-Heinz Espey (Kassel), übte scharfe Kritik: “Vorausgesetzt, die Entscheidung, Frau Reiche in sein ‚Kompetenzteam’ zu berufen, bildet Herrn Stoibers Vorstellungen von Familie ehrlich ab; vorausgesetzt, seine Äusserung, dem Staat sei es egal, ob Mann und Frau mit, ohne Trauschein oder gleichgeschlechtlich zusammenleben, wäre seine ehrliche Meinung, dann hätten Wähler mit einem christlich-ethischen Profil am 22. September ein Problem: sie könnten nicht mehr zwischen ernst zunehmenden Alternativen wählen.” Dass Spitzenpolitiker die Gunst der Wähler um jeden Preis gewinnen wollten, sei alarmierend, denn sie opferten dafür fundamentale Werte, die in unserem Land lange Zeit Konsens waren und unser Gemeinwesen trugen. Auf diese Weise fügten sie ihm nachhaltigen Schaden zu. “Herr Stoiber hat sich mit seinen familienpolitischen Weichenstellungen in diesen Kreis eingereiht, somit das C zur Makulatur degradiert.” Die Partei Bibeltreuer Christen (PBC) sieht die Union auf einem “antichristlichen Kurs”. Ihr Bundesvorsitzender Gerhard Heinzmann (Karlsruhe): “Nach Etablierung der unionsinternen Gruppe ‚Schwule Christdemokraten’ und der Förderung von Muslimen in der CDU zeigt der Kanzlerkandidat Stoiber mit der Nominierung der zweifach ledigen Mutter Katherina Reiche, dass die Union eine christlich geführte Ehe und Familie als Vorbild für ein gesundes Staatswesen nicht mehr achtet.” Zurückhaltend äusserte sich der Beauftragte der Vereinigung Evangelischer Freikirchen am Sitz der Bundesregierung, Dietmar Lütz (Berlin). Die Entscheidung, eine ledige Mutter in das Kompetenzteam für Familie zu berufen, spiegele die Wirklichkeit wider und sei daher sehr Wählerstimmen-trächtig. Die EKD wollte keinen Kommentar abgeben. “Wir mischen uns in die personalpolitischen Entscheidungen der CDU/CSU nicht ein”, so EKD-Pressesprecher Thomas Krüger. Ähnlich hatte sich der Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland, Prälat Stephan Reimers, geäussert.Können Christen noch CDU/CSU wählen?
Evangelische Allianz: Die Enttäuschung sitzt tief
Weisses Kreuz: Das “C” zur Makulatur degragiert
EKD: Kein Kommentar
Datum: 07.07.2002
Quelle: idea Deutschland