rueAcoeur: Die Würde eines jeden Menschen respektieren
Sich ohne finanzielle Entlöhnung einzusetzen, ist für einige unattraktiv, andere blühen dabei auf. Für die Gesellschaft ist freiwilliges Engagement aber wesentlich.
rueAcoeur – christliche Gassenarbeit
Der Verein kümmert sich um Menschen in Not. In Biel leben viele an der Grenze des Existenzminimums und sind dankbar für eine warme Mahlzeit oder andere Zuwendung. Ein Gassenseelsorger dreht regelmässig seine Runden und wird dabei oft erkannt – von einigen sogar erwartet. Viele Leute sind froh, ein offenes Ohr zu finden oder jemanden, der sie motiviert.
In den vergangenen 25 Jahren kümmerte sich der Verein «rueAcoeur – christliche Gassenarbeit» um die Nöte von Menschen in Biel. Dabei wird dem Menschen ganzheitlich begegnet. Das bedeutet, dass sich nicht nur um das materielle Wohlergehen, sondern auch um die seelische Verfassung und den geistlichen Zustand gekümmert wird. Der Verein ist vollumfänglich auf Spenden und Kollekten angewiesen und hilft mit den anvertrauten Mittel denjenigen, die darauf angewiesen sind.
Jeder Mensch ist wertvoll
«Ich bin in Biel aufgewachsen», erzählt Christine Jobin. «Die Arbeit von rueAcoeur war mir deshalb schon früh vertraut.» Als ihre Kinder grösser wurden und sie dadurch mehr Zeit zur Verfügung hatte, meldete sie sich zur freiwilligen Mitarbeit. Zuerst packte sie beim Servieren und Kochen an, später unterstützte sie in der Buchhaltung, übernahm zunehmend Verantwortung und hat vor einem Jahr die Co-Leitung übernommen.
«Wir leiten aber stark als Team», sagt sie und betont dabei auch die wertvolle Zusammenarbeit mit den 25 bis 30 freiwilligen Mitarbeitern, die vorbildlichen Einsatz leisten. «Sie alle haben ein Herz für benachteiligte Menschen.» Die wertschätzende Haltung von Christine Jobin ist spürbar – einerseits dadurch, wie sie über ihre Mitarbeiter spricht, aber auch durch ihr Engagement für Frauen und Männer, die sich gerade auf der Schattenseite des Lebens befinden.
Der christliche Glaube verleiht Menschenwürde
Der Verein «rueAcoeur – christliche Gassenarbeit» steht auf christlichem Fundament. «Wir gehören zwar keiner Kirche oder Konfession an, werden aber von zahlreichen Kirchen in Biel unterstützt.» So können beispielsweise Räume der Evangelisch Methodistischen Kirche zu guten Konditionen benutzt werden. Den Glauben teilen die meisten Mitarbeiter des Vereins.
«Heute herrschen gegenüber einzelnen Personengruppen starke Vorurteile», bedauert Jobin. Dadurch werden Menschen letztlich nicht in ihrer Ganzheit wahrgenommen, sondern auf irgendwelche Eigenschaften reduziert. Jeder Mensch hat Würde, egal ob er Migrant ist oder wegen Suchtmittelkonsum oder Langzeitarbeitslosigkeit auf Sozialgeld angewiesen ist. «Im Grunde ist Menschenwürde ein elementarer Wert des christlichen Glaubens.» Jobin ist überzeugt, dass dieser Wert durch das Engagement der Gassenarbeit nicht nur bei Bedürftigen, sondern auch bei den Mitarbeitern gestärkt wird. «Alle Menschen sind von Gott geliebt und haben in seinen Augen denselben Wert.»
Wertschätzung macht die Welt zu einem besseren Ort
«Wenn ich für Menschen ein offenes Ohr habe, hören diese meist auch mir zu», beschreibt Christine Jobin ihre Erfahrung. Gerade während der Coronazeit, wo viele Menschen unter ganz unterschiedlichen Gründen leiden, müssen wir lernen, einander sorgfältig zuzuhören und auf diese Weise Wertschätzung entgegenzubringen. «Wenn uns dies gelingt, wird die Welt eine bessere werden!» Auch wenn viele aus Vorsichtsgründen ein Gespräch auf öffentlichen Plätzen meiden, sind andere umso froher für einen Zuhörer.
«Während der Coronazeit verteilten wir letztes Jahr vermehrt Backwaren und ganze Menus auf den Strassen und Plätzen, wo sich die Bedürftigen treffen. Seit der Schliessung der Restaurants erhielten wir vom BAG eine Sonderbewilligung, um weiterhin, unter strikter Einhaltung der Sicherheitsregeln, warme Mahlzeiten in einem geschützten Raum abzugeben.»
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Datum: 24.02.2021
Autor: Markus Richner-Mai
Quelle: Livenet