Menschenrechtler kritisieren Willkür gegenüber Konvertiten
Asylanträge von zum Christentum konvertierten Iranern haben nach
Auffassung von Menschenrechtlern in Deutschland immer weniger Aussicht
auf Erfolg. Die von Abschiebung betroffenen Menschen hätte hier keine
Lobby. Im Iran würden christliche Konvertiten, Bahai und Sufi häufig
festgenommen, verurteilt und drangsaliert. «Menschenrechtsverletzungen
aus religiösen Gründen stehen in dem Land auf der Tagesordnung», erklärt
Martin Lessenthin, Vorstandssprecher der Internationalen Gesellschaft
für Menschenrechte (IGFM) am Donnerstag zur Situation christlicher
Konvertiten aus dem Iran in Deutschland.
Pfarrer Gottfried
Martens nannte bei der Online-Pressekonferenz der IGFM am Donnerstag das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) «eine politische
Behörde», der es nicht um den Einzelfall bei einem Asylantrag gehe. Das
BAMF gebe «Weisungen von oben weiter, dass nämlich christliche
Konvertiten erst einmal regelhaft abgelehnt werden sollen». Dies
geschehe oftmals in einer geradezu zynischen Weise, sagte Martens und
zitierte aus einem BAMF-Protokoll.
Darin laute es: «Sie sagen, dass Sie an ein ewiges Leben glauben.
Dann sollte es für Sie kein Problem sein, wenn Sie in den Iran
zurückgehen werden und tatsächlich zur Todesstrafe verurteilt werden,
denn so werden Sie ein ewiges Leben bekommen, was Sie auch bestreben.» Der Antrag auf Asyl in dem genannten Fall sei abgelehnt worden. Die
Anerkennungsquote von Asylanträgen christlicher Konvertiten ist nach
Martens Angaben von nahezu 100 Prozent vor einigen Jahren auf nun «nahe
an den einstelligen Bereich» gesunken.
Martens ist Pfarrer der
Evangelisch-Lutherischen Dreieinigkeits-Gemeinde in Berlin-Steglitz. Zu
seiner Gemeinde gehören eigenen Angaben zufolge insgesamt etwa 1'200
Konvertiten aus dem Iran und aus Afghanistan. Der Geistliche hat viele
Asylsuchende bei ihren Anträgen und Verfahren beim Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) und vor Verwaltungsgerichten begleitet.
Kirchen sollen sich für Konvertiten einsetzen
Die Aufgabe von IGFM bestehe darin, Schicksale von Abschiebung bedrohter Konvertiten öffentlich zu machen und damit Politik und Behörden «zu einer Verhaltensverbesserung zu bewegen». Es sei noch zu wenig bekannt, dass der Iran ein Terrorstaat sei und daher konvertierte Christen in dem Land um ihr eigenes Leben und dem ihrer Angehörigen fürchten müssten. Bei Politikern sei eine «gewisse Beliebigkeit» und «Schulterzucken» festzustellen, wenn Christen von aus dem Iran von Abschiebung wegen ihres Glaubens betroffen seien.
Lessenthin appelliert auch an die Kirchen, klar für die Belange ihrer Glaubensgeschwister einzutreten. «Ich wünsche mir von den Kirchen – gerade von den grossen Kirchen in Deutschland –, dass sie ihre Stimme lauter erheben, wenn es um das Schicksal von Schwestern und Brüdern geht, denen ihr Glaubenswechsel, ihre christliche Erweckung, abgesprochen wird.» Platte Urteile verdienten zudem den aktiven Widerspruch von «Leitungspersonen» der Kirchen. «Hier müsste sich die Kirchenführung deutlicher positionieren», forderte Lessenthin.
Persönliche Einstellung der Richter und Wohnort von Bedeutung
Wie Martens bei der Pressekonferenz sagte, bleibe den Asylsuchenden nichts anderes übrig, als vor die Verwaltungsgerichte zu ziehen. Die Prozesse, die er dort erlebe, seien oft «ein reines Glücksspiel». Er frage sich, wie das mit dem Rechtsstaat zu vereinbaren sei. Ein entscheidender Faktor für die Aussicht auf Erfolg für die Asylsuchenden vor einem Verwaltungsgericht sei der Wohnort. «Man weiss von vornherein: In diesem Verwaltungsgericht hat man eine gewisse Chance. In jenem Verwaltungsgericht hat man überhaupt keine Chance», erklärte Martens.
Seiner Einschätzung nach geht es bei den Verhandlungen «weniger um die Ernsthaftigkeit der Konversion», sondern viel mehr um die «persönliche Einstellung des Richters» zum Thema. «In vielen Fällen ist es so, dass diese Verwaltungsrichter sich in einer Art und Weise anmassen, Experten in Fragen des Glaubens zu sein, dass man einfach nur noch fassungslos ist», sagte der Pfarrer. Richter würden mitunter offen sagen, dass sie über die Ernsthaftigkeit einer Konversion besser Bescheid wüssten, als ein Pfarrer.
Was vor den Verwaltungsgerichten abgefragt oder untersucht werde, nannte Martens «willkürlich». Martens kritisierte, dass de facto Gerichte und Behörden entschieden, was für den Glauben eines Christen richtig und wichtig sei. Wegen der Ablehnung von Asylanträgen und der drohenden Abschiebung würden viele Asylsuchende keinen Ausweg mehr sehen und sich daher mit Suizidgedanken tragen.
«Es geht um Menschenleben»
Pfarrer Martens berichtete von einer Gerichtsverhandlung, bei der der
Betreffende «noch nicht einmal die Gelegenheit bekam, zu erklären,
warum er eigentlich Christ geworden ist». Seiner Einschätzung nach
hätten in verschiedenen Fällen Richter ihr Urteil bereits vor der
Gerichtsverhandlung getroffen. Es gebe aber auch Verwaltungsrichter, die
sich ernsthaft bemühten und ganz wesentlich auf das Wort derer hörten,
die die Konvertiten über Jahre hinweg begleitet und deren Glaubenspraxis
miterlebt hätten.
«Wir nehmen Menschen den Glauben an unseren
Rechtsstaat», erklärte Sasan Harum-Mahdavi, Vorstandsmitglied des
Vereins «Leben und Leben Lassen – zur Verwirklichung der Menschenrechte»
mit Sitz in München. Man müsse dafür sorgen, dass der Rechtsstaat
wieder die Augen öffne: «Es geht hier um Menschenleben, um Schicksale»,
sagte Harum-Mahdavi.
Der Menschenrechtler schilderte das
Schicksal vieler zum Christentum konvertierter Iraner am Beispiel von
Mohammad Reza. Der Iraner sei 2015 nach Deutschland gekommen und hier
zum Christentum konvertiert. Der junge Mann habe sich in der Gemeinde
und im Sport engagiert, eine Lehre zum Bademeister abgeschlossen. Weil
er wegen eines Jobs nach Bayern gezogen war und bei einer Behörde auf
Drängen hin seinen Pass abgegeben habe, habe der junge Mann schliesslich
seinen Aufenthaltstitel verloren.
Vor Gericht hätten sein Seelsorger oder der Gemeindevorsteher bestätigt, dass der Mann «wirklich ein christliches Leben geführt» habe, dennoch habe der Richter dem keinen Glauben geschenkt. «Der Richter sieht sich in der Lage, eher zu erkennen, ob er christlich lebt oder nicht, wie seine Gemeinde. Das kann es ja gar nicht geben», sagte Harum-Mahdavi. Die drohende Abschiebung habe dem jungen Mann alle Kraft geraubt.
Zum Originalartikel von PRO
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Datum: 02.08.2022
Autor: Norbert Schäfer
Quelle: PRO Medienmagazin