«Mutig sein hängt sehr mit der Persönlichkeit zusammen»
Wieso in der Vergangenheit wühlen, anstatt aktiv zu sein und Gott hier zu dienen? Mit dieser Frage wurde Debora Sommer öfters konfrontiert. Doch indem sie sich mit der Geschichte einer in Vergessenheit geratenen Frau aus dem 18. Jahrhundert auseinandersetze, fasste sie selbst Mut und ging so ihren Weg, um den eigenen Platz zu finden.
Die Willow Creek Tageskonferenz «Mut zum Risiko», die am 2. Februar 2019 in Winterthur stattfand, eröffnete Dr. Debora Sommer mit dem Referat «Lernen aus der Vergangenheit». Der introvertierten Autorin kostete es eine ganze Portion Mut, den Schritt auf die Bühne zu wagen. Doch gerade dadurch verlieh sie ihrem Auftritt besonders Nachdruck. Was hat sie bewogen, trotz ihrer «leisen Art» vor Publikum über das Thema Mut zu sprechen?
Sich auf eine grössere Dimension einlassen
Für Debora Sommer ist Geschichte eine wahre Schatzkammer. «Der Blick auf die Geschichte stellt mein Leben in eine grössere Dimension», so die Theologin, die auch Kirchengeschichte unterrichtet. Für sie sei es manchmal erschreckend, wie geschichtslos viele Menschen, auch Christen, unterwegs sind. Die Menschengeschichte bilde dabei nur einen Teil von einer grösseren: Gottes Geschichte. Aus diesem Bewusstsein lerne sie, dass sie nicht nur eine Protagonistin in ihrer kleinen Lebenswelt sei. Doch auch ihre Begrenztheit wird ihr dadurch offenbar: «Geschichte zeigt mir, wie vergänglich mein Leben ist.»
Als sie im Rahmen ihrer Dissertation das Leben von Juliane von Krüdener intensiv studierte, habe es sich so angefühlt, als ob Gott ihr den Auftrag gab, die Geschichte dieser Frau aus dem 18. Jahrhundert aufzurollen. Für viele Menschen sei das Wühlen in der Vergangenheit reine Zeitverschwendung. Doch die Beschäftigung damit habe sie mutiger gemacht. «Ich war eine ängstliche, unsichere Mutter, die hinter dem Computer sass und einen Weg suchte, ihren Platz zu finden», blickte Sommer zurück. «Heute staune ich, wie wunderbar Jesus mich geführt hat.»
Blick in die Bibel
In den biblischen Geschichten kommen viele mutige Personen vor, von denen man lernen kann. Als Beispiel erwähnte Debora Sommer die Hebammen Schifra und Pua, die sich aus Ehrfurcht vor Gott dem Befehl des Pharaos widersetzen, die hebräischen Babys umzubringen (2. Mose, Kapitel 1, Verse 15-21). Schlussendlich kamen sie mit einer Notlüge durch, in der sich auch die Spannung mit dem eigenen Gewissen spiegle, erklärte die Referentin. Auch an Gideons Geschichte lasse sich gut erkennen, wie eng Mut und Angst miteinander verknüpft sind.
Angst gehöre natürlich zum Menschen dazu, so Sommer. Es sei kein Zeichen von Schwäche, denn Mut sei nicht die Abwesenheit von Angst, sondern die Fähigkeit, Angst zu überwinden. Die Bibel zeige an vielen Personen, dass wir nicht auf menschliche Begrenzungen schauen sollten, sondern auf Gottes Macht. Sie ist überzeugt: «Gott kann mit unserer Schwäche umgehen.» Dr. Sommer selbst hat erlebt, wie Angst in gewissen Situationen eine grosse Macht gewinnt. Um dem entgegen zu wirken, lasse sie bei persönlichen Abwägungen die Angst nicht mehr als Entscheidungsfaktor zählen.
Blick in die Kirchengeschichte
Seit Mitte Januar läuft der Zwingli-Film in der Schweiz. Er bringe zum Ausdruck, dass vieles, was wir heute als selbstverständlich anschauen, hart erkämpft wurde. Das erforderte auch Mut, etwa als Zwingli dem Rat schrieb: «Macht um Gottes Willen etwas Tapferes!» In diesem Zusammenhang machte Debora Sommer auf die oft überhebliche Beurteilung der Geschichte aufmerksam. Oder aber, das Gegenteil sei der Fall: Man verherrlicht die Person. «Geschichte mahnt uns, historische Gestalten weder hochzujubeln noch zu verurteilen», bekräftigte sie.
Eine Person, die gar in Vergessenheit geriet, ist eben Baronin Juliane von Krüdener. Mit ihrem missionarischen Auftreten und ihrer herausfordernden Botschaft versetzte sie halb Europa in Aufruhr. Tausende Menschen strömten zusammen, um diese Frau aus dem Norden zu hören. Sie forderte mit Ernsthaftigkeit und Unerschrockenheit ein Umdenken und ein Evangelium der Tat. Debora Sommer vermutet, dass die mutige Frau deshalb vergessen ging, weil sie Grenzen übertreten habe, die einer Frau in dieser Zeit gesetzt waren – ein Risiko.
Blick in die Weltgeschichte
Abraham Lincoln gehört für viele auf die Liste der mutigsten Persönlichkeiten. Besonders beeindruckend schilderte Sommer seinen Umgang mit dem Scheitern und seinen zahlreichen Niederlagen. «Trotz Widerstände hat er nie aufgegeben», fasste sie zusammen. Bis zum Schluss – den Kampf gegen die Sklaverei kostete ihn letztlich das Leben.
Auf seinem Sitzplatz im Bus sitzen bleiben – diese Tat würde wohl kaum jemand als mutig bezeichnen. Doch als Rosa Parks 1955 sich trotz allen Drohungen weigerte, den Platz aufgrund von der herrschenden Rassentrennung im Bus aufzugeben, bewies sie genau durch diese Tat enormen Mut. Durch ihren Protest ebnete sie den Weg für den Freiheitskampf von Martin Luther King. «Der stille Widerstand bewegte die Menschen genau gleich wie die brillanten Reden von Martin Luther King», bestätigte Sommer. «Auch stille Menschen verfügen über weltverändernde Stärken.»
Mit diesem Beispiel wies Debora Sommer darauf hin, wie sich Mut auf verschiedene Art und Weise äussert. «Mutig sein hängt sehr mit der Persönlichkeit zusammen. Beide haben ihre Befindlichkeiten zurückgestellt, im Dienst einer höheren Sache», stellte sie fest.
Gottes Reich braucht mutige Menschen
Abschliessend warf die Referentin Fragen in den Raum, die zum Denken anregten, was Mut zum Risiko für die Teilnehmer persönlich bedeuten könne. Besonders die Frage «Warum lohnt es sich trotzdem?» forderte heraus. Mit den geschichtlichen Personen, ihrem Werdegang und ihrem Mut im Hinterkopf, inspirierte das Referat zu mutigen Antworten und lud dazu ein, auch mal ein Risiko einzugehen, auf seine ganz persönliche Art.
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Datum: 05.02.2019
Autor: Annina Morel
Quelle: Livenet