Oft gehört – neu verstanden

Der Glaube einer Aussenseiterin

Sie hatte eigentlich gar kein Recht, gehört zu werden. Aber ihre Not war so gross, dass sie alle Widerstände überwand und nicht aufgab. Diese Frau definierte «Glauben» neu.
Leere Hände

Seit Jahren ging das schon so. Sie hatte nur diese einzige Tochter, und die wurde ständig von Anfällen geplagt. Die Ärzte konnten nichts machen, und sie hatte kein Geld für eine Klinik. Ihre Verzweiflung wuchs – gab es denn keine Hilfe für das Mädchen?

Eines Tages hörte sie – nennen wir sie Lydia - von einem Heiler, der offenbar Kranke gesund machen und sogar Tote wieder aufwecken konnte. Er kam aus dem Nachbarvolk, und die schauten eigentlich auf sie herab. Aber Lydia war mittlerweile wirklich verzweifelt, so dass es ihr egal war, gedemütigt zu werden. Wenn nur ihrer Tochter geholfen werden konnte! Sie nahm all ihren Mut zusammen und ging an dem Morgen, als der Heiler in ihre Stadt kam, auf den Marktplatz, wo sich schon viele Menschen um ihn drängten. Von hinten begann sie, sich durch die Menge zu arbeiten, bis sie in seiner Nähe war. Dann begann sie zu schreien. «Hilf mir, meine Tochter wird von einem bösen Geist furchtbar gequält!» Aber dieser Mann beachtete sie einfach nicht. Sie schrie lauter. Immer noch keine Antwort. Wieso hörte der sie nicht?

Glaube kommt aus der Not

Was Lydia nun tat, definiert «Glauben» neu. Sie können die Geschichte direkt in der Bibel nachlesen (Matthäus-Evangelium, Kapitel 15 Ver 21-28). Tatsache ist ja, dass die meisten Menschen in unserer Gesellschaft an irgendeinen Gott oder ein höheres Wesen glauben. Aber «Glaube» sieht ganz anders aus, wenn er lebensnot-wendig wird. Man kann direkt sagen, dass in den allermeisten Fällen Glaube aus einer grossen Not kommt. Wenn wir nicht weiter wissen, wenden wir uns an Gott. Und das ist gut so. Wir suchen Gott, wenn wir ihn dringend brauchen.

Echter Glaube wächst mit den Schwierigkeiten

Jesus sagt zuerst kein Wort. Dann lehnt er es sogar ab, sich der Frau zu widmen – nicht weil er rassistisch wäre, sondern weil er zunächst einfach seinem Auftrag treu sein wollte, der ihn auf das Volk Israel begrenzte. Und diese Frau war eine Ausländerin.

Wir beten, und Gott schweigt. Kennen Sie das? Er antwortet einfach nicht. Lässt sich Lydia jetzt entmutigen? Im Gegenteil. Sie kommt und fällt vor Jesus nieder. Das ist ein Schritt auf Gott zu. Zu Gott kommt man nicht mit verschränkten Armen, sondern auf gebeugten Knien. Glaube nähert sich Gott, spricht ihn persönlich an.

Jesus wehrt wieder ab. Es scheint wirklich so, als lehne er sie ab – ganz einfach, weil es für ihn noch nicht dran war, dass andere Menschen als die «Kinder» des Volkes Israel von ihm profitieren sollten.

Glaube gewinnt am Schluss

Dieser Jesus war nicht einfach, aber Lydia zog sich nicht beleidigt zurück. Sie wusste; wenn mir einer helfen kann, dann der hier. Man merkt, dass in ihr etwas vorgeht, und ihre Antwort ist klassisch, witzig, trotzig und trotzdem demütig: «die kleinen Hunde bekommen doch auch die Krümel, die vom Tisch ihrer Herren herunterfallen». Sie weiss, dass ihrer Tochter geholfen werden muss, egal wie.

Einem solchen Glauben kann sich Jesus nicht verwehren. Er erhört die Frau, und ihre Tochter wird gesund.

Glaube ist lebendiger Umgang mit einem lebendigen Gott

Sicher, diese Geschichte ist nicht einfach zu verdauen (lesen Sie hier eine ausführlichere Auslegung). Aber sie zeigt, dass Glaube eine lebendige Sache ist. Gott ist kein thronender Buddha, und Glaube ist nicht einfach «Unterwerfung unter ein blindes Schicksal». Gott hat seine eigenen Wege und Zeiten (die wir nicht immer begreifen), und Gott hat Gefühle; er kennt Zorn, Mitleid, Trauer und Freude. Vor allem aber ist er Liebe, und darum  kann man mit ihm reden. Menschen in der Bibel sind sehr ehrlich mit Gott: sie diskutieren, stürmen, ringen mit ihm – weil sie spüren, dass dieser Gott im Grunde und im Letzten für sie ist. Das hat Lydia und ihrer Tochter am Schluss geholfen. Solch ein Glaube kommt zum Ziel.

Datum: 02.09.2014
Autor: Reinhold Scharnowski
Quelle: Jesus.ch

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