Gemeinden des Aufbruchs

Unnütze Knechte und das Licht der Welt

Eine Tagung in Montmirail setzte Akzente, die für die Zukunft der reformierten Landeskirche in der Schweiz richtungsweisend werden könnten. Können die «Gemeinden des Aufbruchs» eine Trendwende einleiten?
Tagung Montmirail

«Steuern wir auf eine gottlose Gesellschaft zu?» Unter diesem Titel stand kürzlich eine Wochenendbeilage der Neuen Zürcher Zeitung NZZ. Der Tenor des Textes von Urs Hafner und des Interviews mit Jürg Stolz dazu lautete: Die Religion im Westen verdampft. Wo Wohlstand, Bildung und Freiheit herrschen, kühlt die Religion aus. Besonders davon betroffen sind die Landeskirchen. Nur eine grosse Katastrophe wie ein neuer Weltkrieg könnte den Trend brechen...

Gegenbewegungen

Die Analyse verkennt allerdings, dass es auch in den reformierten Kirchen seit Jahren Gegenbewegungen wie zum Beispiel die Bewegung Fresh Expressions gibt – und eine Reihe von blühenden und prosperierenden Gemeinden mit engagierten Pfarrern und vielen Freiwilligen. Durch die Reformationsfeiern ist auch der Gedanke des allgemeinen Priestertums wieder neu aktualisiert worden. Und Ralph Kunz, Professor für Praktische Theologie an der Uni Zürich, gab kürzlich eine Schrift heraus, in der er Vorgehensweisen zum Gemeindebau in der Landeskirche skizziert.

Trendumkehr in England

Zwei Studienreisen nach London mit Kirchenleitenden, organisiert von Walter Dürr, Pfarrer im Jahu Biel und Leiter des Studienzentrums für Glaube und Gesellschaft an der Uni Fribourg, haben zusätzliche neue Impulse ausgelöst. In der Kirche von England hat sich gezeigt, dass eine Trendumkehr möglich ist und die Kirchgemeinden wieder wachsen können.

Die Tagung in Montmirail – sie war mit rund 50 Personen ausgebucht – hat am Wochenanfang die Impulse aufgenommen und sie mit der Situation von Schweizer Kirchgemeinden konfrontiert. In einem Impulsreferat betonte Ralph Kunz dazu, dass Aufbrauch in der Kirche nur möglich ist, wenn er mit einer Rückkehr verbunden ist, nämlich «dorthin, wo der Glaube entsteht». Und: «Wir müssen gewisse Vorstellungen von Gemeinde verabschieden und lernen, ungewohnte Wege zu gehen.» Es brauche die Demut, umzukehren, und den Mut, Neues zu wagen.

Krisen in einem Jahrhundert – und die Reaktionen darauf

Kunz stellte die heutige Lage der reformierten Landeskirche in eine Reihe von Krisen der Kirche in den letzten hundert Jahren und die darauf folgenden Reaktionen. Aus der Krise in den 1930er-Jahren sei zum Beispiel die «Junge Kirche» entstanden. Heute zeige sich die Situation extrem dynamisch. Neben «Gemeinden des Aufbruchs» erwähnte Kunz Willow Creek, FrexhX, Glauben 2.0 und die missionale Theologie.

Sich selbst aufbrechen lassen

Mit dem Aufbruch müsse allerdings auch vieles aufgebrochen werden, was die Erneuerung der Kirche hindere. Er sei nach Montmirail gekommen, um zusammen mit andern zu entdecken, was der Heilige Geist bereits aufgebrochen habe. Kunz: «Wir sind die, die aufgebrochen sind, aber auch aufgebrochen werden. Oder biblisch gesagt: 'Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut.'» Menschen des Glaubens sollten sich einerseits als «unnütze Knechte» sehen, die nur tun, was sie schuldig sind, aber auch als Lichtträger: «So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten..., damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.»

Für die Tagungsleitung rund um die Initiantin, Sabine Brändlin, Mitglied der Geschäftsleitung der Reformierten Landeskirche Aargau und Vorstandsmitglied des SEK, ist jetzt klar: Ein Prozess ist angestossen worden, und er muss weitergehen. Angeregt wurde ein Verein, der das Anliegen weiter bearbeitet und neue Treffen einberuft. Aber auch Netzwerke zwischen Gemeinden, die sich austauschen können.

Datum: 12.04.2017
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet

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