Auf den Kopf gestellt

Gesucht: Mut zur Sanftheit

Ein Junge streichelt sanft eine Katze
«Die Sanftmütigen werden die Welt besitzen»: ein weiteres Paradox, mit dem der Bergprediger herrschende Vorstellungen auf den Kopf stellt – und damit die Zukunft öffnet.

«Glücklich sind die Sanftmütigen. Sie werden die Erde erben» (Matthäus-Evangelium, Kapitel 5, Vers 5). Die dritte «Seligpreisung» von Jesus bringt einen neuen Ton. Jetzt geht es nicht mehr nur um mich und Gott, sondern wie ich in der Gesellschaft auftrete. Damit ist sie die logische Fortsetzung der ersten beiden «Grundprinzipien» der Bergpredigt. Und stellt eine schier unglaubliche Behauptung auf: Der Besitz der Welt ist ausgerechnet denen versprochen, die Mut zur Sanftheit haben. Die Zukunft gehört also weder denen, die sich durchsetzen, noch denen, die sich ihr Recht – notfalls mit Gewalt – nehmen. Die Erde besitzen werden nicht die Mächtigen, sondern die Sanftmütigen. Das lässt aufhorchen.

Was Sanftmut nicht ist ...

Wenn Jesus die «Sanftmütigen» glücklich preist, meint er damit nicht «Schlaffis». Es gibt Leute, die sind «total easy» und regen sich über nichts auf. Nein, Jesus redet nicht von Leuten, denen eigentlich sowieso alles egal ist. Auch meint er weder die «Netten», die nach allen Seiten lächeln, noch die mit einem dicken Fell, die nichts wirklich trifft. Sanftmütige Menschen sind nicht charakterschwach. Jesus meint keinen Frieden um jeden Preis oder eine Art von «Toleranz», der sowieso alles «gleich gültig» ist.

Eine starke Haltung

Im Gegenteil: Im deutschen Wort «Sanftmut» steckt «Mut» – der Mut, sanft zu sein. Sanftmut ist kompatibel mit Kraft, mit Charakter und Autorität. Aber hier geht es um den Grundentscheid zu positiver Gewaltlosigkeit. Der Sanftmütige hat den Mut, auf einen Affront nicht mit Gewalt zu reagieren – weder mit aktiver noch mit passiver Klimakleber-Gewalt. Der Sanftmütige muss sich nicht dauernd bestätigen lassen und lässt sich sein Handeln nicht von der Umwelt diktieren. Wenn dich jemand dauernd schneidet, grüsst du einfach unverändert weiter.

Sanftmut ist also kein Duckmäusertum, sondern heimliche Stärke. Der Sanftmütige hat Emotionen, Kräfte und Triebe – aber er hat sie unter Kontrolle. Personen der Bibel zeigen das: Mose und David, Paulus und Jesus selbst waren starke Charaktermenschen, die als «sanftmütig» bezeichnet oder beschrieben werden. Sanftmut ist Autorität ohne Gewalt – das ist die Herrschaftsform der Zukunft. Jesus sagte (Matthäus-Evangelium, Kapitel 11, Vers 29): «Ich bin sanftmütig und von Herzen demütig» – einem solchen Gott kann man sich mit Zutrauen nähern.

Keine natürliche Fähigkeit

Wir müssen uns spätestens hier klar werden, dass Jesus nicht von natürlichen Fähigkeiten redet – auch nicht vom Ergebnis jahrelanger Disziplin, die die wenigsten von uns hinkriegen. Sonst wäre die Bergpredigt nur etwas für eine kleine Elite. Nein, Gott sei Dank! Jesus redet von einem Menschen, der «von neuem geboren» ist und der sein Leben von diesem Punkt Null her neu mit Gott angefangen hat. Ein Christ ist nicht ein veredelter Mensch, sondern eine neue Schöpfung: Das bedeutet Hoffnung für jeden! Sanft-Mut heisst nicht, «mühsam auf die Zähne beissen» und nach aussen lächeln, sondern ist eine Frucht des Heiligen Geistes, die Gott in Menschen wachsen lässt, die Jesus ihr Leben übergeben haben und die ihre Kraft aus seinem Leben ziehen.

Folge des richtigen Einstiegs

Wie kommt man dazu? Wir müssen immer wieder zur ersten «Seligpreisung» zurück: Am Anfang steht immer der Mensch, der innerlich arm ist vor Gott (Matthäus-Evangelium, Kapitel 5, Vers 3). Dieser Mensch weiss: «Ich muss alles von Gott empfangen. Und egal, was die Menschen von mir denken – sie wissen ja gar nicht, was da alles in mir steckt.» Ein solcher Mensch, der «total aus Gnade» lebt, beschäftigt sich nicht mehr ständig mit sich selbst, seinen Rechten oder seinen Qualitäten. Darum kann er auch Sanft-Mut entwickeln. In leeren Taschen ist keine gleiche Münze, mit der man heimzahlen könnte.

Die Erde erben

«Die sanften Mutigen werden die Erde erben», sagt Jesus. Die Erde wird vererbt, nicht erobert. Und die Zukunft gehört nicht den Mächtigen und den Raubtieren (die in den Flaggen fast aller Länder vertreten sind). Das gilt schon heute: Wir brauchen Menschen in Politik, Wirtschaft und auf allen Leitungsebenen, die sich nicht in den Vordergrund stellen und ihre Ideen mit allen Mitteln durchsetzen. Wir brauchen heute schon Menschen, die den Mut zu gewaltfreien und nachhaltigen Lösungen haben – die klar in den Prinzipien und sanft in den Methoden sind.

Aber es geht um eine Zukunft. Wem gehört die Erde, wer wird sie erben? Wir kommen ja nicht irgendwo in einen rosaroten Himmel, sondern eines Tages werden sich Himmel und Erde vereinen (siehe Offenbarung, Kapitel 20, Vers 1 und 2), und auf der neuen Erde werden Menschen herrschen, die mutig und sanft sind. So kommen Gottes Pläne zur Erneuerung des Kosmos zur Ausgestaltung – es fängt an mit einzelnen Menschen an, die «neue Kreaturen» werden und endet in einem «neuen Himmel und einer neuen Erde». Die Dimension wird immer grösser, die Prinzipien sind die gleichen. Darum ist die Bergpredigt so etwas wie eine «Verfassung des Reiches Gottes». Was Jesus hier sagt, das hat Zukunft.

Wir werden uns in den kommenden Wochen mit den «Seligsprechungen» von Jesus beschäftigen. Nächste Woche: «Hunger und Durst – aber richtig».

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Datum: 10.08.2023
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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