150 Jahre Heilsarmee

«Wir dürfen uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen»

An einem internationalen Kongress mit über 15'000 Teilnehmern feierte die Heilsarmee vom 1.-5. Juli in der Londoner O2-Arena ihr Jubiläum. Mittendrin war auch Salutist Jakob Wampfler, bekannt durch sein Buch «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus».
Jakob Wampflers Leben wurde komplett erneuert, nachdem er zu Jesus gefunden hatte.
André Cox am «Boundless»-Heilsarmee-Kongress
Fest in der O2-Arena.
Jakob Wampfler unterwegs mit der Heilsarmee
Cover der neuen CD von Jakob Wampfler «Jesus het meh Promille»

Vor 150 Jahren, im Juli 1865, fing ein Prediger namens William Booth aus Nottingham in den ärmsten Vierteln Londons an, den Menschen zu dienen und ihnen das Evangelium zu predigen. Aus diesem Dienst heraus entstand die Heilsarmee, die heute in 126 Ländern Millionen von Menschen «Suppe, Seife und Seelenheil» anbietet.

Zum 150-jährigen Jubiläum trafen sich über 15'000 Salutisten und Offiziere in der Londoner O2-Arena, um während fünf Tagen miteinander zu feiern. Es war die bisher grösste Konferenz der Heilsarmee.

Mittendrin war auch einer der bekanntesten Schweizer Salutisten, der Berner Oberländer Jakob Wampfler, der das Buch «Vom Wirtshaus ins Bundeshaus» geschrieben hat. Livenet hat sich mit ihm über die Konferenz in London und aktuelle Themen der Heilsarmee unterhalten.

Livenet: Jakob Wampfler, wie hast du die Konferenz in London erlebt?
Jakob Wampfler: Es war ganz eindrücklich und ungeheuer emotional. Diese vielen Menschen aus allen fünf Kontinenten zu sehen, Männer in Uniformen und Frauen in Trachten, alle durch das gleiche Ziel miteinander verbunden, das war schon gewaltig. Es erweitert einem den kleinen Schweizer Horizont, wenn man sieht, wie Jesus global über alle Grenzen hinweg wirkt.

Ich habe aber nicht die ganze Zeit in dieser O2-Halle verbracht. Das hätte ich wohl nicht ausgehalten. Nein, ich war an einigen für die Heilsarmee historischen Orten, unter anderem am West End, wo William Booth angefangen hat. Wir waren auch im Pub «Blinder Bettler», wo William den Alkoholikern von damals half (er trank bewusst keinen Alkohol, um Alkoholikern besser beistehen zu können, was bis heute ein Markenzeichen der Heilsarmee ist, Anm. d. Redaktion). Dort lief gerade eine Buchvernissage mit einer Nackttänzerin. Es war ein Massenbesäufnis im Gang. Aber wie damals William sind auch wir mit Leuten ins Gespräch gekommen. Wir konnten sogar für einige Leute beten. Das war ein ermutigendes Erlebnis, schliesslich wollen wir das Erbe der Väter weitertragen.

Die Heilsarmee hat auch in der Schweiz immer noch einen sehr guten Ruf.
Ja, da staune ich immer wieder. Es hat wohl mit der sozialen Arbeit nach dem Motto «Suppe, Seife, Seelenheil» zu tun. Aber wir dürfen uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Man muss immer wieder bereit sein, aufzubrechen und sich zu entwickeln. Unser Wunsch ist, Menschen Wertschätzung entgegen zu bringen und jedem seine Würde zurückzugeben. Ein Mensch, der keine Würde hat, hält auch nichts vom Evangelium.

Was ist dein Wunsch für die Heilsarmee in der Schweiz zum 150-Jahr-Jubiläum?
Dass wir das Vermächtnis von William und Catherine Booth, jedenfalls was noch brauchbar ist, übernehmen und weiterhin umsetzen. Wir sollten das Erbe ernst nehmen und uns gleichzeitig von Jesus zeigen lassen, wie wir es heute glaubwürdig umsetzen können. Sicher darf es nicht sein, dass wir uns in unseren «Supertempeln» verschanzen. Es werden immer noch Luxus-Gotteshäuser gebaut. Das ärgert mich. Denn es gibt Menschen, die nie ein religiöses Gebäude betreten werden. Wir müssen zu ihnen gehen, sozusagen die Leute hinter den Hecken und Zäunen aufsuchen!

Ich gehe zum Beispiel einmal im Monat mit Heavy-Metal-Leuten in Bern auf die Gasse. Bei einem Einsatz habe ich einer schwer heroinsüchtigen Frau ein Sandwich gegeben. Sie reagierte unfreundlich: «Ich bin doch nur ein Drecks-Junkie», bellte sie mich an. Darauf ich «Nein, du bist kein Drecksjunkie, du bist ein wertvoller Mensch und Jesus hat Sehnsucht nach dir.» Solche Begegnungen habe ich oft.

Warum folgen in der Schweiz nicht mehr Christen diesem Beispiel?
Der Wohlstand und das Predigen des Wohlstandsevangeliums sind Gift dafür. Uns geht es ja gut, sagen sich viele. Und dann sind auch die Prediger, die verkündigen, du bräuchtest nur jeden Tag dein Wunder und Gott will dich immer segnen und so weiter. Aber die Wahrheit ist doch, dass es nicht immer aufwärts geht. Es gibt auch Zeiten, wo's hart ist und man leiden muss.

Ende letztes Jahr hast du die CD «Jesus het meh Promille» herausgegeben. Du erzählst darauf ehrliche Geschichten aus deinem Leben. Was ist dein Ziel damit?
Ermutigung pur! Es soll vor allem Menschen, die von einer Sucht betroffen sind, ermutigen. Ich war ja selbst im Sumpf des Alkohols gefangen – aber Gott hat mich herausgezogen. Das sollen auch Menschen erleben, die diese CD hören. Die Botschaft ist: Egal wie du dran bist, auch wenn du aus dem letzten Loch pfeifst, es gibt eine Möglichkeit zur Umkehr. Gib dich selber nicht auf.

Auslöser für diese CD-Produktion war der Tod von zwei Kollegen aus dem Diemtigtal. Sie sind – ich kann's nicht anders sagen – am Alkohol verreckt. Ich möchte aber nicht nur Alkoholiker ansprechen. Es gibt 100'000 Süchte auf dieser Welt – Alkohol ist nur eine davon. Mir sind vor allem Junge und Teenies grenzenlos hammermässig wichtig. Ihnen kann ich sagen: Ich will euch nicht verurteilen, sondern aufzeigen, dass Jesus einfach mehr Promille hat als Whisky oder Internetpornografie oder eine andere Droge.

Diesen Frühling bist du zum Salutisten der Heilsarmee eingesetzt worden. Die Heilsarmee wird ja oft für ihr hierarchisches System kritisiert. Wie stehst du dazu?
Ich verstehe Leute, die gegen Uniformen sind, weil es an den Krieg erinnert. Doch ich denke, es hat Vorteile, wenn man sichtbar dazu stehen kann, Salutist oder Offizier bei der Heilsarmee zu sein. Es ist in vielen Situationen auch ein Schutz und eine Proklamation. Nicht dass ich denke, ich sei in einer Uniform besser als Leute anderer Freikirchen. Absolut nicht. Aber es setzt ein Zeichen.

Erst vor kurzem habe ich in Thun erlebt, wie mich ein junger Mann ansprach und fragte, ob ich von der Heilsarmee sei. Als ich es bejahte, umarmte er mich und sagte, er brauche dringend Hilfe. Manchmal erlebe ich auch das Gegenteil, dass mich Leute beschimpfen, wenn ich mit Uniform unterwegs bin. Das ist aber harmlos, wenn man bedenkt, dass früher Heilsarmee-Leute zu Tode geprügelt wurden.

Zur Person:

Jakob Wampfler ist 55 Jahre alt, er war 23 Jahre lang Alkohol-, Tabletten- und Haschisch-süchtig. Durch den Glauben an Jesus wurde er völlig befreit und geheilt. Heute ist er als Vortragsredner, Gassenarbeiter, Prediger und anderes mehr unterwegs. Er arbeitet 50% im Bundeshaus als Postbote. Jakob Wampfler ist verheiratet mit Sophia.

Zur Webseite:
Homepage von Jakob Wampfler

Zur CD:
«Jesus het meh Promille»

Zum Buch und Gedicht:
«Vom Wirtshaus ins Bundeshaus»

Zum Thema:
Heilsarmee wird 150 Jahre alt: «Boundless» - Grenzenloses Erbarmen als Jubiläumsmotto
150 Jahre Heilsarmee: 500 Schweizer feiern in London mit

Datum: 09.07.2015
Autor: Florian Wüthrich
Quelle: Livenet

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