Durchgeboxt: Jetzt coacht er andere
Ein brutaler Unfall schleuderte Stephan Bernhard aus der Boxwelt, die Welt, welche ihm damals alles bedeutete. Nur zwei Saisons konnte er selber aktiv boxen. Aber brauchte es diese Wende, um ihn in die Berufung als Coach zu führen?
Von 2000 bis 2006 trainierte er Dina Burger, die Vize-Weltmeisterin wurde, und anschliessend bis 2010 die Schweizer Box-Nati.
Stephan Bernhards Herzensanliegen ist es, Teilnehmer mit ganzheitlichem Wissen zuzurüsten, wodurch sie selber an ihrem Körper arbeiten und zu einem gesunden Umgang im Alltag kommen können. Bereits nach kurzer Zeit erleben sie Fortschritte und einen Körper, der sichtlich gesünder wird. Das ist das Ziel, darum trainieren wir keine T-Shirt Muskeln, also die sichtbaren, die aber nicht zweckmässig sind», präzisiert er.
Zudem führe er gerne Gespräche über Lebens-Philosophien oder was die heutige Gesellschaft bewege und fügt an: «Ein gesunder Geist braucht einen gesunden Körper.»
Wo Fäuste fliegen, fliegen auch Gedanken
In der heutigen Gesellschaft sei die Gesundheit und teils das Aussehen für die meisten Menschen das Wichtigste im Leben, wie ein Götze. Das sei bei ihm und seinen Kunden anders, so der leidenschaftliche Coach und ergänzt: «Es sind Menschen, die Gespräche über Gott und die Welt schätzen, die sich umweltbewusst verhalten, ohne darauf herumzureiten, die sich ausgewogen ernähren, die einen gesunden Menschenverstand besitzen, die Schwächere achten und integrieren ohne sich dafür zu rühmen, die grosszügig und mitfühlend sind. 95 Prozent der Menschen, die zu mir kommen, sind ausserordentlich nette Zeitgenossen. Die anderen 5 Prozent gehen schnell wieder.»
Livenet traf den tiefgründigen Boxtrainer und Menschenkenner Stephan Bernhard neben Boxsäcken und Springseilen.
Wie kamen Sie zum Boxen?
Stephan
Bernhard: Schon
als Kind hat mich dieser Sport fasziniert. Jedoch durfte ich wegen meiner
Mutter, der diese Leidenschaft nicht gefiel, erst als Jugendlicher damit
anfangen. Rocky-Filme und Kämpfe der damaligen Stars Mike Tyson und Julio César
Chávez entfachten ein loderndes Feuer in mir, das nur mit täglichem Training zu
bändigen war.
Noch in der Lehre erlitt ich einen schweren Arbeitsunfall (Schädelbruch mit Schädel-Hirn-Trauma), der mich zwang, meinen Sport aufzugeben. Ich wurde daraufhin sehr jung Trainer und bildete mich nicht nur im Boxen, sondern auch im Bereich Kraft/Athletik ständig weiter. Die ersten Jahre nach dem Unfall haderte ich mit dem Schicksal – damals glaubte ich noch nicht an Gott – und wollte einfach irgendeinmal irgendwie wieder in den Ring steigen können und kämpfen. Mit der Zeit akzeptierte ich dann, dass das nicht mehr möglich sein würde und konzentrierte mich auf das, was ich besser kann: in anderen Menschen Potential entdecken und sie anschliessend fordern und fördern.
Sie
haben viele Nichtboxer, die zu Ihnen kommen; wozu ist Boxtraining für den
Durchschnitts-Bürger gut?
Boxen
im Speziellen und Sport im Allgemeinen reflektieren für mich das richtige
Leben: kämpfen, umfallen, wieder aufstehen, weiterkämpfen usw. Wer
im Boxen oder in jedem anderen Sport über längere Zeit hart und diszipliniert
trainiert, hat für das Leben einige Riesenvorteile. Ich möchte da
Durchhaltewillen, Biss und Fairness speziell hervorheben. Jedem Unternehmer und
Lehrmeister, der eine Lehrstelle anbietet oder Mitarbeiter sucht, empfehle ich
sportbegeisterte junge und ältere Menschen besonders in Betracht zu ziehen. Wer
im Boxen Durchbeissen gelernt hat, gibt im Leben nie auf!
Ihnen
ist der christliche Glaube wichtig, gab es ein Schlüsselerlebnis?
Als
typisches Kind einer postchristlichen Gesellschaft wuchs ich ohne grossen Bezug
zu Religion und Gott auf, obwohl meine beiden Grossmütter gläubige Frauen
waren. Auch meine Mutter war viele Jahre im Frauenverein der reformierten
Kirche Bettlach aktiv. Mein Interesse galt aber von klein auf einzig und allein
dem Sport in verschiedenen Facetten. Für Gott hatte ich als Kind weder Zeit
noch brauchte ich ihn, da ich alles hatte. Als
junger Erwachsener gab es eine unvergesslich starke Begegnung mit dem Retter
der Welt, Jesus Christus, dem ich seitdem mein Leben gewidmet habe und dessen
Vorbild ich nachzueifern versuche.
In einer schwierigen Lebensphase fragte ich meine damalige Freundin um Rat. Da sie nicht wusste, was antworten, tat sie das Beste, was man in so einer Situation tun kann: Sie erzählte mir von Jesus Christus. Der Herr öffnete innert Augenblicken mein verstocktes, verhärtetes Herz und ich konnte während Stunden nicht mehr aufhören, zu weinen und meine Sünden zu bereuen. Mit diesem Erlebnis nahm Gott die dominante Stellung in meinem Leben ein und der Sport rutschte auf den zweiten Platz, da wo er hingehört. Wonach wir aber mit aller Kraft trachten sollen, ist, nach Gottes Reich zu streben.
Welche
anderen Erlebnisse aus Ihrer Vergangenheit waren für Sie prägend?
Der
Tod meines geliebten Grossvaters nahm mich sehr mit, obwohl ich das äusserlich niemandem zeigte. Und
mein oben erwähnter Arbeitsunfall mit 20 Jahren war für mich wie eine zweite
Geburt, da ich ein paar Tage zwischen Leben und Tod schwebte und wie durch ein
Wunder überlebte. In der Retrospektive sehe ich auch in dieser Situation das
Eingreifen Gottes, da ich auf dieser Welt noch etwas zu tun hatte.
Was
ist Ihnen heute im Glauben wichtig?
Ich
versuche, als aufrichtiger Christ zu leben und meinen Kindern und den Leuten in
meinem Umfeld ein Vorbild im Bezug auf mein Verhalten zu sein. Nach
sechs Jahren in Kolumbien, wo ich meine Frau kennengelernt habe und unsere
Tochter geboren ist, schätze ich die tollen Möglichkeiten in unserer schönen
Schweiz viel mehr als vor meiner Abreise nach Südamerika. Neben diesen
Möglichkeiten, uns im Leben zu verwirklichen, bin ich auch dankbar, dass wir
bei uns Religionsfreiheit haben.
Ich habe ein interessantes Auf und Ab in meinem Glaubensleben hinter mir: Reformiert getauft, dann Jesus kennengelernt, in Kolumbien zum Katholizismus übergetreten, vier Semester Philosophie in einer katholischen Universität in Bogotá studiert, mit dem Theologiestudium als Ziel, während Jahren praktisch jeden Tag einmal in der Messe, grosse Nähe zum Jesuitenorden mit ihrem Motto «servir (dienen)», katholisch geheiratet, zurück in der Schweiz schwankend zwischen katholischer Messe in Spanisch und Deutsch und Gottesdienst bei BewegungPlus, die beiden Kinder katholisch getauft, die Bibel dreimal komplett durchgelesen (zweimal auf Spanisch, einmal auf Deutsch), dann wieder monatelang ohne jeden Bezug (weder Kirchenbesuch noch Lektüre) ausser die täglichen Gebete mit der Familie vor den Mahlzeiten, ist das Leben mit Gott sowohl eine stete Herausforderung als auch eine Selbstverständlichkeit.
Heute
kann ich mir nicht mehr vorstellen, ohne Jesus Christus zu leben und wünsche
jedem, dass er auch zum Glauben kommt. Das ganze Leben wird dadurch zwar nicht
einfacher, aber es bekommt Sinn, der einem in guten und schlechten Zeiten einen
Anker gibt. Man ist nie allein. In
schwierigen Situationen denke ich an unseren Retter und seinen berühmten
Ausspruch aus Matthäus, Kapitel 28, Vers 20: «Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.»
Zur Website:
Besttraining.ch
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Datum: 01.12.2022
Autor: Roland Streit
Quelle: Livenet