In islamischen Ländern waren schriftgläubige Nicht-Muslime (Christen und Juden) seit dem 7. Jahrhundert Bürger zweiter Klasse, die sich als „Schutzbefohlene“ mit minderen Rechten (Dhimmi) ins Gemeinwesen einzufügen hatten. Heute wäre der weltweite Siegeszug der Demokratie daran abzulesen, dass den Minderheiten überall gleiche Rechte zugestanden werden. Doch das Gegenteil ist möglich – und wird angestrebt: Wenn es nach dem Willen der Islamisten geht, droht das Schicksal der Dhimmi des arabischen Raums auch Nicht-Muslimen dort, wo der Islam bisher nicht Staatsreligion war oder nicht allein die Gesetzgebung bestimmte: in multikulturellen Staaten Asiens und Afrikas. In Europa und Amerika präsentiert sich die Situation anders: Hier suchen der Tradition verpflichtete Islam-Lehrer die Freiräume, die das westliche Recht eröffnet, mit ihren Regelungen auszufüllen. Sie wollen den Alltag der Muslime gemäss der Scharia, dem islamischen Gesetz ordnen. Es gibt seit Jahren einen Europäischen Fatwa-Rat, der beansprucht, für den gesamten Kontinent gültige islamische Rechtsgutachten auszugeben. (Der Rat gibt beispielsweise vor, welcher ‚Blutpreis’ nach einer verbotenen Abtreibung ab dem fünften Monat zu entrichten ist: rund 213 Gramm Gold.) Die wenigen liberalen muslimischen Intellektuellen, die ihre Religion durchgreifend modernisieren wollen, werden an den Rand gedrängt. In vielen nicht-arabischen Ländern mit muslimischer Mehrheit wird um die Geltung der Scharia heftig gestritten. Mehrere tausend weiss gekleidete Muslime versammelten sich vor einer Woche in der indonesischen Hauptstadt Jakarta und in Surabaya, um die Einhaltung der Scharia zu fordern. „Wenn Sie Muslim sind, müssen Sie für die Einführung der Scharia kämpfen“, sagte ein Aktivist der Presse. „Unter dem Scharia-Gesetz können wir Korruption vermeiden und den Alltag der Menschen verbessern.“ Indonesiens Gründer gaben dem Inselreich mit seinen christlichen, hinduistischen und animistischen Minderheiten eine tolerante, säkulare Grundlage in der Pancasila-Ideologie, die die Verehrung Gottes in mehreren Religionen zulässt. Laut den Berichten findet die Forderung der Islamisten bei der grossen Mehrheit der Indonesier wenig Anklang. Der Gesetzgeber lehnte es 2002 ab, die Verfassung auf die Scharia auszurichten. Mehrere hundert Muslime haben in der nordnigerianischen Handelsmetropole Kano am Montag 1. März eine strengere Anwendung des islamischen Strafrechts der Scharia gefordert. Die Demo der Kadariyya-Bewegung richtete sich gegen den anhaltenden Alkoholkonsum und die Prostitution, die vier Jahre nach Einführung der Scharia offenbar noch immer floriert. Die Muslime marschierten zum Parlament des Gliedstaats und übergaben eine Petition. „Nun muss die Regierung die Scharia praktisch durchsetzen. Wir sind der Lippenbekenntnisse müde“, sagte ein Sprecher. Kano ist einer der zwölf nordnigerianischen Gliedstaaten, die 1999 die Scharia einführten. Seither steht auf Ehebruch die Steinigung, auf dem Alkoholverkauf die Auspeitschung. Die grosse christliche Minderheit in Kano hat wiederholt gegen die Diskriminierung protestiert, die sich durch die Islamisierung im öffentlichen Leben für sie ergibt. Westliche Staaten sind durch die Zuwanderung aus anderen Kontinenten massiv herausgefordert: Können sie ihr Recht, das für alle Einwohner dieselben Garantien kennt, auf ihrem Territorium durchsetzen - auch bei den Immigranten? Die Verstümmelung der Geschlechtsteile von Mädchen wird in manchen afrikanischen und asiatischen Völkern mit dem Ziel gerechtfertigt, ihre Ehrbarkeit für die Zeit der Heirat sicherzustellen. Grossbritannien hat ein Gesetz erlassen, um diese (vorislamische) Praxis der Mädchenbeschneidung zu bekämpfen. Seit Anfang Monat riskieren Eltern, die ihre Tochter ins Ausland mitnehmen und sie dort beschneiden lassen, Gefängnisstrafen bis zu 14 Jahren. In Toronto steht der pakistanisch-stämmige Muhammad Khan vor Gericht, weil er 1999 seine fünfjährige Tochter Farah umbrachte, angeblich um seine Ehre zu retten. Sie war das Kind seiner Ex-Frau und eines anderen Mannes. Die Zeitung ‚Globe and Mail’ berichtete, dass Khan gegenüber einem anderen Zelleninsassen mehrfach das tote Kind mit den wüstesten Schimpfwörtern bedachte. Wie kam die Kleine in die Gewalt dieses Mannes, der offenbar nur Verachtung und Hass für sie übrig hatte? Das Sorgerecht war Khan gemäss der Scharia von Ältesten seiner pakistanischen Gemeinschaft zugesprochen worden. Der neuseeländische Muslim Abdullah Hakim Quick hat sich im September in einem Islam-Programm des Fernsehsenders Triangle TV scharf abschätzig über die Homosexuellen geäussert. AIDS werde durch homosexuelle Praktiken verbreitet. Die Schwulen wollten die Bevölkerung mit sich ins Verderben ziehen, sagte der Islam-Lehrer. Der Islam habe nichts für Homosexuelle übrig; seine Anhänger müssten dagegen kämpfen. Der Sender gestand nach Protesten und einer Rüge der Aufsichtsbehörde ein, diese Aussagen könnten als „recht extrem“ eingestuft werden, doch man habe „Grund zur Annahme“, dass die Aussagen einen „wirklichen Glauben von Anhängern des Islam“ wiedergegeben hätten... Traditionalisten in der Offensive – auch im Westen
Schreitet die Islamisierung Indonesiens fort?
Nord-Nigeria: Taugt Scharia gegen Laster?
Grossbritannien: Neues Gesetz gegen Mädchenbeschneidung
Kanada: Stieftochter um der Ehre willen getötet
Neuseeland: Imam verunglimpft Homosexuelle
Datum: 15.03.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch