Verdient die aktive Vaterschaft diese Chance?
Die Schweizer Polit-Elite tut sich schwer mit einem echten Vaterschaftsurlaub. Nach einer sechsstündigen Diskussion hat der Nationalrat in der Herbstsession einem zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub zugestimmt, wie schon früher der Ständerat. Die Initianten für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub, stehen nun vor der Frage, ob sie die Forderung nach einem vierwöchigen Urlaub zurückziehen sollen. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach?
Einfach Ferien nehmen?
Die Front der Gegner gegen jede Verbesserung führte die SVP an. Für sie ist die Familie seit jeher Privatsache und die traditionelle Rollenteilung mit dem erwerbstätigen Vater und der kinderbetreuenden Mutter nach wie vor das Ideal. Es stehe dabei jedem Vater eines Neugeborenen frei, zwei Wochen seiner Ferien zu nehmen, wenn der Nachwuchs angekommen sei, argumentierte Parteipräsident Rösti am 2. Oktober im Radio und führte dabei auch das Hauptargument des Gewerbeverbandes an: Es sei für viele KMUs schwierig, zwei zusätzliche Wochen auf einen Mitarbeiter zu verzichten. Wirklich, wenn das zwei bis dreimal während einer mehrjährigen Anstellungszeit passiert?
Das Ideal der «traditionellen Familie»
Rösti dürfte mit seinen Argumenten auch bei zahlreichen Christen, besonders im freikirchlichen Raum, Zustimmung finden. Es war tatsächlich eine Errungenschaft im Wirtschaftsboom nach dem Zweiten Weltkrieg, dass ein Einkommen reichte, um eine Familie zu versorgen. Die Mütter hatten damit den Freiraum nicht nur zur Betreuung der Kinder und des Haushaltes, sondern oft auch für kirchliche und soziale freiwillige Arbeit. Dass dieser Freiraum heute zunehmend wegbricht, dient der Gesellschaft nicht. Aber der gesellschaftliche Wandel bezüglich Elternschaft und Erwerbsarbeit kann nicht einfach weggeklickt werden. Er bietet sogar Chancen.
Gesellschaftlicher Wandel geht nicht an der Familie vorbei
Heute genügt das Einkommen des Mannes oft nicht mehr, um eine Familie zu versorgen. Oft können die Mütter dank ihrer Ausbildung sogar mehr verdienen, was zu neuen Rollenverteilungen führt. Zudem ist das neue Ideal, dass Vater und Mutter die Kinder gemeinsam betreuen, und damit der Begriff der «neuen Väter» sowohl aus psychologischer wie aus christlicher Sicht zu begrüssen. Denn ein Kind soll im besten Fall nicht nur einen Vater und eine Mutter haben, sondern auch einen aktiven Vater und eine aktive Mutter.
Minimalvariante und Vision
Daher sind nebst der Minimalvariante eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs auch neue Ideen wie eine gemeinsame 38-wöchige Elternzeit, die zwischen Vater und Mutter aufgeteilt werden kann. Diesen Vorschlag hat immerhin die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) ins Spiel gebracht! Er klingt im Moment, jedenfalls für die Schweiz, die bezüglich Elternurlaub noch in der Steinzeit verharrt, utopisch. Aber war nicht schon einmal die AHV ein utopisches Projekt, das mehrere Volksabstimmungen bis zur Realisierung benötigte?
Eine christliche Sicht?
Eine Theologie des Elternurlaubs gibt es nicht. Auch nicht passende Bibelstellen, um ihn zu begründen. Aber braucht es eine biblische Begründung für die Sicht, dass Kinder sowohl einen aktiven Vater wie eine aktive Mutter brauchen, wenn es nicht zu Defiziten in ihrer Entwicklung kommen soll? Kann es so schwierig sein, die Wirtschaft zu überzeugen, dass sie den Menschen dient, wenn sie hier bereit ist, ihren Beitrag zu leisten?
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Datum: 08.10.2019
Autor: Fritz Imhof
Quelle: Livenet