Griechenland und die EU

Wer führt wen vor?

Jean-Claude Juncker will den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in sein Büro führen. Doch dieser zieht seine Hand reflexartig zurück. So geschehen beim jüngsten Treffen der beiden Politiker in Brüssel. Der kurze Moment wird durch Lachen und gute Laune vor den Journalisten gemeistert. Aber vielleicht sagt die kurze Szene mehr über die beiderseitigen Beziehungen aus, als so manches wohl formulierte politische Statement.
EU und Griechenland
George Kaloterakis

Der Präsident der Evangelischen Allianz, George Kaloterakis, macht deutlich, dass es evangelikale Christen gebe, die den neuen Ministerpräsidenten mit seiner Partei Syriza gewählt hätten, weil er so «scharf» gegen die Sparpolitik der EU Stellung bezogen habe. Andere Evangelikale im Land befürchteten demgegenüber, die neue griechische Regierung könne «Massnahmen ergreifen», die ihre Position gegenüber der Europäischen Union (EU) «in Gefahr bringe».

Immer wieder enttäuscht

Es gebe, so Kaloterakis, keine einheitliche Meinung unter den evangelikalen Christen seines Landes zur neuen Regierung und zu dem richtigen politischen Weg aus der Krise. In seiner Stellungnahme zum Ausgang der Wahlen weist Kaloterakis darauf hin, dass die evangelikalen Christen des Landes in den letzten Jahren immer wieder von den Regierungen des Landes enttäuscht worden seien. Wann immer sich Im Land eine neue Regierung bilde, sei diese von der Hoffnung begleitet, dass die neue Regierung es besser machen werde als die vorherige. Das gelte auch für die neue Regierung.

Diese grundsätzliche Tendenz werde dadurch verstärkt, dass Griechenland fünf Jahre der strikten Austeritätspolitik hinter sich habe; eine Zeit, in der tausende Landsleute ein schmerzliches Absinken ihres Lebensstandards hinnehmen mussten.

Dritter Schuldenschnitt gefordert

Seit der Wahl des neuen griechischen Parlaments laufen die diplomatischen Bemühungen auf Hochtouren. Ministerpräsident Tsipras und sein Finanzminister Evangelos Venizelos reisen durch Europa, um für einen neuerlichen Schuldenschnitt zu werben. Nach den Vorstellungen der Griechen würden dann vor allem die Ansprüche und Kredite von Banken, Investoren und Hedgefonds bedient. Das Nachsehen hätten die Europäische Zentralbank und die Einzelstaaten.

Die Ursache der Krise habe ihre Wurzeln in einer ethischen Krise, die seit Jahrzehnten bestehe. Diese Einschätzung äussert der Präsident der griechischen Evangelischen Allianz George Kaloterakis. «Wir glauben, dass der Weg zur Lösung der Probleme keine Fahrt durch seichtes Gewässer sein wird.»

Andere Glaubensgemeinschaften endlich anerkannt

Nach der Situation der evangelikalen Christen in Griechenland gefragt, weist der Präsidenten der Evangelischen Allianz auf ein neues Gesetz hin, das im Sommer letzten Jahres beschlossen wurde. Darin werden alle religiösen Gemeinschaften des Landes grundsätzlich anerkannt. Das ist ein wichtiger Schritt in einem Land, in dem Glaube gemeinhin mit der orthodoxen Kirche gleichgesetzt wird und alle religiösen Gemeinschaften, die nicht griechisch-orthodox sind, als ungriechisch, suspekt und rechtswidrig gelten. Die Dominanz der griechisch-orthodoxen Kirche zeigt sich auch darin, dass geschätzte 92-97 Prozent der Bevölkerung des Landes ihr angehören.

Immer wieder kam es in Griechenland bis in die Gegenwart zur Verhaftung von Missionaren, die im Land für ihren Glauben warben und des Proselytismus (negativer Ausdruck für das Abwerben von Gläubigen aus anderen Konfessionen oder Religionen) angeklagt und auch mit Gefängnisstrafen belegt wurden. Bereits 1985 machte das internationale Missionswerk «Jugend mit einer Mission» in einer bemerkenswerten Pressekonferenz in Frankfurt auf die Inhaftierung von Missionaren aufmerksam. Zu Recht wurde argumentiert, dass eine solche Praxis gegen die Menschenrechte und die Religionsfreiheit verstosse.

Datum: 05.02.2015
Autor: Norbert Abt
Quelle: Livenet

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