Lust auf Lernen?

Die Kunst, sich Neues anzueignen

«Für zufriedenes und erfülltes Leben gibt es zwei grundlegende Komponenten: kontinuierliches Lernen und Dienen.» —Tim Ferriss
Lernende Kinder

Eine Explosion, ein Funkenschlag. Endorphine und andere Glückshormone fliessen. Wahnsinn! Begeisterung. Neues entsteht. Berauschend und schön.

Nein, ich spreche nicht von Sex, obwohl die Beschreibung auch dafür passend wäre. Sondern von einem biochemisch ähnlichen Phänomen, das sich dann einstellt, wenn man ein «Aha-Erlebnis» hat. Wenn ein Mensch etwas Neues erfasst, schüttet das Gehirn zur Belohnung und zur weiteren Motivation Glückshormone aus. Kurz, ich spreche vom Lernen.

Ich liebe es, zu lernen. Heute habe ich von Günther Rother, dem Besitzer einer Seifenmanufaktur, gelernt, dass man sich mit jeder Seife die Haare waschen kann. Das Problem: Die seifigen Stoffe (Saponine) lösen nicht nur den Schmutz aus den Haaren, sondern auch den Kalk aus dem Wasser. Der legt sich dann aufs Haar und macht es spröde. Die Lösung: Danach kurz mit einer leichten Säure spülen. Ideal ist eine Mischung aus Wasser und Apfel- oder Orangenessig. Ich freu mich über das neue Wissen.

Lernen schenkt Freude

Diese Beschreibung und Erfahrung des Lernens ist weit entfernt von dem – gähn – langweiligen Einpauken von Stoff, das viele aus ihrer Schulzeit kennen. Die früheren Erfahrungen verstellen vielen Menschen den Blick dafür, dass Lernen eigentlich faszinierend, begeisternd und tatsächlich sexy ist. Weil sie Lernen mit Stress oder Langeweile verbinden, versperren sich viele Menschen den Weg zu wunderbaren Erfahrungen.

Sie erleben nicht die Freude, die man hat, wenn man etwas Neues versteht oder etwas, das man bislang nicht konnte, plötzlich beherrscht. Kleine Kinder erleben das ständig: So geht das! Ich kann das schon. Ah, ich kann laufen. Wer nicht Neues lernt, erlebt auch nicht das Glückgefühl, etwas Schwieriges und Herausforderndes endlich erfolgreich zu bewältigen. Lernen macht nicht nur Freude, sondern öffnet auch die Tür zu neuen Möglichkeiten.

Übung macht den Meister

Es gibt durchaus Talente und Fähigkeiten, die scheinbar «vom Himmel fallen». Immer wieder hört man von Naturtalenten, die mühelos Dinge erfassen und umsetzen können. Sie nehmen einen Tennisschläger oder eine Geige in die Hand und können scheinbar fast mühelos spielen. Solche Naturtalente sind jedoch die Ausnahme.

Egal ob es sich um ein Talent für Musik, Fussball oder Sprachen handelt – Übung macht den Meister. Selbst Menschen mit einer Naturbegabung müssen im Schnitt 10'000 Stunden üben, um ein schlummerndes Talent voll zur Entfaltung zu bringen.

Die meisten Menschen kommen gar nicht in die Nähe dreistelliger Übungszeiten. Sie geben schon nach wenigen Stunden auf. Doch der Effekt, dass Lernen Freude schenkt, stellt sich in der Regel nicht sofort ein.

Wer einmal ein Rezept ausprobiert, um herauszufinden, ob Kochen ihm Spass macht oder an einer Übungsstunde, um zu spüren, ob eine bestimmte Sportart ihm liegt, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit keine klare Antwort finden, weil am extremen Anfang der Stress überwiegt. Sich das Neue anzueignen ist unangenehm. Man spürt die Freude des Lernens, Entdeckens und Beherrschens noch nicht.

Aus diesem Grund hat beispielsweise Autor und Coach Stephen Covey von seinen Kindern erwartet, dass sie ein Instrument, für das sie sich entschieden hatten, mindestens sechs Wochen regelmässig übten. Stellte sich dann immer noch keine Freude ein, durften sie etwas anderes ausprobieren.

Lernen bringt weiter

Wenn man etwas erst einmal relativ gut beherrscht, öffnet das neben der Freude auch beruflich und privat weitere Türen. Wer mehr kann, kann mehr machen. So einfach ist das. Leute, die nur über wenige Fähigkeiten verfügen, müssen sich meist mit langweiligen Aufgaben begnügen. Menschen hingegen, die sich ein breites Wissensspektrum und eine Vielzahl von Fertigkeiten angeeignet haben, können aus verschiedensten attraktiven Möglichkeiten wählen.

Ich lerne Witze auswendig, weil ich gern Menschen zum Lachen bringe. Ich war glücklich und begeistert, als ich es schaffte, auf meinem Liegefahrrad Balance zu halten. Während einer Schreibzeit in Holland lernte ich jeden Tag einige neue Wörter – das gab mir die Möglichkeit, mit mehr Menschen zumindest rudimentär zu kommunizieren. Ich höre Podcasts und lese viel, um Neues zu entdecken.

Neben diesem bewussten Lernen, liebe ich besonders die Momente, wenn ich auf einmal etwas begreife, was mir so noch nicht klar war. Plötzlich kommt ein neues Verstehen ins Leben.

Praxistipps

■ Überlegen Sie: Wann hatten Sie Lernerfahrungen, die Sie wirklich begeistert haben? Was hat diese Erfahrungen charakterisiert?

■ Entscheiden Sie: Was möchten Sie bis Ende des Jahres gelernt haben? Wie werden Sie das angehen?

Medientipps

15 min Kurzvorträge zu fast jedem Thema, über das man etwas lernen möchte: www.Ted.com
Yentl. Regie: Barbra Streisand. United Artists Corporation, 1983. – Ein zauberhafter Film über das Lernen und die Liebe, die auch vieles lehrt.

Zum Thema:
Den kennenlernen, der uns die Fähigkeit des Lernens geschenkt hat
Charakter haben: Die Freude, Individualität zu zeigen
Abenteuer: Die Kunst, Aufregendes zu entdecken
Perspektivwechsel: Das Gute sehen – eine Übung

Datum: 07.08.2019
Autor: Kerstin Hack
Quelle: Jesus.ch

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