Gentechnik 2019

Der Wert von Mensch und Mammut

Der Dokufilm «Genesis 2.0» zeigt, wie sogenannte Mammut-Jäger Stosszähne und andere Überreste der Tiere sammeln und weiterverkaufen. Gleichzeitig wird ein Forscher begleitet, der das Mammut durchs Klonen wieder zum Leben erwecken will (Livenet berichtete). Der Zuschauer geht fast taumelnd aus dem Kino und fragt sich, wieviel Wert solch historisches und menschliches Leben heute hat.
Mammut-Museum
Mammutjäger im Film «Genesis 2.0»
Frischer Fossilien-Fund des Redaktors vom 23. März 2019 (Muschel-Stück vom Jura)

Der Sammler-Trupp besteht aus Ureinwohnern aus der Gegend der «Neusibirischen Inseln» und ist getrieben davon, Mammut-Stosszähne zu finden. Für sie bedeutet dies eine Menge Geld, da ein Verkauf mehrere Tausend Dollar einbringen kann. Sie setzen sich grössten Strapazen von Wind und Wetter aus, erhalten Besuch von Eisbären und kommen sogar an den Punkt, wo ihnen die Nahrung ausgeht. Doch was ist der Lohn für all den Aufwand und wo führt das Ganze hin?

Mammuts kreieren und Menschen selektionieren

Auf der anderen Seite befinden sich südkoreanische Forscher und ein Mammut-Fan, die sich zusammentun, um das Mammut auferstehen zu lassen. Die Südkoreaner haben mit ihrer Klon-Fabrik bereits rund 900 Hunde geklont. Es hat sich zu einem riesigen Geschäft entwickelt, da fliesst viel Geld. Ein Hund kann um die Fr. 50'000.- kosten; doch kann man bei Zusatzexemplaren auch mit Mengenrabatt rechnen. Der Projekt-Partner betreibt in der Gegend der Mammut-Fundorte ein Mammutmuseum und ist getrieben von seinem «Auferstehungs-Traum». Geschäftsinteresse und Forschungs-Ehrgeiz treffen sich hier.

Apropos Träume, die sich Wissenschaftler erfüllen wollen: Nun hat China kürzlich das Tabu gebrochen und tatsächlich mit Genmanipulation am Menschen begonnen. Das Klonen von Menschen kommt näher.

Und in der gigantischen chinesisch-globalen Gen-Datenbank BGI wird selbstverständlich davon gesprochen, wie man pränatal eingreifen kann und so nun beispielweise den «Downsyndrom-Defekt» zu 100 Prozent ausmerzen könne.

Eine besondere Spezies will man mit elefantösem Aufwand wiederbeleben, während menschliches Leben eliminiert wird. Wer darüber entscheiden darf, bleibt äusserst fragwürdig, wobei auch hier Geld und Macht eine Rolle spielen.

Wo ist es sinnvoll, Grenzen zu sprengen?

Die wesentlichen Fragen bleiben jedenfalls: Wo ist die Gen-Entwicklung sinnvoll und dienlich? Gibt es Grenzen, die der Mensch und die Forschung nicht überschreiten sollten? Werden Kontrollinstanzen wie Ethik-Kommissionen, die solche Prozesse begleiten und das Einhalten gewisser moralischer Regeln überwachen können, zugelassen? Wer bestimmt, was wie wertvoll und erhaltenswert ist?

Doch ausgestorbene, originale Lebewesen sind grundsätzlich nicht «erneuerbar». Deshalb sollte der Mensch Sorge dazu tragen.

Goldrausch in weiss

Die Gedanken gipfeln in der Gegenüberstellung der sauber gestylten Klinik-Besucher und der Mammut-Jäger, die sich bei der Bergung besonderer Funde in der unwirtlichen Landschaft teilweise sogar durch den Schlamm wälzen müssen.

Gleichzeitig sind die Sammler enttäuscht und frustriert, wenn sie «nur» Backenzähne oder andere, für sie wertlose Mammut-Körperteile finden. Die werden dann tonnenweise rücksichtslos links liegen gelassen. Denn über allem steht der perfekte Mammut-Stosszahn – das weisse Gold. Auch hier ist ein Vergleich mit dem Menschen und seinem skrupellosen Aussortieren von «lebenswertem» und scheinbar zweitklassigem Leben unerhört; und doch naheliegend.

Es herrscht zeitweise ein richtiger Goldrausch, der vor allem durch den chinesischen Markt angetrieben wird. Das weisse Gold kann pro toperhaltenem Zahn zwischen 45'000 und 90'000 Dollar einbringen. Nun, so weiss ist das Gold zwar nicht, und doch ist es noch wertvoller geworden, seit das Elfenbein von Elefanten strikt verboten wurde. Der Wert verdoppelte sich. Elfenbeinverbot und Mammutfunde – auch ein sonderbares Paar.

Weiteröffnen der Reichtumsschere

Einmal mehr spiegelt dies eine extreme Spannung zwischen Arm und Reich, zwischen der Arbeiterschicht, welche die wortwörtliche «Knochenarbeit» erledigt, und Geschäftsleuten, die durch gnadenlose Verhandlungen und Ausbeutung Millionen scheffeln.

Schlussendlich wird klar, dass die Mammut-Sammler statt der erhofften Tausenden von Dollar lediglich mehrere Hundert kriegen. Mehr zahlen die chinesischen Abnehmer nicht. Im Gegenzug geht ein Zahn, der durch Filigranarbeit zu einem Kunstwerk geschnitzt wird, für einen Wert von einer Million US-Dollar über den luxuriösen Ladentisch.

Ureinwohner: Zahnfund ist schlechtes Omen

«Die Älteren hier sagen, man sollte die Erde nicht aufbrechen, und dass es ein schlechtes Omen ist, wenn man einen Stosszahn findet», sinniert der Jäger Peter Grigoriev und fährt fort: «Der Mensch hat nie genug, er will immer mehr, immer mehr.» Im Gegensatz dazu sehen sie das Auftauchen der drei Eisbären als gutes Zeichen. Die Männergruppe hält jeweils Zeremonien ab, in denen sie Gaben in die ausgehobene Fundstelle zurücklegen, in die «aufgebrochene Erde», wie sie sagen. Sie wollen die Erde besänftigen und sagen dabei, dass sie nur Gutes mit dem Fund vorhaben…

Grenzen setzen und wertschätzen

Der Livenet-Redaktor kennt selber den Kick beim Suchen und Finden; nämlich von Fossilien, versteinerten Pflanzen und Tieren. Wenn man solch einen einzigartigen Fund in den Händen hält, kann das schon süchtig machen. Man sucht dieses Erfolgserlebnis immer wieder.

Wir leben immer im grossen, globalen und auch im kleinen, persönlichen Gesellschaftsbild. Einerseits können wir Organisationen und Firmen unterstützen, die sich für die Würde aller Geschöpfe einsetzen und Gegenteiliges boykottieren. Andererseits können wir mit unserem Lebensstil den Alltag dementsprechend gestalten, Leben fördern und destruktive Einflüsse vermeiden. So gibt es Labels und Produkte von «Claro», «Tearfund» und anderen, welche sich speziell hierfür einsetzen. Das Geschehen kommt näher, und wir merken, dass dies Thema und die Mammuts mit ihren Interessengruppen nicht so weit weg sind.

Ein erster Schritt ist, im Kleinen treu zu sein und sich die Erde nicht nur zu eigen zu machen, sondern sie auch zu bewahren, wie es in der Bibel heisst. Oder, wie ein altes helvetisches Sprichwort, positiv formuliert, sagt: «Wer den Rappen ehrt, ist auch des Frankens wert.»

Mehr Infos:
Zum Film «Genesis 2.0»

Zum weissen Gold

Zum Thema:
Filmkritik: Genesis 2.0: Menschen, Mammuts, Machbarkeitswahn
Welt-Down-Syndrom-Tag: Reich beschenkt durch zwei Spezialisten
Was ist ein Menschenleben wert?: Humanitäre Hilfe und Gerechtigkeit

Datum: 29.03.2019
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet

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