Ein christlicher Blick in den Politikbetrieb
Uwe Heimowski ist Theologe, hat aber auch «etwas Anständiges» gelernt (Erzieher). Seit 2016 arbeitet er für die Evangelische Allianz am Bundestag als Lobbyist – und da ist er genau richtig. Er macht kein Geheimnis aus seiner Meinung. Er sieht nicht nur freundlich aus, er ist es. Er vertritt die Interessen vieler Christen im deutschen Politikbetrieb. Er tritt für Werte ein. Er sucht das Gespräch und bietet Gebet an. Und er wird nicht müde zu unterstreichen, dass Politik eben nicht nur in Berlin stattfindet, sondern genauso in Wanne-Eickel, Winterthur und Wolgast.
Ein Buch, das kein Buch ist
Natürlich ist das Buch ein Buch. Auch wenn es mit 108 Seiten und 150 Gramm kein Wälzer ist. Allerdings hat sich Uwe Heimowski nicht hingesetzt und einen zusammenhängenden Text über christliches Politikverständnis geschrieben. Sein Verleger Thomas Mayer (VTR) hat vielmehr unterschiedliche Texte von ihm gesammelt und daraus ein Mosaik an Essays, Meinungen, Ideen, Geschichten und Plädoyers zusammengesetzt. Gut, dass das Ganze nicht glattgebügelt wurde. Denn gerade diese Stückelung wird dem vielschichtigen Politikbetrieb viel eher gerecht als ein Kompendium, das doch nicht alles erklären könnte.
Ein Buch nicht nur zum Lesen
Wenn Sie mich fragen, dann würde ich das Buch so lesen: Überspringen Sie das Vorwort (freundlich, aber nichtssagend), werfen Sie einen Blick in die Einführung, um den Autor etwas kennenzulernen, und suchen Sie sich dann im Inhaltsverzeichnis eines der maximal fünfseitigen Kapitel heraus, das Sie interessiert: Gebet, die Armutsschere, Donald Trump – was Sie wollen. Lesen Sie es durch und reiben Sie sich daran. Sagen Sie nicht zu schnell: «Genau meine Meinung. Das musste mal gesagt werden…», sondern denken Sie darüber nach, diskutieren Sie das Ganze mit Ihrer Frau, Ihrem Kollegen, Ihren Nachbarn, Ihrer «polis». Sie merken es schon: Genau so wird das Buch politisch im eigentlichen Sinne. Über parteiliche und gemeindliche Gräben hinweg. Wahrscheinlich nehmen Sie es dann irgendwann zur Hand und lesen es einfach von vorne bis hinten durch. Das kostet Sie ungefähr eine Stunde Zeit.
Ein Buch wie die Reformation
Luther schlug vor der Reformation 95 Thesen an eine Kirchentür. Was hätte er wohl (heute) ans Rathaus geheftet? Mit Ansätzen wie diesem im fünften Kapitel baut Heimowski immer wieder Brücken von der Bibel in die Politik, von der Politik in den Alltag. Und vor allem auch in den Alltag seiner Leserinnen und Leser. Er wirbt dafür, Antworten auch auf politische Fragen in der Bibel zu suchen, und regt an, selbst Verantwortung zu übernehmen statt zu meckern – gemäss dem Heilsarmee-Motto: «Wer sich nützlich macht, hat keine Zeit, sich wichtig zu machen.»
Er plädiert für ein Mitreden, das von gründlichem Mitdenken geprägt ist: «Wir müssen wieder lernen, Fragen zu stellen, zuzuhören, Argumente abzuwägen.» Im gleichen Atemzug geht er auch auf die grossen Themen Globalisierung (Turnschuhe aus China) und Menschenwürde bzw. Lebensschutz ein. Wohltuend dabei ist, dass Uwe Heimowski Glauben und Politik immer konstruktiv verbindet, nie das eine auf Kosten des anderen zurückstellt.
Ein Buch für Kompromisse und klare Kante
Jesus sagte einmal: «Mein Reich ist nicht von dieser Welt» (Johannes, Kapitel 18, Vers 36). Damit erteilte er denen eine klare Absage, die hier und jetzt einen Himmel auf Erden errichten wollten. Doch wer mitbaut an diesem Reich Gottes, wird jetzt schon damit beginnen, auch wenn es noch das «Vorläufige» ist und nicht das «Ewige», wie es Bonhoeffer formulierte.
Uwe Heimowski spricht etliche Themen in seinem Buch an, zu denen er klar Position bezieht (Lebensrecht, Menschenhandel, Prostitution…), andere kann und will er nicht abschliessend beurteilen (Flüchtlinge). Gleichzeitig wehrt er sich vehement gegen das Denken mancher Christen, dass Politik sowieso «eine grosse Hure» sei und Berlin ein einziges «Haifischbecken». Er bricht eine Lanze für die Demokratie und ihr Werkzeug – den Kompromiss. Kompromissloses Leben ist für ihn nicht geistlich, sondern so märchenhaft wie bei Pippi Langstrumpf: «Wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt.»
Ein Buch für Täter
Heimowski weiss um Politikverdrossenheit und ermutigt seine Leserinnen und Leser, nicht nur als Parteien zu denken, sondern in erster Linie an gesellschaftliche Verantwortung. Für ihn ist es klar: Wer Jesus Christus ernst nimmt, dessen persönlicher Glaube wird eine aktive Rolle in der Gesellschaft spielen. Das unterstreicht schon ein Blick in die Geschichte. Denn ohne Christen wären hierzulande weder Hospitäler noch Universitäten entstanden.
Das Buch liefert zahlreiche Gedankenanstösse. Uwe Heimowski beantwortet darin nicht jede Frage, aber er weicht keinem schwierigen Thema aus. Wer nur seine politische Meinung bestätigt sehen will, der sollte die Finger lieber von diesem Buch lassen – dafür lässt es sich zu wenig in parteipolitische Schubladen von «links» und «rechts» einordnen. Aber wer unsere Gesellschaft besser verstehen will, wer bereit ist, sie mitzuprägen und dafür zu sorgen, dass das Evangelium darin Gestalt gewinnt, findet darin gute Anregungen. Nicht zuletzt das Reden miteinander. Seine Rolle als Politikbeauftragter fasst der Pastor damit zusammen, dass er Fragen durchdenkt, darüber redet und selbst aktiv wird. Es wäre spannend zu sehen, was geschieht, wenn seine Leserinnen und Leser dasselbe tun.
Hier kommen Sie zum Buch:
Uwe Heimowski: Der politische Jesus und die
Botschaft vom Reich Gottes
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Datum: 12.10.2019
Autor: Hauke Burgarth
Quelle: Livenet