Freikirchen und Medien

Sind Freikirchen konservativ – oder doch nicht?

Die Schweiz am Sonntag hat ins neue Freikirchenbuch von Jörg Stolz und Olivier Favre geschaut und daraus eine Titelgeschichte gemacht. Interessant sind die Schwerpunkte, welche die Autorin gesetzt hat.
Eine Celebration im ICF Zürich.
Printscreen www.schweizamsonntag.ch.
Jörg Stolz

Mit dem Buch «Phänomen Freikirchen» haben die beiden Religionssoziologen eine Marke gesetzt, an der seriöse Journalisten, die sich mit (Frei-)Kirchenfragen auseinandersetzen, nicht herumkommen. Es stellt Clichés in Frage und differenziert. Es zeigt vor allem auch die Vielfalt der Freikirchen und ihre Erscheinungsweise auf. Man durfte gespannt sein, wie sich das auf die Arbeit von Medienschaffenden auswirken würde, an mehr als knalligen Schlagzeilen interessiert sind.

Das ICF als beliebtes Modell

Auch für eine seriöse Sonntagszeitung wie die Schweiz am Sonntag gilt: Es braucht einen zugkräftigen Titel und einen interessanten Aufhänger. Der süffige Titel lautet: «So konservativ denken die Anhänger von ICF und Co.». Aufhänger ist eine Reportage über eine ICF-«Celebration», toll inszeniert, coole Stimmung, Küsschen zur Begrüssung. Man ist unter sich. Dominic spricht auf der Bühne von «krassen Erfahrungen mit Jesus» und von einem «coolen Gott». Obwohl das ICF eine eher untypische Freikirche ist, ist sie bei Medienschaffenden als trendiges Modell beliebt, an dem sowohl Stärken wie Vorurteile illustriert werden.

Dann die Analyse. Sie setzt beim Befund an, dass Freikirchen sich gegen alle Trends behaupten können und weshalb. Und dass an einem Sonntag knapp ein Drittel der Gottesdienstbesucher Freikirchler sind. Und dies bei einem Anteil von etwa 3 Prozent an der Schweizer Bevölkerung.

«Erstaunlich resistent»

Autorin Sarah Serafini zitiert, dass sich «Evangelikale gegenüber der zunehmenden Verdrängung der Religionen aus der Gesellschaft erstaunlich resistent zeigten. Sie gründen neue Gemeinden, legen einen hohen religiösen Eifer an den Tag und bekunden ihre Verbundenheit mit wenig modernen Werten». Bei Themen wie homosexuellen Beziehungen, vorehelichem Geschlechtsverkehr und Bibelauslegung unterschieden sie sich stark von der Gesellschaft, auch von Reformierten und Katholiken. Sie hätten ein Milieu mit klar definierter Identität geschaffen, und dies mit zwei Strategien: Abschottung und Wettbewerbsstärke.

Der Text folgt dem Buch in der differenzierten Darstellungen dieser Werte und Haltungen in den unterschiedlich geprägten Freikirchen und schlägt nicht alles über einen Leisten. Es wird damit der Tatsache gerecht, dass vieles in den Freikirchen eben sehr unterschiedlich geprägt ist und gelebt wird.

Die Stimme der Ausgetretenen

Besonderes Interesse findet bei der Autorin dann das Kapitel über Ausgetretene und ihre Austrittsgründe. Hier finden sich naturgemäss auch die kritischsten Aussagen. Das liegt auf der Hand, werden doch die Eindrücke von Ausgetretenen zitiert, sie hätten sich unter Druck gefühlt. Das freikirchliche Milieu sei ein «geschlossener Raum» mit «sektiererischer Tendenz». Wie anders sollten Ausgetretene ihre frühere geistliche Heimat beschreiben?

Der Artikel zitiert schliesslich das Fazit von Jörg Stolz: Freikirchen hielten an einem «harten Kern» von Überzeugungen fest und übernähmen gleichzeitig gesellschaftliche Entwicklungen: «In diesem Doppelspiel von Öffnung und Abschottung, von Anpassung und Ablehnung, von Moderne und Konservativismus findet sich unserer Auffassung nach der Schlüssel zum Rätsel der Widerstandsfähigkeit des evangelisch-freikirchlichen Milieus.»

Datum: 10.11.2014
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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