Als der alte Mann gefragt wurde, warum er sich einer besten Gesundheit erfreue, er so zufrieden und fröhlich sei, berichtete er nach kurzem Zögern von einer alten Gewohnheit. Er verliess sein Haus nie, ohne eine Handvoll Bohnen in seine Tasche zu stecken. Das tat er nicht etwa, um sie zu kauen, sondern um die schönen Momente des Tages bewusster wahrzunehmen und sie besser zählen zu können. Für jede noch so kleine Situation, die ihn erfreute, liess er eine Bohne von der rechten in die linke Tasche wandern. Das waren zum Beispiel: Ein freundliches Guten Morgen von der unbekannten Sitznachbarin im Zug. Die spannende Diskussion mit seinem Neffen über den Sinn der Hausaufgaben. Ein besonders schön gelungenes Stück seiner Schreinerarbeiten. Das herzhafte Lachen seiner Frau. Der Schattenplatz in der Mittagshitze … Abends legte er die Bohnen seiner linken Tasche vor sich hin und zählte sie. Er führte sich dabei jede einzelne Situation noch einmal vor seine inneren Augen, freute sich, genoss sie ausführlich und nahm sie tief in sich auf. Zum Schluss meinte er: Diese unzähligen Freuden hätten ihm Kraft gegeben, auch all die schwierigen und schweren Stunden seines Lebens durchzustehen, daraus zu lernen – und sie dann loszulassen. Wenn ich Menschen zuhöre, die einander berichten, was ihnen von anderen Gutes widerfahren ist, worüber sie sich freuen konnten, was sie für den ganzen Tag aufgestellt hat, dann spüre ich die Leichtigkeit und Freiheit, die diese Menschen verbreiten. Ich kann mich ihrer Freude nicht entziehen und lasse mich gerne anstecken. Und - ich entdecke in meinem Alltag stets mehr Gelegenheiten, über die ich mich von Herzen freue.
Datum: 26.06.2007
Autor: Roman Angst
Quelle: Brunnen Verlag