Die liberale Neue Zürcher Zeitung hat am Samstag in einer Beilage die teils böigen Winde vergegenwärtigt, welche um das Haus der Familie pfeifen. Das Zeugen und Aufziehen von Kindern ist nur eine Option unter mehreren heute – und scheinbar nicht die beste: „Auf den ersten Blick scheint für Paare ein Leben ohne Kinder weitaus attraktiver“, schreibt Regula Heusser zum Geleit. „Denn das bedeutet nicht nur bessere Karrierechancen und mehr Konsum, sondern auch ein Leben, das frei ist von der Sorge etwa um die Gesundheit des Nachwuchses, um dessen Ausbildungschancen und –erfolg.“ Der Egoismus-Vorwurf von Eltern(vertretern) pralle bei den Kinderlosen am Bewusstsein ab, für die Nachkommen anderer die Infrastruktur bezahlen zu müssen. „Eine Versöhnung der Positionen scheint aussichtslos.“ Für die Hamburger Psychologin und Autorin Susie Reinhardt ist die „bewusste Entscheidung gegen die Mutterrolle“ (so der Untertitel ihres Buchs) allzu verständlich. Sie zitiert Forscher, die herausgefunden haben wollen, dass mit der Geburt eines Kindes die Partnerschaftsqualität kontinuierlich abnimmt. Darum wollten viele gar kein Kind. „Rund ein Drittel der gewollt Kinderlosen kennt gar keinen Kinderwunsch“; oft schon falle der Entschluss im Teenage. Reinhardt weiss, dass dies erst mit der Pille möglich wurde: „Die Wahl, kinderlos zu leben, ist noch recht neu… Kinderlosigkeit galt wahlweise als Fluch eines Dämons oder als göttliche Strafe.“ Bis in die 1980-er Jahre seien gewollt Kinderlose als „vom Glück ausgeschlossen“ wahrgenommen haben, will die Psychologin Christine Carl herausgefunden haben. Neuerdings aber scheine der Glaube, Mutterschaft sei der Weg ins Frauenglück, „sogar ein Comeback zu feiern“, schreibt Reinhardt. Gründe für ein Comeback gibt’s genug. Allerdings nicht so sehr für das Wiederaufkommen des alten Glaubens als vielmehr des Willens zur verantwortlichen Elternschaft. Gerade unter der Losung: No risk – no fun, welche die bekannten Konsum- und Selbstverwirklichungs-Argumente verdrängt. Nichts Grösseres können Paare wagen, als Kinder zu haben. Nichts eröffnet mehr Perspektiven, erlaubt derart tiefgehende, bereichernde Erfahrungen (Schmerz und Scheitern inbegriffen). Oder ist eine Veloreise von Alaska nach Feuerland spannender? Was macht reicher, als ein Kind ans Licht der Welt zu bringen und ihm einen Namen zu geben, es in diesem Licht spielen und wachsen zu sehen, dass es aus Urvertrauen zu den Eltern Mut bekommt, Mut zum Leben in dieser bedrohten Welt? Es scheint, dass das Glück der Mutter (die heute auch noch ausserhalb des Haushalts tätig sein will) stark vom Einsatz des Vaters abhängt. Traditionelle Aufgaben der Mutter sind zunehmend von Vätern zu erfüllen. Und denen helfe es, wenn Hausarbeit von der Gesellschaft als anspruchsvoll eingeschätzt werde, schreibt Sieglinde Geisel in der NZZ. Sie zitiert den Schweizer Publizisten Beat Kappeler, der vorschlägt, dass die Wirtschaft die humanen und Führungsqualitäten bestandener Väter honoriert. Kappeler schweben zwei 70-Prozent-Jobs für Mami und Daddy während der Kleinkinderphase vor – eine Einbusse, „an der keine Karriere scheitern sollte“. Ich kenne zwei Ehepaare, die mit etwas weniger Einkommen zufrieden sind. Sie arbeiten 80 und 40 Prozent. Die Mutterrolle ist kein Privileg der Frauen mehr, der Ernährer habe sich (weit über das sprichwörtliche Windelnwechseln hinaus) als engagierter Vater einzubringen, schreibt Geisel. Ohne Risiko geht das nicht: „Junge Väter sind nicht zu beneiden, wenn der Chef zu lachen anfängt, weil er die Frage nach dem Vaterschaftsurlaub für einen Witz hält.“ – Um das zu ändern, braucht es mehr als einen Vatertag.Lieber sorgenfrei leben
Bewusst keine Kinder: ‚Alternative Lebenspläne’
No risk – no fun
Nur mit Einsatz des Vaters
Mit weniger zufrieden sein, um mehr zu geben
Datum: 11.05.2004
Autor: Peter Schmid
Quelle: Livenet.ch